Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 8 (acht) Jahre herabgesetzt.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Horst Eduard W***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 zweiter (und dritter) Fall StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 5.Februar 1995 in Wien Bettina P***** mit Gewalt, indem er auf sie einschlug, sie an den Haaren riß und fesselte, und durch gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich durch die Äußerungen, er werde sie umbringen, sohin zumindest mit der Androhung einer Verletzung am Körper, zur Duldung des Beischlafes und von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen, nämlich zur mehrmaligen Vornahme eines Anal- und Oralverkehrs, genötigt, wobei die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch, nämlich durch zwölf Stunden, in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt wurde.
Die Geschworenen beantworteten die auf das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB gestellte Hauptfrage mit der Beschränkung (§ 330 Abs 2 StPO), daß der Angeklagte keine "schwere" Gewalt angewendet und keine Drohung mit "schwerer" Gefahr, sondern bloß eine Drohung mit weiterer Körperverletzung gegen das Opfer gerichtet habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO rügt der Beschwerdeführer die unterbliebene Stellung einer "Zusatzfrage" (gemeint: Eventualfrage) nach dem Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB. Er ist insoweit im Recht, als § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB (schon nach dem Gesetzeswortlaut) zwei eigenständige Deliktstypen mit jeweils verschiedenen Nötigungsmitteln und gesonderten Strafdrohungen sowohl für die Grundtatbestände als auch für deren Qualifizierung normieren (Leukauf-Steininger Komm3 § 201 RN 4 ff). Demnach enthält Abs 2 des § 201 StGB nicht etwa bloß eine Privilegierung des Grundtatbestandes nach Abs 1 der zitierten Norm, sondern umschreibt ebenso einen selbständigen Verbrechenstatbestand der Vergewaltigung wie Abs 1, sodaß § 201 StGB insoweit als kumulativer Mischtatbestand konzipiert ist. Demnach wäre im Verfahren vor den Geschworenengerichten bei entsprechenden Beweisergebnissen in der Hauptverhandlung für den Fall der Verneinung der auf Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB gerichteten Hauptfrage eine Eventualfrage (§ 314 StPO) nach minderschwerer Vergewaltigung iSd § 201 Abs 2 StGB zu stellen (EvBl 1993/54 = RZ 1994/21).
Im gegebenen Fall gereicht jedoch die Unterlassung der Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen nach § 201 Abs 2 StGB dem Angeklagten nicht zum Nachteil, weil die Geschworenen die auf Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB gestellte Hauptfrage mit den oben bezeichneten Einschränkungen bejaht haben, sodaß der Beschwerdeführer solcherart ohnedies (bloß) des Verbrechens nach § 201 Abs 2 StGB - und nicht jenes nach § 201 Abs 1 StGB - schuldig erkannt wurde. Die Zurechnung der - auch bei einer Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB möglichen - Qualifikationen des Versetzens der vergewaltigten Person längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand (§ 201 Abs 3 zweiter Fall StGB) und der Erniedrigung der vergewaltigten Person in besonderer Weise (§ 201 Abs 3 dritter Fall StGB) erlitt durch die eingeschränkte Fragebeantwortung der Geschworenen keine Änderung, weil die Geschworenen diese Umstände nicht gemäß § 330 Abs 3 StPO ausgeschlossen haben. Dem Angeklagten ist daher die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO aus dem Grunde des § 345 Abs 3 StPO verwehrt (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 § 345 Schlußsätze ENr 17).
Entgegen der Instruktionsrüge (Z 8) ist die den Geschworenen gemäß § 321 Abs 1 StPO erteilte Rechtsbelehrung dem Protokoll über die Hauptverhandlung angeschlossen (Blg ./6). In ihr sind sowohl die Tatbestände des § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB als auch die Qualifikationen nach § 201 Abs 3 StGB rechtsrichtig dargestellt, wobei auch klargelegt wurde, daß die erwähnten Qualifikationen zu jedem der Grundtatbestände hinzutreten können. Die Rechtsbelehrung entspricht daher dem Gesetz.
Mit der Tatsachenrüge (Z 10 a) gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Insbesondere vermag er durch den Hinweis auf den Umstand, daß Bettina P***** nur geringfügige Verletzungen davongetragen hat, die Glaubwürdigkeit der genannten Zeugin in keiner Weise zu erschüttern.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 201 Abs 3 StGB zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und wertete dabei als erschwerend die Anwendung von Gewalt und Drohung sowie die mehrfachen Tathandlungen, als mildernd hingegen keinen Umstand.
Die dagegen vom Angeklagten erhobene Berufung strebt eine Strafreduktion an. Ihr ist im Ergebnis Berechtigung nicht abzusprechen.
Die Anwendung von zwei Nötigungsmitteln (nämlich Gewalt und Drohung) wurde entgegen dem Berufungsvorbringen ebenso zu Recht als Erschwerungsgrund gewertet wie die mehrfachen Tathandlungen. Von einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot kann daher keine Rede sein. Die Behauptung, nicht einschlägige Vorstrafen würden einen Milderungsgrund darstellen ist nicht nachvollziehbar. Dies gilt gleichermaßen für die Berufungsbehauptung, der Angeklagte habe die Tat durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet und aus Unbesonnenheit begangen.
Dennoch erweist sich auf der Basis der vom Geschworenengericht richtig und vollständig festgestellten Strafzumessungsgründe die Verhängung der gesetzlichen Höchststrafe auch unter Bedacht auf die besondere Schwere der personalen Täterschuld (§ 32 StGB) als etwas überhöht. Die Freiheitsstrafe war daher auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß herabzusetzen.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)