OGH 4Ob587/95

OGH4Ob587/9521.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Sonja Elisabeth R*****, infolge Revisionsrekurses des Landes Salzburg als Jugendwohlfahrtsträger, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Z*****, diese vertreten durch Dr.Martin Stock, Rechtsanwalt in Zell am See, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 20.September 1995, GZ 21 R 395, 396/95-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am See vom 20. März 1995, GZ P 119/94-13, teilweise als nichtig aufgehoben und insoweit der dem Beschluß zugrunde liegende Antrag des Landes Salzburg vom 7.Oktober 1994 zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben; dem Rekursgericht wird eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Minderjährige ist das außereheliche Kind von Elisabeth R***** und Hugo S*****, welcher seine Vaterschaft am 2.August 1979 anerkannt hat. Die Obsorge für die Minderjährige steht der Mutter zu. Auf ihren Antrag wurde das Mädchen im September 1989 gemäß § 16 Salzburger Sozialhilfegesetz LGBl 1975/19 (Sbg SHG) im Caritas-Kinderdorf S***** untergebracht und lebt seit dieser Zeit dort. Ihre Ferien und die Wochenenden verbringt sie bei der Mutter, die sie zu diesen Zeiten auch betreut. Der Vater hat auf Grund eines vor der Bezirkshauptmannschaft Z***** - die sich als Sachwalter bezeichnet (S. 5 und 11) - am 2.März 1990 geschlossenen Unterhaltsvergleichs einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 2.500 zu zahlen.

Der Grund für die Unterbringung der - nach dem Salzburger Behindertengesetz behinderten - Minderjährigen war der Umstand, daß die Mutter Epileptikerin ist und sich außerstande sah, ihr Kind entsprechend seinen Bedürfnissen zu betreuen. Mit 1.Jänner 1993 übernahm das Jugendamt der Bezirkshauptmannschaft Z***** die Tragung der Kosten vom Sozialamt derselben Bezirkshauptmannschaft; tatsächlich trägt jedoch die Kosten trägt das Land Salzburg. Sie betrugen 1994 insgesamt S 160.507; der Tagessatz beträgt S 700.

Am 7.Oktober 1994 (eingelangt beim Erstgericht am 11.Oktober 1994) beantragte die Bezirkshauptmannschaft Z***** unter Hinweis darauf, daß dem Land Salzburg hohe Kosten erwüchsen und der Vater in der Lage sei, höhere Beträge als Kostenersatz zu leisten, diesen "gemäß § 40 JWG bzw § 183 AußStrG zum Ersatz der anfallenden Kosten ... ab 1.6.1994 im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten zu verpflichten". Im Hinblick auf das angenommene Einkommen des Vaters werde der Antrag mit dem Betrag von S 8.800 monatlich konkretisiert (ON 2).

Der Vater trat diesem Antrag entgegen.

Das Erstgericht erkannte den Vater schuldig, zum Ersatz der Kosten der vollen Erziehung des Kindes gemäß § 40 JWG zusätzlich zu der monatlichen Unterhaltsverpflichtung von S 2.500 ab 1.Juni 1994 den weiteren Betrag von S 6.300, insgesamt somit monatlich S 8.800 zu Handen der Bezirkshauptmannschaft Z***** zu zahlen. Die Privatentnahmen des Vaters, der an einer OHG zu 80 % beteiligt sei, hätten in den letzten Jahren im Monatsdurchschnitt S 60.285 betragen. Die Minderjährige sei im Rahmen der sogenannten vollen Erziehung (§ 28 JWG) in einem Kinderdorf untergebracht. Der Unterhaltsanspruch der Minderjährigen gegen ihre Eltern gehe nach § 34 JWG, § 46 Salzburger JWO ex lege auf den Jugendwohlfahrtsträger über. Der vom Bezirksjugendamt Z***** begehrte Kostenersatz halte sich im Rahmen der Unterhaltspflicht des Vaters.

Das Gericht zweiter Instanz hob diesen Beschluß aus Anlaß des vom Vater dagegen erhobenen Rekurses im Umfang des angefochtenen S 3.500 monatlich übersteigenden Zuspruches als nichtig auf und wies insoweit den dem Beschluß zugrunde liegenden Antrag des Landes Salzburg zurück. Das Erstgericht sei nicht näher darauf eingegangen, wer seiner Auffassung nach Antragsteller im Ersatzverfahren ist. Es nehme auch zu Unrecht an, daß sich die Minderjährige im Rahmen der vollen Erziehungshilfe auf einem Pflegeplatz befinde. Daß tatsächlich eine Maßnahme nach § 28 JWG vorliege, könne dem Akt nicht entnommen werden. Es liege vielmehr ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z***** - Sozialamt vom 22.November 1989 vor, wonach die Minderjährige gemäß §§ 6, 16 Sbg SHG im Caritas-Kinderdorf S***** untergebracht worden sei. Aus der Aktenlage ergebe sich nach Auffassung des Rekurssenates, daß der von der Bezirkshauptmannschaft Z***** offensichtlich für das Land Salzburg geltend gemachte Kostenersatzanspruch ein solcher nach § 44 Sbg SHG sei, über den nach § 46 Abs 1 Sbg SHG im Verwaltungsweg zu entscheiden wäre. Dem Antrag stehe daher die Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegen. Daß hier kein Fall der vollen Erziehung nach § 28 JWG gegeben ist, ergebe sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes, wonach sich die Minderjährige in den Ferien und an den Wochenenden bei der Mutter aufhalte. Überdies sei die Minderjährige nicht im Hinblick auf ihre eigene Behinderung, sondern wegen der Krankheit ihrer Mutter im Kinderdorf untergebracht worden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Z*****. Da in dem Rechtsmittel einerseits die Minderjährige als "Antragstellerin" und Rechtsmittelwerberin bezeichnet wird, andererseits aber die Rechtsmittelausführungen darauf abzielen, daß dem Antrag gemäß § 40 JWG stattgegeben werde, hat der Oberste Gerichtshof in analoger Anwendung der §§ 84, 85, 235 Abs 5, 474 Abs 2 ZPO, um nicht durch eine formale Erledigung Schaden zu verursachen (§ 2 Abs 3 Z 10 AußStrG) den Rechtsmittelverfasser zur Klarstellung aufgefordert, in wessen Namen er tatsächlich eingeschritten ist. Dieser hat hierauf angegeben, daß die Anführung der Minderjährigen als Antragstellerin nur irrtümlich erfolgt ist; in Wahrheit sei das Rechtsmittel im Namen des Landes Salzburg als des Jugendwohlfahrtsträgers erhoben worden. In diesem Sinn war daher die Bezeichnung der Rechtsmittelwerberin richtigzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

In ihrem Antrag an das Erstgericht begehrte die Bezirkshauptmannschaft - Jugendamt Z*****Kostenersatz gemäß § 40 JWG. Auch wenn der Antrag eine ausdrückliche Erklärung darüber, für welches Rechtssubjekt er gestellt wird, vermissen läßt, so ergibt sich doch aus seinem Inhalt, insbesondere dem Hinweis auf die dem Land Salzburg erwachsenden Kosten und auf Gesetzesstellen, daß die Antragstellerin in diesem Fall für den Jugendwohlfahrtsträger - also das Land Salzburg (§ 4 Abs 1 JWG 1989 BGBl 161) - aufgetreten ist. Dieser hat ja zunächst für die Kosten der Hilfe zur Erziehung aufzukommen (§ 32 Abs 1 JWG, § 45 Abs 2 Salzburger Kinder- und Jugendwohlfahrtsordnung 1992 - JWO 1992 LGBl Nr. 83) und kann den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung (§ 28 JWG; § 40 SbgJWO) ua von den Unterhaltspflichtigen verlangen (§ 33 JWG, § 45 Abs 2 Sbg JWO). Trotz des im Antrag enthaltenen Hinweises, daß die Minderjährige vom Jugendamt Z***** als Sachwalter vertreten werde, kann darin kein Antrag der Minderjährigen erblickt werden, hat doch diese selbst keinerlei Anspruch auf Ersatz der Kosten, die das Land Salzburg für sie aufwendet. Insoweit zutreffend hat daher das Rekursgericht den Antrag als einen solchen "für den Jugendwohlfahrtsträger, sohin das Land Salzburg" (S. 125) gewertet. Es war sich auch dessen bewußt, daß der Antrag ausdrücklich auf § 40 JWG gestützt ist.

Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung sind für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens (oder des im Außerstreitverfahren gestellten Antrages) und darüber hinaus die Klage -(Antrags-)Behauptungen maßgebend; es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches an (SZ 44/165; SZ 45/117; SZ 46/82; SZ 58/156; SZ 61/88; ÖBl 1991, 127 - Tonbildschauen uva; Fasching I 63; ders LB2 Rz 101; Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 6 zu § 1 JN). Ist der Anspruch privatrechtlicher Art, haben darüber die Zivilgerichte im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden (SZ 61/88; SZ 62/108; SZ 63/96; SZ 64/57; ÖBl 1993, 8 - Holzlamellen uva; Mayr aaO). Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist nicht danach zu beurteilen, welche Ansprüche der Kläger (oder Antragsteller) aus dem dargestellten Sachverhalt ableiten könnte, sondern nur danach, welchen Rechtsgrund er tatsächlich in Anspruch genommen hat (ZBl 1922/280 ua). Unerheblich ist auch, ob der behauptete Anspruch berechtigt ist, weil hierüber erst in der Sachentscheidung abzusprechen ist (SZ 51/41 ua; Mayr aaO).

Da nach dem oben Gesagten ein Antrag des Landes Salzburg als des Jugendwohlfahrtsträgers auf Ersatz der Kosten der Erziehungshilfe vorliegt, hängt die Zulässigkeit des Rechtsweges allein davon ab, ob über solche Anträge die Gerichte zu entscheiden haben. Das ist aber der Fall, bestimmt doch § 40 JWG ausdrücklich, daß über den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung mangels Zustandekommens einer Vereinbarung auf Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers das Pflegschaft-(Vormundschafts-)Gericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden hat. Ob der Antrag berechtigt ist, insbesondere, ob tatsächlich eine gerichtliche Erziehungshilfe vorliegt, ist für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges ohne jede Bedeutung. Läge tatsächlich keine Maßnahme nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz, sondern eine Sozialhilfemaßnahme vor, dann kann das nicht zur Zurückweisung, sondern nur zur Abweisung des Antrages führen.

Aus diesem Grund war der angefochtene Beschluß in Stattgebung des Revisionsrekurses aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem herangezogenen Nichtigkeitsgrund aufzutragen. Es wird im fortgesetzten Verfahren zunächst zu klären haben, ob der Jugendwohlfahrtsträger die volle Erziehung der Minderjährigen (§ 28 JWG, § 40 Sbg JWO) mit der Erziehungsberechtigten schriftlich vereinbart (§ 29 JWG, § 41 Sbg JWO) oder angeordnet hat (§ 30 JWG, § 42 Sbg JWO). Dabei ist es nicht auf bloße Schlußfolgerungen aus dem möglicherweise unvollständigen Antragsvorbringen beschränkt.

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