OGH 8Ob523/95

OGH8Ob523/9516.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter W*****, vertreten durch Dr.Jürgen Hadler, Rechtsanwalt in Voitsberg, wider die beklagten Parteien 1.Margarethe K*****, 2. Johann K*****, beide ***** vertreten durch Dr.Josef Peißl und Mag.Klaus Rieger, Rechtsanwälte in Köflach, wegen Unterlassung (Streitwert S 60.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 28.April 1995, GZ 5 R 366/94-28, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 1. Juli 1994, GZ 2 C 1282/93-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Dem an das Gericht zweiter Instanz gerichteten Kostenrekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.442,91 (darin S 1.637,15 Umsatzsteuer und S 6.620 Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes Nr.190, landwirtschaftliche Nutzfläche mit einem Wohnhaus. Die Beklagten sind Eigentümer der Grundstücke Nr.189/1 und 189/2 landwirtschaftliche Nutzfläche. Die Grundstücke der Streitteile grenzen aneinander und werden jeweils landwirtschaftlich genutzt. Entlang des Grenzverlaufes errichtete der Kläger vor Jahren einen Maschendrahtzaun in einer Gesamtlänge von rund 78 m. Im nordöstlichen Grenzbereich befinden sich auf dem Grundstück des Klägers Thujen in einer Entfernung von etwa 30 cm zur Grenze. Die südöstliche Ecke des dort befindlichen Wohnhauses des Klägers ist vom Grenzzaun rund 2,8 m entfernt.

Die Beklagten nutzten ihre im strittigen Bereich gelegenen Grundstücke als Acker. Am 21.4.1993 brachte der Zweitbeklagte mit einem vom Traktor gezogenen Güllefaß Jauche auf seine Grundstücke aus. Hiebei fuhr er in einem Abstand von ca 1,5 m parallel zum Zaun des Klägers, wobei er die Auslaßvorrichtung des Güllefasses so einstellte, daß die Jauche nicht nur auf das Grundstück der Beklagten, sondern ein bis zwei Meter auf das Grundstück des Klägers spritzte. Dadurch wurde die Wiese des Klägers entlang des Zaunes ebenso mit Jauche verschmutzt wie Ziersträucher und ein rund einen Meter vom Zaun entfernter Gartentisch. Bereits zweimal vor dem 21.4.1993 wurde beim Ausführen von Jauche auf den Grund der Beklagten der Zaun des Klägers angespritzt, wobei die Beklagten über Vorhalte des Klägers jeweils den Zaun reinigten.

Mit ihrer am 21.10.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die Beklagten schuldig zu erkennen, "das Bespritzen bzw Einbringen von Jauche" auf sein Grundstück zu unterlassen. Die Verunreinigung des Grundstückes des Klägers mit Jauche erfolge aus reinem Mutwillen, da sich bei Güllefässern der Spritzverteiler so einstellen lasse, daß an einer Seite keine Jauche austrete. Der Kläger habe den Zweitbeklagten mehrfach auf das Unrechtmäßige seines Handelns hingewiesen. Da die Beklagten ihr Verhalten nicht einstellten, sei Wiederholungsgefahr gegeben. Durch das direkte Einbringen von Jauche auf die Liegenschaft des Klägers werde die Nutzung der Liegenschaft beeinträchtigt.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und beantragten dessen Abweisung. Der Zweitbeklagte sei bei den Düngearbeiten äußerst vorsichtig vorgegangen und habe zur Grundgrenze einen Abstand von 1 bis 2 m eingehalten, sodaß nur wenige kleine Jauchespritzer auf den Maschendrahtzaun bzw dessen Sockel gelangt seien. Das Klagebegehren sei schikanös und rechtsmißbräuchlich. Das Düngen der Äcker mit Rindergülle stelle eine ortsübliche Nutzung dar. Das Grundstück des Klägers werde dadurch nicht beeinträchtigt, zumal es ebenfalls landwirtschaftlich genutzt werde. Auch sei zu berücksichtigen, daß die Düngungsarbeiten der Beklagten nur einmal jährlich und zwar Ende April/Anfang Mai durchgeführt werden.

Das Gericht erster Instanz erkannte die Beklagten schuldig, das unmittelbare Einbringen von Jauche auf das Grundstück Nr.190 des Klägers im Bereich der Grenze zu den Grundstücken 189/1 und 189/2 der Beklagten zu unterlassen. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß direkte Immissionen (unmittelbare Zuleitungen) gemäß § 364 Abs 2 ABGB unter allen Umständen unzulässig seien. Das festgestellte Ausbringen von Jauche unter Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes übersteige in jedem Falle das Ausmaß einer ortsüblichen Immission. Das Vorliegen der Wiederholungsgefahr sei zu bejahen, da es in der Vergangenheit bereits zwei ähnliche Vorfälle gegeben habe und die Beklagten zudem eine Beeinträchtigung des Klägers entschieden in Abrede stellten.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das erstgerichtliche Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß die festgestellten Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers die ortsübliche Nutzung dieser Liegenschaft nicht wesentlich beeinträchtigten. Das Einbringen von Jauche auf das Grundstück des Klägers ziehe keine nennenswerten Dauerfolgen nach sich, da der Zaun und jene Gegenstände, die beschmutzt worden seien, sofort wieder gereinigt werden konnten. Eine vereinzelte Einwirkung ohne Dauerfolgen könne aber keine Immission im Sinne des § 364 ABGB darstellen. Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen gewesen, da das Berufungsgericht der Judikatur des Obersten Gerichtshofes gefolgt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhobene Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 364 Abs 1 letzter Satz ABGB ist die unmittelbare Zuleitung auf das Nachbargrundstück ohne Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig. Von direkten Immissionen spricht man dann, wenn vom Nachbargrundstück aus eine Tätigkeit entwickelt wird, die geradezu auf den eingetretenen Schaden gerichtet ist, somit auf dem Nachbargrundstück eine Veranstaltung getroffen wird, die für eine Einwirkung gerade in Richtung auf das betroffene Grundstück hin ursächlich ist (SZ 48/4; SZ 55/30; SZ 56/50; 4 Ob 1514/88). In diesem Sinne ist unter unmittelbarer Zuleitung insbesondere auch die Zuleitung von Flüssigkeiten zu verstehen (JBl 1966/144; SZ 55/30). Wer direkt zuleitet kann sich nicht darauf berufen, sein Tun entspreche der Ortsüblichkeit und/oder die ortsübliche Nutzung des Nachbargrundstückes werde nicht wesentlich beeinträchtigt (1 Ob 38/79; SZ 55/30).

Nach den der rechtlichen Beurteilung zugrundezulegenden Feststellungen des Erstgerichtes wurde ein ein bis zwei Meter breiter Streifen des Grundstückes des Klägers durch die vom Zweitbeklagten auf seinem angrenzenden Feld ausgebrachte Jauche verschmutzt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß durch die Handlungen des Zweitbeklagten die Jauche unmittelbar auf das Grundstück des Klägers geleitet wurde und somit eine im Sinne der bereits zitierten Gesetzesstelle unter allen Umständen unzulässige Immission vorliegt. Der Vergleich mit dem der Entscheidung 8 Ob 635/92 = ecolex 1993, 451 zugrundeliegenden Sachverhalt, wo Staub einer Tennisanlage auf das Nachbargrundstück gelangte, geht schon deshalb fehl, da der Transport von Staub auf das Nachbargrundstück im allgemeinen nicht durch darauf gerichtetes aktives Tun des Eigentümers des anderen Grundstückes erfolgt. Im gegenständlichen Fall war nach den Feststellungen aber die Auslaßvorrichtung des Güllefasses so eingestellt, daß die Jauche auch auf das Grundstück des Klägers spritzte. Es lag somit ein aktives Tun des Zweitbeklagten vor, mit welchem er unzulässigerweise in das Eigentumsrecht des Klägers eingriff. Ob in einem derartigen Fall der Klage der Einwand der schikanösen Rechtsausübung entgegengesetzt werden kann, muß hier nicht abschließend geprüft werden, da die festgestellte Beeinträchtigung des Grundstückes des Klägers einen Umfang erreichte, der sein Unterlassungsbegehren als zulässiges Abwehrmittel erscheinen läßt.

Anlaß zur Erhebung einer Unterlassungsklage besteht nur dann, wenn eine Wiederholung der unzulässigen Immissionen zu erwarten ist. Bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr darf nicht engherzig vorgegangen werden. Diese liegt schon im Fortbestehen eines Zustandes, der keine Sicherung gegen weitere Rechtsverletzungen bietet. Sie ist auch dann anzunehmen, wenn der Beklagte sein Unrecht nicht einsieht und den Fortbestand der beanstandeten Einwirkung verteidigt (SZ 55/30). Da nach den Feststellungen bereits zwei gleichartige Vorfälle der Klagsführung vorangingen und zudem auch nach dem Vorbringen der Beklagten mit einer regelmäßigen Wiederholung der Düngungen zu rechnen ist, muß davon ausgegangen werden, daß die Gefahr weiterer direkter Immissionen für die Zukunft besteht.

Es war daher in Stattgebung der Revision des Klägers das Ersturteil wiederherzustellen.

Aus Anlaß der Entscheidung über die Revision war auch auf den von der zweiten Instanz in Anbetracht der Abweisung des Klagebegehrens nicht behandelten Kostenrekurs des Klägers einzugehen. Damit begehrt der Kläger die Zuerkennung der von ihm verzeichneten vorprozessualen Kosten für zwei getrennte Interventionen beim Grundbuchsgericht zur Beschaffung der Grundbuchsauszüge sowie Einsichtnahme in die Mappe und der Besichtigung der Örtlichkeit zur Informationsaufnahme vor Klagsverfassung. Die Regel des § 41 Abs 1 ZPO, daß nur jene Kosten zu ersetzen sind, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig sind, gilt auch für die Beurteilung der Notwendigkeit vorprozessualer Kosten. Es hat daher auch für diesen Bereich zu gelten, daß von mehreren Handlungen, die zum gleichen Ergebnis führen unter dem Gesichtspunkt der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung jene zu wählen ist, die geringere oder keine Kosten verursacht (vgl EvBl 1958/351; Bydlinski, Der Kostenersatz im Zivilprozeß, 15). Unter diesem Gesichtspunkt ist von Bedeutung, daß sich der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen bereits vor Klagserhebung im Besitz von Lichtbildern des strittigen Bereiches befand, welche er in der Verhandlung vom 14.2.1994 (ON 11) auch dem Gericht vorlegte. Durch Einsicht in diese Lichtbilder wäre aber für den Klagevertreter vorerst eine Klarstellung der örtlichen Situation möglich gewesen. Die Notwendigkeit zusätzlich eine Besichtigung der Örtlichkeit durchzuführen, ist daher nicht ohne weiteres einsichtig, sodaß es im Sinne des § 54 Abs 1 ZPO Sache des Klägers gewesen wäre, jene Umstände zu behaupten, die dennoch die Zweckmäßigkeit der Intervention im konkreten Fall hätten begründen können (Bydlinski aaO 445). Was die beiden Interventionen beim Grundbuchsgericht betrifft, lag es nahe, den Kläger selbst mit der Beschaffung von Grundbuchsauszügen und der Mappenkopie zu beauftragen. Auch hier wurde nicht bescheinigt, wieso es im konkreten Fall der Intervention des Klagevertreters bedurft hätte. Da somit das Erstgericht zu Recht diese Kosten den Beklagten nicht zum Ersatz auferlegt hat, war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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