OGH 10ObS114/95

OGH10ObS114/9514.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Friedrich Hötzl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Schleifer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erika P*****, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram und Dr. Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 1995, GZ 10 Rs 28/95-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. September 1994, GZ 25 Cgs 189/93d-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 30.10.1939 geborene Klägerin ist als Prüferin in der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten tätig und übt die Funktion eines Mitgliedes des Betriebsrates aus: sie ist Stellvertreterin des Vorsitzenden. Ihre Dienststelle ist das Gebäude der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten im 2. Wiener Gemeindebezirk, Friedrich Hillegeist-Straße 1. Ihre Wohnung befindet sich im 22. Bezirk, *****.

Am 4. Mai 1990 war die Klägerin von Direktor P***** anläßlich seiner Pensionierung zu einer Abschiedsfeier in ein Gasthaus im 11. Wiener Gemeindebezirk geladen worden. P***** stand in der Pensionsversicherungsanstalt einer Verwaltungsgruppe vor, die in verschiedene Abteilungen untergliedert war. Er hatte die jeweiligen Abteilungsleiter und deren Stellvertreter eingeladen, außerdem Verwalter von Erholungsheimen. Unter den Teilnehmer fanden sich auch Mitglieder der Selbstverwaltung, des Vorstandes und der Direktion.

Die Abschiedsfeier fand außerhalb der üblichen Dienstzeit statt: Die Klägerin arbeitete an diesem Tag von 8 bis 17 Uhr, der Beginn der Abschiedsfeier war für 18 Uhr festgesetzt. Eine Kostentragung durch den Dienstgeber erfolgte nicht. Der Betriebsrat pflegte ausscheidenden Mitarbeitern ein Geschenk zu überreichen. Art und Umfang des Geschenkes war auf Grund einer bestehenden Liste über Zuwendungen aus dem Betriebsratsfond vorher bestimmt. Im gegenständlichen Fall wurden Münzen überreicht. Innerhalb des Betriebsrates war klar, daß zwei Mitglieder zur Abschiedsfeier gingen, nämlich der Betriebsratsobmann und Vorsitzende der Sozialistischen Fraktion S***** und die Vorsitzende der Christlichen Fraktion und Stellvertreterin des Obmannes, nämlich die Klägerin. Da der Betriebsratsobmann jedoch verhindert war, hatte die Klägerin die Aufgabe, namens des Betriebsrates eine Abschiedsrede zu halten und das Geschenk zu überreichen. Eine Nichtteilnahme des Betriebsrates hätte eine Brüskierung dargestellt. Unter den Teilnehmern an der Abschiedsfeier befand sich auch Monika G*****), die Stellvertreterin eines Abteilungsleiters. Sie hatte damals schwerwiegende persönliche Probleme im Dienstbetrieb und wandte sich deswegen um Unterstützung an den Betriebsrat. Aus diesem Grund suchte sie am 4. Mai 1990 die Klägerin auf. In einem kurzen Gespräch ergab sich, daß beide zu der Abschiedsfeier geladen waren. Sie vereinbarten, daß die Klägerin ihre Kollegin mitnimmt und während der Fahrt deren Angelegenheiten bespricht. Die Fahrt vom Arbeitsplatz bis zum Gasthaus in Simmering war jedoch für eine erschöpfende Erörterung der Angelegenheit zu kurz, während der Feier ergab sich kaum eine Gelegenheit zur ungestörten Besprechung. Frau G***** erwähnte in weiterer Folge, daß sie zum Bahnhof müßte, um einen Zug um 23.30 Uhr zu erreichen. Sie ersuchte die Klägerin, sie zum Bahnhof zu bringen, um bei dieser Gelegenheit nochmals ihre Angelegenheiten zu besprechen, was dann auch geschah. Beide verließen die Abschiedsfeier vor 23 Uhr. Die Klägerin fuhr nicht auf direktem Weg nach Hause, sondern brachte ihre Kollegin zum Franz-Josefs-Bahnhof im 9. Bezirk. Dies bedeutete für die Klägerin einen Umweg von mehreren Kilometern. Sie ließ ihre Mitfahrerin beim Bahnhof aussteigen und trachtete daraufhin, nach Hause zu fahren. In unmittelbarer Nähe des Bahnhofes kollidierte sie jedoch mit ihrem PKW mit einem Straßenbahnzug, sie erlitt dabei erhebliche Verletzungen.

Die beklagte Allgemeine Unfallversicherungs- anstalt lehnte mit Bescheid vom 4.3.1992 den Anspruch auf Entschädigung aus Anlaß dieses Unfalls ab, weil weder ein Arbeitsunfall gemäß § 176 Abs 1 Z 1 ASVG iVm § 176 Abs 5 ASVG noch ein solcher gemäß § 175 Abs 2 Z 1 ASVG iVm § 175 Abs 2 Z 9 ASVG vorliege. Die Klägerin sei weder auf Grund ihrer die Versicherung begründenden Beschäftigung noch in ihrer Eigenschaft als Betriebsratsmitglied zur Teilnahme an der privaten Abschiedsfeier verpflichtet gewesen. Überdies sei die Unfallsstelle nicht auf ihrem direkten Heimweg gelegen gewesen, wobei mangels vorangegangener betrieblicher oder betriebsrätlicher Tätigkeit auch kein unter Versicherungsschutz stehender Umweg im Rahmen einer Fahrgemeinschaft gegeben gewesen wäre.

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage begehrte die Klägerin eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß. Es liege ein Arbeitsunfall gemäß § 176 Abs 1 Z 1 iVm Abs 5 ASVG vor.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wiederholte ihren im angefochtenen Bescheid eingenommenen Rechtsstandpunkt.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin für die Folgen des Arbeitsunfalls eine Versehrtenrente im Ausmaß von 50 v.H. der Vollrente samt Zusatzrente für Schwerversehrte und einen Kinderzuschuß als Dauerrente zu gewähren. Es setzte die vorläufige Leistung mit S 5.000,-- monatlich fest. In rechtlicher Hinsicht führte es aus:

Die Klägerin habe die Abschiedsfeier als Mitglied des Betriebsrates besucht; auch die Mitnahme der stellvertretenden Abteilungsleiterin zum Bahnhof sei in ihrer Funktion als Betriebsrätin geschehen. Es handle sich somit um einen Arbeitsunfall iS des § 176 Abs 1 Z 1 ASVG. Der Klägerin gebühre gemäß § 205 Abs 1 ASVG eine Versehrtenrente von 50 v.H. der Vollrente als Dauerrente, gemäß § 205 a Abs 1 ASVG eine Zusatzrente für Schwerversehrte sowie gemäß § 207 ASVG der Kinderzuschuß.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Beklagten das Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Die Abschiedsfeier am Unfallstag sei keine Betriebsveranstaltung gewesen, habe außerhalb der üblichen Arbeitszeit ohne Kostentragung durch den Dienstgeber stattgefunden und die Teilnahme an dieser Veranstaltung wäre in keinem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem Betrieb gestanden. Betriebliche Belange und Aufgaben eines Betriebsratsmitgliedes wären nicht beeinträchtigt gewesen, hätte die Klägerin an der Abschiedsveranstaltung nicht teilgenommen. Daß diese Veranstaltung die offizielle betriebliche Verabschiedung eines Direktors gewesen wäre, sei nicht behauptet und auch nicht erwiesen worden. Somit habe für Betriebsratsmitglieder keine Verpflichtung zur Teilnahme bestanden, diese sei privat und freiwillig gewesen. Daran ändere nichts, daß solche Abschiedsveranstaltungen leitender Angestellten üblich gewesen seien. Der Weg der Klägerin zur und von der Abschiedsveranstaltung sei daher nicht unfallgeschützt gewesen. Es erübrige sich daher auf die Frage der Fahrgemeinschaft einzugehen.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung erster Instanz und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die am Abend des 4.5.1990 abgehaltene Abschiedsfeier sei eine unter Versicherungschutz stehende betriebliche Veranstaltung gewesen. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt dargelegt, daß die Teilnahme von Arbeitnehmern an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen nur insoweit unter Unfallversicherungsschutz steht, als sie ein Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist. Es muß in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der örtliche, zeitliche und ursächliche Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung iS des § 175 Abs 1 ASVG soweit gegeben ist, daß noch davon gesprochen werden kann, eine Gemeinschaftsveranstaltung sei noch Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit. Hiefür sind in jedem konkreten Fall eine ganze Reihe von Faktoren in ihrem Zusammenhang und in ihrer ausschlaggebenden Bedeutung als Beurteilungskriterien heranzuziehen. Es muß sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung handeln, die allen Betriebsangehörigen oder, wenn die Größe oder die Erfordernisse des Betriebes keine gemeinsame Veranstaltung erlauben, wenigstens den Angehörigen der Abteilungen oder Gruppen, bei denen dies möglich ist, offen steht, an der, wenn auch ohne ausdrücklichen Zwang, alle teilnehmen sollen und die eine gewisse Mindestbeteiligung aufweist. Die Gemeinschaftsveranstaltung muß vom Betriebsleiter selbst veranstaltet, zumindest aber bei der Planung und Durchführung von seiner Autorität getragen werden. Hiefür sind die Anwesenheit des Betriebsinhabers oder Organs, die gänzliche oder teilweise Übernahme der Kosten, die Durchführung der Veranstaltung während der Arbeitszeit oder die Gewährung arbeitsfreier Zeit wichtige Anhaltspunkte. Wenn nicht alle Kriterien vorliegen, so muß dies noch keinen Versicherungsausschluß bedeuten, doch kommt es darauf an, in welcher Intensität die Gemeinschaftsveranstaltung betrieblichen Zwecken dient und in welchem Umfang außerbetriebliche private Interessen beteiligt sind. Ähnliche Kriterien müssen auch bei Prüfung des Unfallversicherungsschutzes von Feiern aus Anlaß etwa von Beförderungen oder Verabschiedungen angewendet werden. Die Teilnahme an solchen Feiern ist nur dann der versicherten Betriebstätigkeit gleichzusetzen, wenn die Veranstaltung dazu bestimmt ist, die Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Belegschaft zu pflegen.

Zusammenkünfte, die der Pflege der Verbundenheit nur der Arbeitnehmer

untereinander dienen, sind im allgemeinen nicht versichert. Die

Veranstaltung muß daher vom Unternehmer gewollt sein. Auch die

Förderung des Kontaktes etwa zwischen den Führungskräften allein

genügt nicht, um gesellige Zusammenkünfte der betrieblichen Tätigkeit

zuzuordnen. Eine betriebliche Gemeinschafts- veranstaltung erfordert

auch ein gewisses Maß an Planung und Organisation. Bei einer privaten

Einladung eines Betriebsangehörigen an seine Kollegen und einige

Vorgesetzte, die allein auf die Initiative und die Kosten des

Einladenden erfolgt, werden diese Voraussetzungen grundsätzlich auch

dann nicht vorliegen, wenn das Zusammensein im Interesse einer guten

betrieblichen Zusammenarbeit gelegen haben mag. Ausgehend von diesen

Grundsätzen wurde etwa eine vom Versicherten im kleineren Kreis

veranstaltete Feier anläßlich seiner dienstlichen Beförderung selbst

dann nicht als unter Unfallversicherungsschutz stehend angesehen,

wenn sie während der Dienstzeit mit Billigung des Vorgesetzten in

dessen Amtszimmer stattfand (SSV-NF 5/111 = DRdA 1992, 350

[zustimmend Schrammel] = ZAS 1993, 71/3 [kritisch Wachter] mwN).

An dieser Auffassung ist festzuhalten. Unfälle bei betrieblichen Veranstaltungen bzw. Feiern sind im ASVG nicht speziell geregelt; sollen Unfälle bei solchen Veranstaltungen durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt sein, so kann dies allenfalls nur über die Generalklausel des § 175 Abs 1 ASVG erfolgen (Wachter aaO 73). Entscheidend ist, daß die unfallverursachende Handlung mit dem die Versicherungspflicht auslösenden Dienstverhältnis in einem inneren Zusammenhang steht. Für die Anerkennung einer Veranstaltung als Gemeinschaftsveranstaltung ist die Betriebsverbundenheit nach wie vor das entscheidende Kriterium: Die Intensität der Gemeinschaftspflege beantwortet die Frage, ob eine bestimmte Veranstaltung betrieblichen Zwecken oder außerbetrieblichen privaten Zwecken dient. Gemeinschaftspflege setzt notwendigerweise voraus, daß die Veranstaltung grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offensteht und auch unter Beteiligung des Unternehmers oder seines Vertreters stattfindet. Ohne Mitwirkung des Unternehmers kann sich Betriebsverbundenheit gar nicht entwickeln. Die Mitwirkung des Unternehmers schafft für die Arbeitnehmer auch eine gewisse Zwangslage, an der betreffenden Veranstaltung teilzunehmen. Die Teilnahme an einer vom Unternehmer angeordneten Betriebsfeier stellt sich für manche Arbeitnehmer nicht anders als die Verrichtung von Arbeiten dar, die im Arbeitsvertrag gar nicht geschuldet werden (zutreffend Schrammel aaO 352 f). Als geeignetes Abgrenzungskriterium wird angesehen, ob und inwieweit sich der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber zur Teilnahme verpflichtet fühlen mußte. Dabei kommt es nicht auf ausdrücklichen Druck an, sondern darauf ob die Umstände, unter denen die Veranstaltung stattfindet oder stattfinden soll, objektiv, d.h. für jedermann begreiflich geeignet sind, einen Mitarbeiter wegen seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer zur Teilnahme zu drängen (Müller Entscheidungsanmerkung DRdA 1995, 392).

Unter den dargelegten Gesichtspunkten ist hier das Vorliegen einer unter Versicherungsschutz stehenden Gemeinschaftsveranstaltung abzulehnen. Die Abschiedsfeier diente überwiegend eigenwirtschaftlichen Zwecken der an ihr teilnehmenden Arbeitnehmer, die sich auch zur Teilnahme gegenüber ihrem Arbeitgeber keinesfalls verpflichtet fühlen konnten. Da die Abschiedsfeier nicht unter dem Versicherungsschutz des § 175 Abs 1 ASVG stand, bestand auch grundsätzlich für die an ihr Teilnehmenden kein Versicherungsschutz nach § 175 Abs 2 Z 1 ASVG auf dem Heimweg von dieser Feier.

Bei der Klägerin ist allerdings zu beachten, daß sie an der genannten Feier als Mitglied des Betriebsrates teilnahm. Gemäß § 176 Abs 1 Z 1 ASVG sind den Arbeitsunfällen Unfälle gleichgestellt, die sich unter anderem bei Tätigkeiten als Mitglied des Betriebsrates ereignen. Die zitierte Bestimmung dehnte den Versicherungsschutz für Personen, die als Dienstnehmer unfallversichert sind, auf Tätigkeiten aus, die sie außerberuflich, aber doch im mittelbaren Zusammenhang mit ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Teilnehmer der Betriebsversammlung, als Mitglied oder im Auftrag des Betriebsrates oder sonst in Angelegenheiten der Betriebsvertretung ausüben (Teschner/Widlar ASVG 59. ErgLfg 952/3 Anm 1a zu § 176). Gemäß § 38 ArbVG haben die Organe der Arbeitnehmerschaft des Betriebes die Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern. Ziel der Bestimmungen über die Betriebsverfassung und deren Anwendung ist nach § 39 Abs 1 ArbVG die Herbeiführung eines Interessenausgleichs zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes. Insbesondere hat der Betriebsrat in sozialen Angelegenheiten mitzuwirken (§§ 94, 95 ArbVG). Im vorliegenden Fall oblag es der Klägerin, bei der - wenn auch privaten - Abschiedsfeier des in den Ruhestand tretenden Direktors eine Abschiedsrede zu halten und ein Geschenk des Betriebsrates zu überreichen. Damit hat die Klägerin als offizielle Vertreterin des Betriebsrates an dieser Veranstaltung teilgenommen. Wenngleich, worauf die Klägerin selbst hinweist, gemäß § 115 Abs 2 ArbVG die Mitglieder des Betriebsrates bei Ausübung ihrer Tätigkeit an keinerlei Weisungen gebunden sind, stand doch die Teilnahme der Klägerin an der Abschiedsfeier in einem inneren Zusammenhang mit ihrer die Versicherung begründenden Beschäftigung; insoweit mußte sie sich auch zur Teilnahme an der Feier verpflichtet fühlen. Die Bestimmung des § 176 Abs 1 Z 1 ASVG hat gerade dort ihren Anwendungsbereich, wo die Tätigkeit von Mitgliedern eines Betriebsrates außerhalb der betrieblichen Tätigkeit ausgeübt wird, wie im vorliegenden Fall. Daraus folgt, daß die Klägerin während der Teilnahme an der privaten Abschiedsfeier als Mitglied des Betriebsrates unter Unfallversicherungsschutz stand. Da gemäß § 176 Abs 5 ASVG auch die Bestimmung des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG über den Wegunfall anzuwenden ist, wäre die Klägerin daher auch grundsätzlich auf ihrer Heimfahrt von der Veranstaltung unter Unfallversicherungsschutz gestanden.

Der Unfall ereignete sich aber nicht auf der unmittelbaren Heimfahrt der Klägerin, sondern auf einem mehrere Kilometer betragenden Umweg aus Anlaß der Beförderung einer Arbeitskollegin zum Bahnhof. Unter Unfallversicherungsschutz steht grundsätzlich nur der kürzeste Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung; Umwege sind im allgemeinen nicht als versichert anzusehen (SSV-NF 4/64 und 4/67 mwN). Es ist daher der Frage nachzugehen, ob die Klägerin auf diesem Umweg nicht ausnahmsweise doch unter Unfallversicherungsschutz stand, etwa weil die Fahrt zum Bahnhof Ausfluß ihrer Betriebsratstätigkeit war oder weil es sich möglicherweise um eine Fahrgemeinschaft handelte: Nach § 175 Abs 2 Z 9 ASVG sind nämlich auch Unfälle geschützt, die sich auf einem Weg zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte ereignen, der im Rahmen einer Fahrgemeinschaft von Betriebsangehörigen oder Versicherten zurückgelegt worden ist, die sich auf einem der in Z 1 genannten Weg befinden. Aus dem Wortlaut des Gesetzes und den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ergibt sich, daß die an einer Fahrgemeinschaft teilnehmenden Versicherten nicht beim selben Dienstgeber beschäftigt sein müssen, sondern daß es genügt, wenn nur jeder von ihnen in der Unfallversicherung versichert ist und daß grundsätzlich auch dann Unfallversicherungsschutz besteht, wenn die Fahrgemeinschaft nur zur Bewältigung eines Weges zB des Weges zur Arbeitsstätte oder nur des Heimweges in Anspruch genommen wird (Teschner/Widlar ASVG 59. ErgLfg 944 Anm 4d zu § 175; vgl. auch SSV-NF 2/18, 7/95 mwN). Ungeachtet des Umstandes, daß die Bestimmung über die Fahrgemeinschaft durch § 176 Abs 5 ASVG für den Arbeitsunfällen gleichgestellte Unfälle nicht ausdrücklich übernommen wurde, scheidet im vorliegenden Fall die Annahme einer geschützten Fahrgemeinschaft aber schon deshalb aus, weil die von der Klägerin beförderte Mitarbeiterin auf ihrer eigenwirtschaftlichen Heimfahrt nicht unter Versicherungsschutz stand und der Umweg auf einer Fahrgemeinschaft, die nur deshalb begründet wird, um eine private Fahrt zu ermöglichen, nicht geschützt ist. Den Unfallversicherungsschutz während einer Fahrgemeinschaft könnte die Klägerin nur dann für sich beanspruchen, wenn auch die beförderte Person als "Betriebsangehörige oder Versicherte" unterwegs gewesen wäre, was angesichts des privaten Charakters der Abschiedsfeier und der langwährenden Unterbrechung des Heimweges für diese Person nicht zutraf.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes handelt es sich beim Transport der Mitarbeiterin vom Ort der Abschiedsfeier zum Bahnhof nicht um eine Tätigkeit "als Mitglied des Betriebsrates" iS des § 176 Abs 1 Z 1 ASVG. Anders als das Halten einer Abschiedsrede und Überreichen eines Geschenkes stellt der Transport einer Mitarbeiterin, die eigenwirtschaftlich unterweg ist, auch im weitesten Sinn keine Betriebsratstätigkeit dar, die unter Unfallversicherungsschutz stünde, sondern eine Gefälligkeitsleistung privater Natur. Daß während der Fahrt allenfalls dienstliche Belange besprochen wurden, ändert an dieser Beurteilung nichts, im Vordergrund stand nämlich die Beförderung der genannten Person zum Bahnhof, damit diese noch den letzten Zug erreichen konnte.

Der Revision war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Stichworte