OGH 9ObA184/95

OGH9ObA184/958.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Rupert Dollinger und Herbert Lohr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag.Brigitte D*****, vertreten durch Dr.Peter Kunz und andere, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dr.Thomas H*****, Rechtsanwalt, *****

2. Dr.Heinrich V*****, Rechtsanwalt, ***** dieser vertreten durch den Erstbeklagten, wegen S 100.712,20 sA (Revisionsinteresse S 40.474,80 sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.März 1995, GZ 10 Ra 4/95-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7.Oktober 1994, GZ 25 Cga 939/93b-34, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit S 4.464,77 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 744,13 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 17.7. bis 31.12.1989 bei den Beklagten als Rechtsanwaltsanwärterin beschäftigt. Anläßlich einer auswärtigen Verhandlung vor dem Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya am 4.9.1989 benützte sie aufgrund der Äußerung des Zweitbeklagten, "sie solle halt mit dem Auto fahren", den PKW ihres Lebensgefährten. Sie verschuldete auf der Fahrt, - im Revisionsverfahren nicht bekämpft - leicht fahrlässig einen Verkehrsunfall, der zur Beschädigung des Fahrzeuges führte. Die Schadenshöhe belief sich auf S 64.391,--, die Abschleppkosten betrugen S 3.000,-- und es entstand ein "Malusschaden" von S 23.321,20.

Mit der am 29.5.1990 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin, gestützt auf § 1014 letzter Halbsatz zweiter Fall ABGB, den Ersatz dieses Schadens, den sie bereits dem Lebensgefährten ersetzt hatte.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens mit dem für das Revisionsverfahren noch allein relevanten Einwand, daß die Regreßansprüche verjährt seien, weil das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz bei aufgrund leichter Fahrlässigkeit verursachter Schäden eine Verjährungsfrist von 6 Monaten vorsehe.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 20.000,-- sA zu und wies das Mehrbegehren ab.

Das Gericht der zweiten Instanz änderte über Berufung der Klägerin das Ersturteil dahin ab, daß es ihr unter Einbeziehung des unangefochten gebliebenen Zuspruches vom S 20.000,-- insgesamt S 60.474,80 sA zusprach.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß der Schadenseintritt nur auf einem minderen Grad des Versehens beruhe, der aber einem groben Verschulden deutlich näher liege als einer entschuldbaren Fehlleistung. Eine Mäßigung des Schadens um ein Drittel sei angemessen, so daß ihr zwei Drittel ihres Schadens zu ersetzen seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, nach Zulassung des Rechtsmittels der Revision stattzugeben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil zur Anwendung des § 6 DHG auf Fälle der sogenannten Risikohaftung gemäß § 1014 ABGB lediglich eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vorliegt (SZ 62/150), die aber nicht ausdrücklich zwischen Ansprüchen, die auf einem groben Verschulden oder einem minderen Grad des Versehens des Dienstnehmers beruhen, unterscheidet. Sie ist aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt entschieden, daß § 1014 ABGB auch auf Arbeitsverträge analog anzuwenden ist und der Arbeitgeber aus diesem Rechtsgrund die "arbeitsadäquaten" Sachschäden, wie sie im

vorliegenden Fall gegeben sind, zu ersetzen hat (Arb 10.268 = DRdA

1984/1 [Jarbornegg], Arb 10.495 = ZAS 1987/10 [Kerschner] = DRdA

1988/6 [Jarbornegg], Arb 10.785, 10.901). § 1014 ABGB verpflichtet den Gewaltgeber nicht nur, allen zur Besorgung des Geschäftes notwendig und nützlich gemachten Aufwand selbst bei fehlgeschlagenem Erfolg zu ersetzen, sondern normiert auch eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für alle mit den typischen Gefahren des aufgetragenen Geschäftes verbundenen "arbeitsadäquaten" Sachschäden (Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 10 zu § 1014; DRdA 1991/2 [Jarbonegg]). Auf solche Ansprüche ist § 1486 Z 5 ABGB analog anzuwenden (Oberhofer, Präklusion und Verjährung im Haftungsrecht der wirtschaftlich Unselbständigen, ZAS 1989, 54; SZ 62/150).

Der Anspruch des Dienstnehmers analog § 1014 ABGB ist als vertraglicher zu qualifizieren (Kerschner in Tomandl, Haftungsprobleme im Arbeitsverhältnis 60; Kerschner, DHG Rz 13 zu § 3, Rz 16 zu § 6; JBl 1989, 734 mwN). Dieser unterliegt grundsätzlich als Geldanspruch aus dem Arbeitsverhältnis der Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB (Kerschner aaO Rz 16 zu § 6; SZ 62/150).

Beim Ersatz dieses Anspruches muß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für das ihm nach der Art der Tätigkeit übertragene Unfallrisiko nach den gleichen Grundsätzen entlasten, wie sie bei Beschädigung eines dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeuges zur Anwendung kämen. Fällt dem Dienstnehmer ein Versehen zur Last, hat der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des DHG einzustehen und ist der Umfang seiner Ersatzansprüche nach den im § 2 Abs 1 DHG angeführten Kriterien zu beurteilen (Löschnigg/Reissner, Arbeitgeberhaftung für Sachschäden auf der Dienstreise, ecolex 1991, 110 [112], Arb 10.268, 10.495, 10.784, 10.901 ua).

Die Frist des § 6 DHG kommt auf Schadenersatz - oder Rückgriffsansprüche zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer (§ 2 Abs 2, § 3 Abs 2 bis 4, § 4 Abs 2 und 4 DHG) zur Anwendung, die auf einem minderen Grad des Versehens beruhen. Auf grobem Verschulden beruhende Ansprüche sind nach dem Wortlaut des § 6 DHG nicht mitumfaßt. Die analoge Anwendung des § 1014 ABGB auf Arbeitsverhältnisse und die Behandlung sämtlicher bei Erbringung der Dienstleistung fahrlässig verursachter Schäden nach denselben Grundsätzen, bewirkt entgegen der Ansicht Oberhofers (Präklusion und Verjährung im Haftungsrecht der wirtschaftlich Unselbständigen, ZAS 1989, 45 [54]) nicht zwingend auch die analoge Anwendung der Frist des § 6 DHG auf den Ersatz von Risikoschäden.

Der Anspruch des Dienstnehmers analog § 1014 ABGB resultiert zwar aus dem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Geschäftsbesorgung und Schadensentstehung, ist aber kein Schadenersatzanspruch im Sinne des § 2 Abs 1 DHG, weil diese Bestimmung sich nur auf vom Dienstnehmer dem Dienstgeber verursachte Schäden, nicht aber auf Eigenschäden des Dienstnehmers bezieht, deren Vergütung als Vertragsanspruch dem Dienstgeber gegenüber geltend gemacht wird. Sie sind aber auch nicht Rückgriffsansprüche des Dienstnehmers im Sinne des § 3 DHG, weil es dort um den Fall des Drittschadens geht, der eine Eigenhaftung des Arbeitgebers dem Dritten gegenüber voraussetzt, die aber beim Anspruch nach § 1014 ABGB nicht besteht (Kerschner in Tomandl aaO 68 f; Kerschner aaO Rz 13 zu § 3). Der von Oberhofer (aaO, 46) aufgezeigte, von Kerschner (aaO Rz 16 zu § 6) verneinte Wertungswiderspruch dahingegehend, daß dem Dienstnehmer für dienstbedingte Eigenschäden bei grober Fahrlässigkeit drei Jahre, bei leichter Fahrlässigkeit hingegen nur sechs Monate zur Geltendmachung zur Verfügung stehen würden, liegt nicht vor. Der Gesetzgeber der DHG - Novelle 1983 (1280 BlgNR 15. GP, 4), der Ansprüche aus grob fahrlässig schädigenden Handlungen in den Anwendungsbereich des DHG einbezog, hielt eine Anpassung des § 6 an die Änderung des § 2 nicht für systematisch erforderlich und sah es als sachgerecht an, daß Ersatzansprüche, die auf einem groben Verschulden beruhen, nicht schon nach sechs Monaten erlöschen.

Auch wenn nach § 6 DHG die auf einem minderen Grad des Versehens beruhenden Schadenersatz- oder Rückgriffsansprüche der sechsmonatigen Ausschlußfrist unterliegen sollen, sind Ansprüche nach § 1014 ABGB, an die der Gesetzgeber offenbar nicht gedacht hat (vgl Gamerith in Rummel2, ABGB § 896 Rz 11; SZ 62/150), nicht mitumfaßt. Es handelt sich dabei aber nicht um eine planwidrige Lücke, die eine analoge Anwendung des § 6 DHG zur Folge hätte, weil Ansprüche des Dienstnehmers nach § 1014 ABGB nicht die in § 6 DHG genannten Schadenersatz- oder Rückgriffsansprüche, sondern vertragliche Ansprüche sind, die der Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB unterliegen (Kerschner aaO Rz 16, SZ 62/150). Dies ungeachtet, ob sie auf einem minderen Grad des Versehens oder auf grober Fahrlässigkeit beruhen. Eine Ergänzungsbedürftigkeit des Gesetzes auf Einbeziehung der Ansprüche nach § 1014 ABGB in die Fristenregelung des § 6 DHG liegt daher nicht vor, weil sich der Anspruch nach § 1014 ABGB ohnehin unter den Tatbestand des § 1486 Z 5 ABGB subsumieren läßt (Koziol/Welser, Grundriß10, 23 f).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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