OGH 9ObA119/95

OGH9ObA119/958.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Rupert Dollinger und Herbert Lohr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ernst A*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Stadt Innsbruck, Maria Theresien-Straße 18, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr.Hansjörg Schweinester und Dr.Paul Delazer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 26.462 brutto sA, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.März 1995, GZ 5 Ra 7/95-15, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Oktober 1994, GZ 43 Cga 136/94t-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger S 26.462,- brutto samt 4 % Zinsen seit 1.10.1992 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagevertreters die mit S 10.043,28 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz (darin enthalten S 1.523,88 Umsatzsteuer und S 900 Barauslagen), die mit S 11.463,36 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 1.690,56 Umsatzsteuer und S 1.320,- Barauslagen) und die mit S 6.038,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer und S 1.980,- Barauslagen) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der in der Zeit vom 1.4.1974 bis 30.9.1992 als Vertragsbediensteter bei der Beklagten beschäftigt gewesene Kläger begehrt mit der Behauptung, daß auch die Sonderzahlungen bei der Berechnung der Abfertigung heranzuziehen seien, eine Abfertigungsdifferenz in der Höhe von S 26.462 brutto.

Die beklagte Partei bestritt mit Ausnahme der Beschäftigungsdauer und der Fälligkeit der Klageforderung per 1.10.1992 das Klagebegehren, beantragte die Abweisung desselben und wendete ein, daß weder im Dienstvertrag noch in der als Vertragsschablone zu bezeichnenden Vertragsbedienstetenordnung der beklagten Partei die Einbeziehung von Sonderzahlungen bei Berechnung der Abfertigung vorgesehen sei und auch das analog heranzuziehende VBG 1948 eine derartige Regelung nicht kenne. Der Begriff des Monatsentgelts sei nicht als ein die gesamte Entlohnung umfassender Oberbegriff zu verstehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte im wesentlichen fest:

Der Kläger bezog als Vertragsbediensteter im letzten Monat seiner Tätigkeit folgendes Bruttoeinkommen:

Schemabezug S 22.108,-

Allgemeine Zulage S 2.870,-

Verwaltungsdienstzulage S 1.484,-

Haushaltszulage S 200,-

Außendienstzulage S 319,-

_______

insgesamt S 26.981,-

Daneben bezog der Kläger im Jahr 1992 anteilige Sonderzahlungen von S

13.231 brutto zuzüglich S 100 brutto, wobei sich diese Sonderzahlungsanteile derart errechnen, daß die Hälfte der Summe aus Schemabezug, allgemeine Zulage und Verwaltungsdienstzulage sowie die Hälfte der Haushaltszulage viermal jährlich ausgezahlt wird.

Laut Punkt II des Dienstvertrages des Klägers finden auf das Dienstverhältnis die Bestimmungen des vom Gemeinderat am 16.11.1949 beschlossenen Dienst- und Besoldungsrechtes der Vertragsbediensteten der Stadt Innsbruck (Vertragsbedienstetenordnung) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Das Dienstverhältnis des Klägers endete mit 30.9.1992 einvernehmlich. Die Beklagte erkannte dem Kläger gemäß § 27 Abs 1 lit e VBO in Verbindung mit § 27 Abs 3 VBO eine Abfertigung in der Höhe des Sechsfachen des letzten Monatsbezuges zu. Sie wies dem Kläger eine Abfertigung in Höhe von brutto S 159.972 an, die sich aus dem sechsfachen Monatsbruttobezug von S 26.662 zusammensetzt, also aus der Summe aus dem zuletzt bezogenen Schemabezug sowie aus der zuletzt bezogenen allgemeinen Zulage, Verwaltungsdienstzulage und Haushaltszulage. Nach § 9 VBO errechnet sich die Entlohnung des Vertragsbediensteten aus den Schemata für pragmatisierte Bedienstete in der Weise, daß sich bei den beiden Schemata unter Berücksichtigung der in Geltung stehenden sozialversicherungsmäßigen Belastungen dieselbe Lohnsteuerbemessungsgrundlage ergibt; Bezugserhöhungen, die für alle Bediensteten der Stadtgemeinde Innsbruck mit einem einheitlichen Schillingbetrag erfolgen, gebühren jeweils in voller Höhe. Die Änderung der Bezugsansätze der Vertragsbediensteten erfolgt gleichzeitig mit der Änderung der Bezüge der pragmatisierten Bediensteten. Ergibt sich jedoch auch durch eine Änderung der sozialversicherungsmäßigen Belastungen eine Änderung der Lohnsteuerbemessungsgrundlage und dadurch eine Verminderung der Bezugsansätze (der Schemabezugsansätze) der Vertragsbediensteten und tritt diese Änderung während eines laufenden Kalenderjahres in Kraft, so ändern sich die Bezugsansätze der Vertragsbediensteten erst mit dem auf das Inkrafttreten dieser Änderung nächstfolgenden 1.Jänner. § 27 VBO hat den Titel Abfertigung. In Abs 3 ist vorgesehen, daß die Abfertigung nach der Dauer des Dienstverhältnisses ein bestimmtes Vielfaches des dem Vertragsbediensteten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden "Monatsentgeltes" und der Familienzulagen beträgt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die VBO als Vertragsschablone auf Grund der in Punkt II des Dienstvertrages enthaltenen Regelung zum Inhalt des konkreten Arbeitsvertrages geworden sei. Mangels Wahrnehmung der Regelungskompetenz für das Dienstrecht der Tiroler Gemeindevertragsbediensteten durch die Tiroler Landesregierung gelte weiterhin Bundesrecht, für den Kläger das ABGB und nicht das Vertragsbedienstetengesetz 1948 oder das Angestelltengesetz. Bei Vertragsabschluß sei davon ausgegangen worden, daß die Vertragsbedienstetenordnung im Sinne des VBG 1948 zu verstehen und auszulegen sei. Für den Kläger sei bei Eingehung des Dienstverhältnisses klar gewesen, daß er als Vertragsbediensteter einer Gemeinde tätig sein werde und entsprechend dem dort herrschenden dienstrechtlichen Standard behandelt werde. Es sei der Monatsentgeltsbegriff des VBG Vertragsinhalt geworden. Für den Geltungsbereich des VBG 1948 sei es aber unstrittig, daß Sonderzahlungsanteile in die Bemessungsgrundlage der Abfertigung nicht einzubeziehen seien.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Grundlage des Abfertigungsanspruches des Klägers seien der Dienstvertrag sowie die VBO der Stadt Innsbruck. Das ABGB normiere hingegen keinen Abfertigungsanspruch. Mangels einer feststellbaren Absicht der Parteien, Sonderzahlungsanteile bei Berechnung des Abfertigungsanspruches zu berücksichtigen, und mangels mündlicher Vereinbarungen neben dem schriftlichen Dienstvertrag in diese Richtung sei der Begriff des Monatsentgelts in bezug auf die Berechnungsgrundlage des Abfertigungsanspruches durch Auslegung zu ermitteln. Der Dienstvertrag enthalte eine genaue Auflistung der Bestandteile des Monatsentgelts. Ein Hinweis auf Sonderzahlungen fehle, so daß der umstrittene Begriff "Monatsentgelt" nicht einen alle Entlohnungen umfassenden Oberbegriff bilde.

Sonderzahlungsanteile seien daher nicht zu berücksichtigen. Auf Sonderzahlungen sei im übrigen weder in der VBO noch im Vertrag Bezug genommen. Die VBO verweise auf die Schemata der pragmatisierten Bediensteten, wonach für die Abfertigung nur der Monatsbezug heranzuziehen sei. Eine Anwendung des Angestelltengesetzes entfalle, weil das Dienstverhältnis des Klägers nie unter dasselbe gefallen sei.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern.

Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, ist die Vertragsbedienstetenordnung lediglich eine Vertragsschablone, die kraft einzelvertraglicher Vereinbarung im Dienstvertrag Vertragsinhalt wurde (DRdA 1994/2 [Schnorr], DRdA 1995/14 [Krapf]). Andererseits steht fest, daß der Kläger neben dem monatlichen "Schemabezug" samt verschiedenen Zulagen viermal jährlich eine Sonderzahlung in Höhe der Hälfte des Schemabezuges und der Zulagen (mit Ausnahme der Außendienstzulage) erhielt.

Ein Anspruch auf diese Sonderzahlung war daher Inhalt des Arbeitsvertrages. Die Abfertigung beträgt nach § 27 VBO ein Mehrfaches des dem Vertragsbediensteten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden "Monatsentgelts" und der Familienzulage.

Weder der Dienstvertrag noch die VBO erwähnen die Sonderzahlung. Ob die VBO hinsichtlich der Entlohnung der Vertragsbediensteten auf die Schemata für die pragmatisierten Bediensteten verweist, besagt für die Einbeziehung von Zulagen in die Abfertigungsberechnung nichts.

Selbst wenn durch Weiterverweisung in der VBO auf das Innsbrucker

Gemeindebeamtengesetz auf das Gehaltsgesetz Bedacht zu nehmen wäre,

das bei den Monatsbezügen eine Unterscheidung zwischen dem

Monatsbezug und den Sonderzahlungen trifft und für die Berechnung der

Abfertigung nur den Monatsbezug heranzieht, läßt sich daraus nicht

beantworten, ob die Sonderzahlung bei Berechnung der Abfertigung der

VBO zu berücksichtigen ist, weil in § 27 VBO kein Verweis auf das Gehaltsgesetz enthalten ist.

Aus den von der VBO an verschiedenen Stellen unsystematisch

verwendeten unterschiedlichen Bezeichnungen für die monatliche

Entlohnung wie Dienstbezug, Monatsbezug, Entgelt, Monatsentgelt läßt

sich keine Aussage über den Inhalt des in § 27 VBO verwendeten

Begriffes "Monatsentgelt" ableiten. Die monatliche Entlohnung wird

zwar, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, in Punkt IV des

Dienstvertrages aufgelistet, jedoch ergibt sich aus der

unsystematischen unterschiedlichen Bezeichnung des monatlichen Entgelts in der VBO mangels einer Definition dieser Begriffe und mangels einer feststellbaren besonderen Parteienabsicht, insbesondere auf Anwendbarkeit des VBG 1948, aus der VBO der Erklärungswert des Begriffes Monatsentgelt nicht eindeutig, so daß er mittels Auslegung zu ermitteln ist.

Die genaue Auflistung der einzelnen Teile des monatlichen Bezuges im Dienstvertrag steht einer differenzierten Bedeutung des Begriffes Monatsentgelt in § 27 VBO schon auf Grund der unterschiedlichen nicht definierten Bezeichnungen in der VBO nicht entgegen; aber auch deshalb nicht, weil doch die hier in Frage stehende Sonderzahlung gar nicht monatlich fällig ist und daher das Fehlen in der Auflistung die Berücksichtigung bei Berechnung der Abfertigung in § 27 VBO nicht ausschließt. Daß der Beklagten selbst die Bedeutung des Begriffes der monatlichen Entlohnung in § 9 VBO nicht eindeutig und vollständig genug erschien, zeigt ihr Vorbringen in der Berufungsbeantwortung, daß nun nach Überarbeitung der VBO genau definiert wird, welche Zulagen bei Ansprüchen, die nach dem Monatsentgelt zu bemessen sind, dem Monatsentgelt zuzuzählen sind und daß "außer dem Monatsentgelt" dem Vertragsbediensteten für das Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung ... gebührt.

Richtig ist, daß wegen des Homogenitätsprinzips die Rechtsprechung den bislang nach der VBO nicht kündigungsgeschützten Vertragsbediensteten der Beklagten Kündigungsschutz zubilligt (DRdA 1994/2 = SZ 66/35). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß der Vertragsbedienstete zwar Bestandschutz genieße, aber eine nachteilige, Sonderzahlungen nicht beinhaltende Berechnung der Abfertigung in Kauf nehmen müsse. Die VBO enthält eine Abfertigungsregelung, so daß durch Säumigkeit des Landesgesetzgebers diesbezüglich kein Nachteil des Vertragsbediensteten eintrat, der es erforderte, wie im vom Berufungsgericht zitierten Fall, wo ein Kündigungsschutz fehlte, die fehlende Regelung hier durch eine dem § 35 VBG 1948 entsprechende Regelung auszugleichen. Das VBG 1948 mit seinem Entgeltbegriff kommt auch nicht als lex contractus zur Anwendung.

Mangels einer Regelung des Dienstrechts der Gemeindevertragsbediensteten gilt für fehlende Sachverhalte Bundesrecht, bis das Land entsprechende Bestimmungen erläßt (Kirschbaum in Runggaldier, Abfertigungsrecht, 38f; DRdA 1994/2 (Schnorr]; Arb 11.079). Demzufolge ist aber auch mangels einer landesgesetzlichen oder vertraglichen Determinierung des der Berechnung der Abfertigung zugrundeliegenden Begriffes "Monatsentgelt" in § 27 VBO der im Arbeitsrecht allgemein geltende weite Entgeltbegriff, wonach alle nur erdenklichen Entgeltarten, wie Zulagen, Provisionen, Prämien etc Entgelt sind (Krejci in Rummel ABGB2 Rz 9 zu § 1152 mwN; Rz 4 zu § 1154) für die Auslegung des Begriffes "Monatsentgelt" als Abfertigungsberechnungsgrundlage heranzuziehen.

Dem Kläger steht die geltend gemachte Abfertigungsdifferenz von S

26.462 (= 22.108 plus 2.870 plus 1.484 : 2) zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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