OGH 4Nd513/95

OGH4Nd513/958.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Julia Daphne L*****, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 18.August 1995, 27 P 51/90-113, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache der mj. Julia Daphne L***** an das Bezirksgericht Hietzing wird gemäß § 111 Abs 2 JN nicht genehmigt.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 5.Februar 1990, 1 P 17/88-76, übertrug das Bezirksgericht Hietzing, das die Pflegschaftssache der mj. Julia Daphne L***** von Anfang an geführt hatte, die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Innsbruck, weil die Minderjährige mit ihrer Mutter in dessen Sprengel übersiedelt war. Das Bezirksgericht Innsbruck übernahm hierauf mit Beschluß vom 11.Mai 1990 die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache (ON 78).

Am 31.März 1995 teilte die Mutter der Minderjährigen, Mag.Katharina-Andrea M*****, mit, daß sie nunmehr in die Bundesrepublik Deutschland, und zwar nach A***** (mit ihrer Tochter) übersiedelt sei (ON 107). Am 17.August 1995 erklärte die Mutter dem Bezirksgericht Innsbruck fernmündlich, daß sie ihren bis dahin offenen Unterhaltserhöhungsantrag (ON 99) zurückziehe (ON 112).

Mit Beschluß vom 18.August 1995 übertrug das Bezirksgericht Innsbruck die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Hietzing. Dieses sei nunmehr gemäß § 109 Abs 2 JN örtlich zuständig, weil lediglich der Vater seinen Aufenthalt im Inland, und zwar im Sprengel des Bezirksgerichtes Hietzing, habe (ON 113).

Das Bezirksgericht Hietzing verweigerte die Übernahme des Pflegschaftsverfahrens unter Hinweis darauf, daß diese nicht im Interesse der Pflegebefohlenen gelegen erscheine. Der Richter des Bezirksgerichtes Innsbruck sei bereits mit dem Fall vertraut und kenne alle Beteiligten. Die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Hietzing würde einen höheren Kostenaufwand für das Kind nach sich ziehen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Bezirksgericht Innsbruck verfügte Übertragung der Zuständigkeit ist nicht gerechtfertigt.

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Grundsatz der perpetuatio fori - wonach jedes Gericht in Rechtssachen, die rechtmäßigerweise bei ihm anhängig gemacht wurden, bis zu deren Beendigung zuständig bleibt, wenn sich auch die Umstände, die bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert hätten (§ 29 JN) - durchbrochen werden. Als Ausnahmebestimmung ist § 111 JN grundsätzlich einschränkend auszulegen (Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 1 zu § 111 JN).

Daß dann, wenn nunmehr das Pflegschaftsverfahren zu eröffnen wäre, dafür das Bezirksgericht Hietzing zuständig wäre (§ 109 Abs 2 JN), ist entgegen der Meinung des Bezirksgerichtes Innsbruck im Hinblick auf § 29 JN nicht von Bedeutung. Umstände, die es für die Minderjährige vorteilhaft erscheinen ließen, die Zuständigkeit vom Bezirksgericht Innsbruck an das Bezirksgericht Hietzing zu übertragen, hat das übertragende Gericht nicht aufgezeigt; sie sind auch nicht zu sehen. Die Übertragung der Zuständigkeit war daher nicht zu genehmigen.

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