OGH 14Os160/95-6(14Os161/95, 14Os162/95)

OGH14Os160/95-6(14Os161/95, 14Os162/95)7.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.November 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Neumayr als Schriftführerin, in den Strafsachen gegen Heiko Alexander W***** bzw Andreas K***** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 2 StGB, AZ 11 E Vr 557/95 bzw 11 E Vr 1.556/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile

1. des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 12.April 1995, GZ 11

E Vr 557/95-5,

2. des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 26.Juni 1995, GZ 11 E Vr 1.556/95-6, und

3. des Oberlandesgerichtes Graz vom 2.August 1995, AZ 10 Bs 279/95 (= GZ 11 E Vr 557/95-11 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz),

nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Gesetz ist verletzt worden

1. durch die in den Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 12.April 1995, GZ 11 E Vr 557/95-5, und vom 26.Juni 1995, GZ 11 E Vr 1.556/95-6, sowie des Oberlandesgerichtes Graz vom 2.August 1995, AZ 10 Bs 279/95 (= GZ 11 E Vr 557/95-11), jeweils gegebene Begründung für den Ausspruch, daß der den Angeklagten Heiko Alexander W***** bzw Andreas K***** angelastete Diebstahl beim Versuch geblieben sei, in der Bestimmung des § 15 Abs 1 StGB;

2. durch das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 26. Juni 1995, GZ 11 E Vr 1.556/95-6, überdies in der Bestimmung des § 129 Z 2 StGB, insoweit der dem Angeklagten Andreas K***** angelastete Diebstahl als durch Einbruch begangen beurteilt wurde.

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 26.Juni 1995, GZ 11 E Vr 1.556/95-6, das im übrigen unberührt bleibt, wird im verfehlten Qualifikationsausspruch sowie im Strafausspruch aufgehoben und es wird - unter Neufassung des Schuldspruchs - im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Andreas K***** hat am 27.November 1994 in D***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert abgeurteilten Heiko Alexander W***** als Mittäter durch Herausreißen von zwei im Gasthaus R***** angebrachten Sparvereinskästen aus der Wandverankerung versucht, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in einem 25.000 S nicht übersteigenden Betrag, anderen mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Vollendung des Diebstahls nur deshalb unterblieb, weil in den Sparvereinskästen kein Geld enthalten war.

Andreas K***** hat hiedurch das Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB begangen und wird hiefür nach § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 60 (sechzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 30 (dreißig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Der Tagessatz wird mit 150 (einhundertfünfzig) S festgesetzt.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 12.April 1995, GZ 11 E Vr 557/95-5, wurde Heiko Alexander W***** des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 27.November 1994 in D***** im Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Andreas K***** fremde bewegliche Sachen, nämlich den Inhalt zweier Sparvereinskästen, durch deren Herausreißen aus ihrer Verankerung, "somit durch Einbruch", Verfügungsberechtigten des Gasthauses R***** wegzunehmen versuchte, um sich dadurch mit "Gewalt" (gemeint: Geld) in unbekanntem Wertbetrag (unrechtmäßig) zu bereichern, wobei die Vollendung unterblieb, "weil beide Täter die Sparvereinskästen nach Verständigung der Gendarmerie in die Nähe des Tatortes zurückbrachten".

Im gesondert geführten Strafverfahren wurde Andreas K***** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 26.Juni 1995, GZ 11 E Vr 1.556/95-6, wegen dieser Tat gleichfalls des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 2 StGB schuldig erkannt.

Während dieses Urteil (gegen K*****) nach Ablauf von drei Tagen in Rechtskraft erwuchs, wurde das ersterwähnte Urteil (gegen W*****) von der Staatsanwaltschaft mit Berufung wegen Strafe bekämpft.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 2.August 1995, AZ 10 Bs 279/95 (= GZ 11 E Vr 557/95-11 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz), wurde aus Anlaß der Berufung der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 477 Abs 1, 489 Abs 1 StPO in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß Heiko Alexander W***** im Umfang des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts mangels Verwirklichung der Einbruchsqualifikation lediglich des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die bezeichneten drei Urteile stehen - wie der Generalprokurator in seiner deshalb gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen, im Gerichtstag modifizierten Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

1. Sowohl das Landesgericht für Strafsachen Graz als auch das Oberlandesgericht Graz begründeten das Unterbleiben der Tatvollendung damit, daß die Täter - nachdem sie die Sparvereinskästen in ihrem Auto verstaut und den Tatort mit dem Fahrzeug verlassen hatten - die beiden Kästen wieder zum Gasthaus zurückbrachten, da sie mit Grund annahmen, beobachtet und bei der Gendarmerie angezeigt worden zu sein. Das Oberlandesgericht Graz fügte dem noch hinzu, daß der Tatplan ein Öffnen der Sparvereinskästen fernab vom Tatort vorgesehen habe, wozu es eben nicht mehr gekommen sei.

Ein Diebstahl ist vollendet, wenn der Täter den bisher an der Sache bestehenden Gewahrsam eines anderen gegen dessen Willen gebrochen und neuen Gewahrsam an der Sache begründet hat (Leukauf-Steininger Komm3 § 127 RN 20 ff mwN). Der Gewahrsamsbruch wäre hier jedenfalls mit dem Einladen der Sparvereinskästen in das Auto und dem Verlassen des Tatortes eingetreten. Daß die Täter dabei vom Sohn des Gastwirtes beobachtet worden sind, stünde dem nicht entgegen. Das geplante Öffnen der Kästen fernab vom Tatort aber hätte nur mehr für die außerhalb des Tatbestandes gelegene materielle Vollbringung des Diebstahls, die Zurückstellung der Sparvereinskästen nur unter dem Gesichtspunkt tätiger Reue von Bedeutung sein können.

Von der dargelegten Fehlauffassung der Vorinstanzen über die Abgrenzung von Versuch und Vollendung des Diebstahls sind aber - im Sinne der Beschwerdemodifikation im Gerichtstag - nur die in den Urteilen (schon im Spruch) enthaltenen Begründungen für die Annahme eines bloßen Versuches betroffen, weil die Tat aus einem anderen Grund beim Versuch geblieben ist. Das Diebstahlsvorhaben scheiterte nämlich daran, daß sich festgestelltermaßen in den beiden Sparvereinskästen zur Tatzeit zufällig kein Geld befand, weil tags zuvor eine Entleerung stattgefunden hatte. Somit ist den Gerichten bei Beurteilung der Tat als Diebstahlsversuch im Ergebnis kein Fehler unterlaufen.

Dazu sei zur Klarstellung vermerkt, daß die Sparvereinskästen als solche nach den Konstatierungen vom Diebstahlsvorsatz der Täter nicht umfaßt waren, sodaß insoweit eine Vollendung des Diebstahls nicht in Betracht kommt. Ob die darauf bezogene Entziehungshandlung sonst strafbar gewesen sein könnte (§ 135 Abs 1 StGB), ist aber hier nicht zu untersuchen.

2. Darüberhinaus erweist sich die vom Landesgericht für Strafsachen Graz im (gegen Andreas K***** ergangenen) Urteil vom 26.Juni 1995, GZ 11 E Vr 1.556/95-6, angenommene Qualifikation der Tat nach § 129 Z 2 StGB - wie schon das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht im Verfahren gegen Heiko Alexander W***** richtig erkannt hat - als verfehlt. Nimmt der Dieb das versperrte Behältnis (hier: die Sparvereinskästen) als solches vom Tatort weg, um es fernab von diesem aufzubrechen und sich den Inhalt zuzueignen, so ist die Qualifikation nicht gegeben (Leukauf-Steininger Komm3 § 129 RN 27 mwN). Da die Sparvereinskästen ihrerseits nicht mit einer Sperrvorrichtung im technischen Sinn an der Wand befestigt waren, ihrer gewaltsam überwundenen "Verankerung" vielmehr der für ein Schloß typische, ein Verschließen und Wiederöffnen ermöglichende Sperrmechanismus fehlte, kommt auch die Qualifikation nach § 129 Z 3 StGB nicht in Betracht.

Der unter Punkt 1 aufgezeigte materiellrechtliche Begründungsfehler war mangels negativer Auswirkungen auf den Schuldspruch der Angeklagten lediglich festzustellen. Hingegen mußte der dem Angeklagten Andreas K***** nachteilige, unter Punkt 2 dargestellte Subsumtionsirrtum durch Kassation der davon betroffenen Teile des Urteils saniert werden (§ 292 letzter Satz StPO). Für die Neubemessung der Strafe waren nur Milderungsgründe maßgebend, nämlich das reumütige Geständnis dieses Angeklagten, sein bisher ordentlicher Lebenswandel, das Alter unter 21 Jahren, und daß die Tat beim Versuch geblieben ist. Die festgesetzte Höhe des Tagessatzes entspricht den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers (§ 19 Abs 2 StGB).

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