OGH 4Ob571/95

OGH4Ob571/9524.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Henner K*****, vertreten durch Dr.Paul Flach, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde I*****, vertreten durch Dr.Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 160.000 sA (Revisionsinteresse S 147.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 13.Juni 1995, GZ 1 R 146/95-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6.März 1995, GZ 40 Cg 34/93y-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

8.370 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.395 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vor:

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor. Da das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichtes, für die Beklagte sei es naheliegend gewesen, daß der Kläger im Vertrauen auf einen Vertragsabschluß verschiedene andere Aufträge ausschlage, als das Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung ansah (S 243), hatte es keinen Anlaß, eine Beweiswiederholung durchzuführen.

Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsauffassung, daß dem Kläger der Ersatz des geltend gemachten Vertrauenschadens zustehe, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (insbes JBl 1992, 118). Danach ist zwar niemand verpflichtet, einen ganz bestimmten Vertrag nur deshalb abzuschließen, weil er schon Vorverhandlungen über den Vertragsinhalt geführt hat, die beim anderen Teil den Eindruck hervorrufen konnten, es werde wahrscheinlich zu einem Vertragsabschluß kommen; in der Regel kann jeder Vertragspartner auch ohne Grund die Vorverhandlungen sogar noch im letzten Moment abbrechen und den Vertrag scheitern lassen (JBl 1981, 465; RdW 1983, 7 ua). Eine Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten tritt nur dann ein, wenn ein Vertragspartner dem anderen gegenüber eine jener Pflichten verletzt hat, die auch schon vor Abschluß des Vertrages zwischen den in Vertragsverhandlungen stehenden Parteien bestehen. Ist erkennbar, daß sich der Verhandlungspartner im Vertrauen auf eine abgegebene Erklärung anschickt, selbst Verbindlichkeiten einzugehen, dann besteht eine Warn- und Aufklärungspflicht des anderen Partners (SZ 52/90; RdW 1983, 7; JBl 1991, 118). Das "In-Sicherheit-Wiegen" des anderen Teiles macht dann ersatzpflichtig, wenn der Schutzpflichtige selbst noch gar nicht fest zum Vertragsabschluß entschlossen war (JBl 1992, 118 unter Hinweis auf Ostheim, Zur Haftung für culpa in contrahendo bei grundloser Ablehnung des Vertragsabschlusses, JBl 1980, 522 ff [575]), aber erkennen kann, daß der Partner im Vertrauen auf seinen ernstlichen Abschlußwillen Aufwendungen macht (SZ 49/94; SZ 52/90; SZ 60/36). Für die Verwirklichung des Vertrauenstatbestandes reicht es sogar aus, daß der eine Teil ein Hindernis, an dem der spätere Vertragsabschluß scheitert, bei gehöriger Sorgfalt hätte voraussehen können. Auch dann, wenn der Schutzpflichtige den Vertrauenstatbestand nicht schuldhaft verwirklicht hat, kann die grundlose Ablehnung des Vertragsabschlusses schadenersatzpflichtig machen (Ostheim aaO 578 f; JBl 1992, 118).

Nach den - für den Obersten Gerichtshof bindenden - Feststellungen hat die Beklagte dem Kläger seit 1989 immer wieder Hoffnungen darauf gemacht, ihn als Juror, Ersatzjuror oder Vorprüfer zu beschäftigen. Sie hat ihn ersucht, bei mehreren, im vorhinein festgesetzten Sitzungen anwesend zu sein (Schreiben vom 2.8.1989), hat dann die Termine verschoben (Schreiben vom 15.9. und 5.12.1989), ihm gegenüber die Freude zum Ausdruck gebracht, daß er am Wettbewerb als Vorprüfer mitwirke und ihn dabei gleichzeitig über eine größere Zahl weiterer Termine unterrichtet, aus denen sich die Zeiträume für seine Vorprüfertätigkeit ergaben (Schreiben vom 17.9.1990). Nachdem der Kläger am 2.1.1991 ein Honorarangebot gemacht hatte, ließ ihn die Beklagte an der konstituierenden Sitzung des Preisgerichtes vom 14.1.1991 teilnehmen und wies ihn noch darauf hin, daß sich weitere Terminverlängerungen ergeben könnten (April 1991). Erst am 13.5.1991 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie auf seine Tätigkeit als Vorprüfer verzichte, weil seine Honorarforderungen laut dem (neuerlichen) Angebot vom 1.5.1991 zu hoch seien. Inzwischen hatte aber der Kläger - was der Beklagten erkennbar war - im Vertrauen auf den Vertragsabschluß zwei andere Aufträge im Hinblick auf die erwartete Inanspruchnahme beim Wettbewerb der Beklagten nicht übernommen.

Die Beklagte hat also, obwohl ihr klar gewesen sein mußte, daß ein Vertragsabschluß nicht sicher war, den Beklagten schon in Anspruch genommen und von ihm verlangt, daß er Termine reserviere, was notwendigerweise dazu führen mußte, daß er andere Aufgaben, die mit der Wahrung der Termine nicht in Einklang zu bringen waren, nicht übernehmen konnte. War auch für beide Vertragsteile die Frage, ob über das Honorar des Klägers Einigung erzielt wird, noch offen, so hat doch nur der Kläger im Hinblick auf den in Aussicht gestellten Vertrag Dispositionen getroffen - nämlich bestimmte Aufträge nicht übernommen -, wogegen die Beklagte zwar Forderungen an den Kläger gestellt hat (Terminreservierungen), selbst aber noch keine Aufwendungen zu machen hatte.

Da die Beklagte nicht entschlossen war, den Honorarvorstellungen des Klägers zu entsprechen, hätte sie den Kläger nicht schon - und das sogar noch nach seinem ersten Honorarangebot - in ihre Vorbereitungsarbeiten einbeziehen und von ihm das Freihalten von Terminen fordern dürfen, ohne zumindest ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß er mit einem Vertragsabschluß nicht sicher rechnen könne.

Das Berufungsgericht hat sich aber auch bei der Verneinung einer Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger durchaus im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gehalten. Von der Frage, ob es bei der Verletzung vorvertraglicher Schuldverhältnisse überhaupt eine Schadensminderungspflicht gibt, hängt die Entscheidung entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht ab, weil eine Verletzung dieser Pflicht hier in jedem Fall zu verneinen ist. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß der Kläger nicht auf dem Umweg über die Pflicht zur Schadensminderung gezwungen werden konnte, sich den Bedingungen der Beklagten zu unterwerfen, würde doch diese Auffassung dazu führen, daß der Kläger deshalb, weil er auf Veranlassung der Beklagten schon nicht unerhebliche Vorleistungen (jedenfalls in Form von Terminreservierungen und damit verbundener Absagen an andere Auftraggeber) erbracht hatte, nun gezwungen wäre, entgegen den Grundsätzen der Privatautonomie den Honoraranboten der Beklagten bedingungslos zuzustimmen.

Da somit die Entscheidung nicht von der Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt, war die Revision zurückzuweisen (§ 510 Abs 3, letzter Satz, ZPO).

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, diente seine Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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