OGH 4Ob582/95

OGH4Ob582/9524.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Otto E*****, 2. Irene E*****, beide vertreten durch Dr.Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Helmut B*****, vertreten durch Dr.Michael Drexler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigung und Räumung von Geschäftsräumen, infolge Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14.Juni 1995, GZ 39 R 134/95-28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 25. November 1994, GZ 5 C 1044/93m-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit S 19.870,62 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 2.975,06 Umsatzsteuer und S 2.020 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger waren im Zeitpunkt der Aufkündigung Eigentümer des Hauses W*****. Der Beklagte ist Mieter des in diesem Haus gelegenen Geschäftslokales Nr.17, bestehend aus Vorraum, Lager, WC und Werkstätte. Die Räume dienen einen Rock'n Roll-Club als Vereinsquartier. Vereinsobmann ist der Beklagte. Der Club hat rund 200 bis 250 Mitglieder; die Mitglieder zahlen zwischen S 350 und S 650 an Mitgliedsbeitrag (pro Jahr). Der Verein hat aus den Mitgliedsbeiträgen Getränke- und Vergnügungssteuer, Musikabgabe, Miete, Strom und Gas zu bestreiten. Im Vereinslokal werden vom Verein Getränke zu Preisen verkauft, die etwa den in einem Kaffeehaus verlangten Preisen entsprechen. Für das gemietete Lokal wurden zuletzt monatlich S 6.277,04 an Mietzins vorgeschrieben.

Der Beklagte ist seit Jänner 1991 praktisch laufend mit dem Mietzins im Rückstand. Meist hat er den Mietzins erst bezahlt, nachdem bereits der Mietzins für den Folgemonat vorgeschrieben worden war. Zeitweise bestand der Rückstand auch einen längeren Zeitraum hindurch. Die Hausverwaltung mahnte den Beklagten regelmäßig; auch der Erstkläger mahnte den Mietzinsrückstand ein. Eingeschrieben geschickte Sendungen wurden wiederholt nicht behoben. Anfang Juli 1993 drohte der Erstkläger dem Beklagten, bei nicht sofortiger Änderung der Zahlungsmoral das Bestandverhältnis aufzukündigen. Dennoch zahlte der Beklagte die Mietzinse Juni und Juli 1993 erst im September. Der Beklagte erklärte immer wieder, ohnedies zahlen zu wollen, die Nichtzahlung beruhe auf seinem Irrtum oder auf dem der Bank; in keinem Fall ersuchte der Beklagte wegen finanzieller Probleme um Zahlungsaufschub.

Der Beklagte war bis vor rund zwei oder drei Jahren Geschäftsführer und Gesellschafter eines Unternehmens. Derzeit arbeitet er für ein Textilunternehmen auf Provisionsbasis. Sein Umsatz beträgt rund S 200.000 bis S 250.000 im Monat, sein Einkommen rund S 15.000 netto. Der Beklagte benutzt ein Leasingfahrzeug, dessen Leasingnehmer der Verein ist.

Mit 8.10.1993 hat das Finanzamt einen Steuerrückstand von S 800.000 festgesetzt. Um diese Schuld abzudecken, hat der Beklagte im September 1993 seine Eigentumswohnung um S 1,3 Mio verkauft.

Die Kläger kündigten dem Beklagten die von diesem gemieteten Räume auf. Der Beklagte sei mit den Mietzinszahlungen ständig im Rückstand.

Der Beklagte erhob verspätet Einwendungen. Sein Wiedereinsetzungsantrag wurde vom Erstgericht abgewiesen; die Einwendungen wurden zurückgewiesen. Die Bestandräume wurden aufgrund der mittlerweile rechtswirksam gewordenen Aufkündigung geräumt. Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes, mit dem es den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen hat, und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Im zweiten Rechtsgang bewilligte das Erstgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der Beklagte wandte gegen die Aufkündigung ein, daß ihn kein grobes Verschulden treffe. Er habe zwar wiederholt den Mietzins verspätet gezahlt; die Kläger hätten sich aber nie dagegen gewehrt.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam. Das Räumungsbegehren wies es ab.

Der Beklagte habe den Zahlungsverzug grob fahrlässig herbeigeführt. Er habe das Zuwarten des Klägers nicht als Billigung seiner Säumnis verstehen können. Der Erstkläger habe schon früher mit der Aufkündigung gedroht und durch die Mahnungen zu erkennen gegeben, daß er auf pünktliche Zahlung Wert lege. Der Beklagte habe durch die Mitgliedsbeiträge und durch den Verkauf von Getränken regelmäßige Einnahmen erzielt. Er habe dem Erstkläger gegenüber immer Ausreden gebraucht und nie darauf verwiesen, daß die Vereinskassa leer sei oder daß er in finanziellen Schwierigkeiten sei. Der Beklagte sei daher offenbar nachlässig gewesen und habe sich um seine Gläubiger nicht gekümmert. Der Verkauf der Eigentumswohnung zur Begleichung von Steuerschulden könne den Beklagten nicht entlasten, weil allein schon die Tatsache bedenklich sei, daß der Beklagte Steuern in dieser Höhe nicht rechtzeitig gezahlt habe.

Das Räumungsbegehren sei abzuweisen, weil die Bestandräume bereits geräumt seien.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Aufkündigung für rechtsunwirksam erklärte und das Räumungsbegehren abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Der Beklagte habe trotz der Einkünfte des Vereines nicht über genügend Mittel verfügt, um die laufenden Ausgaben zu bestreiten. Er habe auch Gas und Strom nicht zahlen können. Durch die Festsetzung eines Rückstandes von S 800.000 durch das Finanzamt sei der Beklagte verständlicherweise in eine ernste wirtschaftliche Situation gekommen, die sogar dazu geführt habe, daß er im September 1993 seine Eigentumswohnung verkaufen habe müssen. Auch dies spreche jedenfalls für eine aktuelle wirtschaftliche Notlage. Unterbleibe die Zahlung des Mietzinses wegen schlechter wirtschaftlicher Lage, so liege kein grobes Verschulden vor. Der Beklagte habe nicht aus Rechthaberei oder Leichtsinn verspätet gezahlt. Er habe sich auch möglicherweise durch die Gutmütigkeit der Kläger ermutigt gefühlt, verspätet zu zahlen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Kläger verweisen darauf, daß der Beklagte das Fehlen groben Verschuldens am Zahlungsrückstand behaupten und beweisen müsse. Das Berufungsgericht habe die Beweislastverteilung verkannt.

Gemäß § 30 Abs 2 Z 1 MRG liegt ein wichtiger Grund für die Aufkündigung des Mietvertrages vor, wenn der Mieter trotz einer nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgten Mahnung mit der Bezahlung des Mietzinses über die übliche oder ihm bisher zugestandene Frist hinaus, mindestens aber acht Tage im Rückstand ist. Die Kündigung ist aufzuheben, wenn den Mieter am Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft und er vor Schluß der Verhandlung den geschuldeten Betrag entrichtet (§ 33 Abs 2 MRG). Grobes Verschulden liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Mietzins (ua) aus Willkür oder Leichtsinn verspätet gezahlt wurde (MietSlg 38.504; 45.441 uva). Das gleiche gilt, wenn der Mieter den Mietzinsrückstand aus reiner Gleichgültigkeit entstehen ließ, insbesondere dann, wenn er den Mietzinsrückstand von der Mahnung bis zur Einbringung der Klage anwachsen ließ (MietSlg 35.587). Toleriert werden kann im allgemeinen nur die Verspätung von wenigen Tagen oder wegen vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten; häufige Rückstände trotz Mahnung können nur ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Einzelfalles eine sonst naheliegende grobe Fahrlässigkeit ausschließen (MietSlg 35.586; 38.504). Der Mieter hat konkret zu behaupten und zu beweisen, daß ihn an der verspäteten Zahlung kein grobes Verschulden trifft. Er hat dabei Tatsachen anzuführen, die es ausschließen, sein grobes Verschulden an der verspäteten Zahlung anzunehmen (MietSlg 45.441 mwN). Jeder in dieser Richtung bestehende Zweifel geht zu seinen Lasten (MietSlg 45.442). Zahlt der Mieter den Mietzins nicht, weil er wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, so hat er auch zu beweisen, daß er die Schwierigkeiten nicht verschuldet hat (MietSlg 20.525).

Der Beklagte ist seit Jänner 1991 "praktisch laufend" mit dem Mietzins im Rückstand. Er mußte regelmäßig von der Hausverwaltung und auch vom Erstkläger gemahnt werden. Anfang Juli 1993 warnte der Erstkläger den Beklagten ausdrücklich, daß er das Bestandverhältnis aufkündigen werde, wenn der Beklagte seine Zahlungsmoral nicht sofort ändere. Dennoch hat der Beklagte den Mietzins für Juni und Juli 1993 erst im September 1993 gezahlt. Der Beklagte hat nie um einen Zahlungsaufschub wegen finanzieller Probleme ersucht.

Das aufgekündigte Bestandobjekt wird von einem Rock'n Roll-Club als Vereinslokal genutzt. Der Beklagte hat zwar ausgesagt, daß der Verein zu wenig Geld gehabt habe, um die Miete zu zahlen. Er hat aber trotz Aufforderung des Gerichtes weder die Adresse der Vereinskassiererin bekanntgegeben noch Unterlagen über die Einkommensverhältnisse des Vereines vorgelegt und auch nicht dargetan, daß es ihm aus den Mitgliedsbeiträgen von 200 - 250 Mitgliedern in Höhe von S 350 - S 650 pro Jahr nicht möglich gewesen wäre, den Zins von rund S 6.0000 monatlich zu zahlen, auch wenn nicht sämtliche Mitglieder ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Mitgliedsbeiträge nachkamen.

Zu seinen eigenen finanziellen Schwierigkeiten hat sich der Beklagte auf die hohen Steuerschulden (S 800.000) berufen, die durch eine dem tatsächlichen Einkommen nicht entsprechende Einschätzung entstanden sein sollen. Eingeschätzt wird aber jemand nur, wenn er keine ordnungsgemäßen Steuererklärungen legt.

Bei dieser Sachlage ist der Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß den Beklagten kein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand treffe, nicht beizutreten. Den Feststellungen ist mit der notwendigen Sicherheit nicht einmal zu entnehmen, daß der Beklagte wegen zu knapper Mittel außerstande war, die Miete rechtzeitig zu zahlen. Daß er auch Strom und Gas nicht gezahlt hat, ist kein Gegenargument. Grund für die Nichtzahlung kann auch hier Nachlässigkeit und Leichtsinn gewesen sein. Das liegt auch nahe, weil es ansonsten unverständlich wäre, daß der Beklagte die Aufforderung des Erstgerichtes unbeachtet ließ, die Adresse der Vereinskassiererin bekanntzugeben und Nachweise über die Gebarung des Vereines vorzulegen. Daß die hohen Steuerschulden den Beklagten nicht entlasten können, folgt schon daraus, daß der Beklagte entweder über entsprechende Einkünfte verfügt haben muß oder in der Erklärung seiner Einkünfte nachlässig war. Auch der Verkauf der Eigentumswohnung im September 1993 zwingt nicht zum Schluß, daß der Beklagte (schon seit 1991!) nicht über genügend Mittel verfügt hat, um die Miete für das Vereinslokal pünktlich zu zahlen.

Steht demnach nicht einmal fest, daß der Beklagte wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten mit den Mietzinszahlungen in Verzug geraten ist, so kann dahingestellt bleiben, ob den Beklagten am Entstehen solcher Schwierigkeiten ein grobes Verschulden trifft. Dazu hat der Beklagte auch nichts behauptet. Er hat keine Tatsachen angeführt, die es ausschließen, sein grobes Verschulden an der verspäteten Zahlung anzunehmen. Da der Beklagte aber, wie oben ausgeführt, das Fehlen groben Verschuldens behaupten und beweisen hätte müssen, war der Revision Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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