OGH 5Ob133/95

OGH5Ob133/9524.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Ing.Nikolaus B*****, vertreten durch Dr.Gerhard Richter, Rechtsanwalt in Graz, wider die Antragsgegner 1. Maria P*****, 2. Ing.Wilhelm L*****, 3. Roswitha L*****, 4. Brigitte R*****, 5. Kurt Michael F***** und 6. Waltraud Stefanie F*****, alle *****, Erst-, Zweit-, Viert- und Sechstantragsgegner vertreten durch Dr.Helmut Destaller und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen § 13 a Abs 1 Z 7, § 26 Abs 1 Z 3 WEG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Erst-, Zweit-, Viert- und Sechstantragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 20. April 1995, GZ 3 R 312/94-11, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4.Oktober 1994, GZ 42 Msch 35/94b-7, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluß, der in seinem unangefochtenen Teil unberührt bleibt, wird dahin abgeändert, daß hinsichtlich der Punkte

7. und 11. der Hausordnung des Hauses *****, der den Antrag abweisende Sachbeschluß des Erstgerichts wiederhergestellt und hinsichtlich Punkt 16. der Hausordnung in dessen Absatz 2 der Zeitpunkt "19.00 Uhr" durch "21.00 Uhr" ersetzt wird.

Text

Begründung

Die Parteien dieses Verfahrens sind idelle Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****; mit ihren Miteigentumsanteilen ist untrennbar Wohnungseigentum an Wohnungen des Hauses ***** verbunden.

Die derzeit geltende Hausordnung dieses Hauses enthält ua folgende, für das Revisionsrekursverfahren noch wesentliche Punkte:

"7. Lüften:

Stiegenhausfenster sind bei Bedarf jederzeit zu öffnen. In der kalten Jahreszeit ist das Lüften erlaubt, hat sich jedoch zeitlich zu beschränken (bis 10 Minuten).

Nachts sind die Fenster geschlossen zu halten. Bei warmen Temperaturen ist es in jedem Fall gestattet, die Stiegenhausfenster während der Nacht geöffnet zu halten (gekippt).

11. Abstellraum:

Im Abstellraum dürfen ausschließlich Fahrräder, Kinderwägen, sowie alle hauseigenen Gartengeräte abgestellt werden. Aus Platzgründen dürfen pro Wohnung maximal 4, der StVO entsprechende Fahrräder eingestellt werden.

16. Benützung von Musikinstrumenten, Tonübertragungs- und Tonwiedergabegeräten:

Bei der Benützung von Musikinstrumenten, Tonübertragungs- und Tonwiedergabegeräten in Gebäuden und im Freien, ist die Lautstärke stets so zu wählen, daß andere Personen, insbesondere in der Zeit von 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr und von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr durch Lärm nicht ungebührlich belästigt werden.

Aufgrund des niedrigen Grundgeräuschpegels in den Abend- und Nachtstunden muß die Ausübung von nicht auf mechanische Weise Musik erzeugenden Instrumenten, wie beispielsweise Klavier, Trompete etc. in der Zeit von 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr und von 19.00 Uhr bis 9.00 Uhr unterlassen werden. Während der Benützung von Musikinstrumenten sind Türen und Fenster geschlossen zu halten."

Der Antragsteller begehrte die Änderung der Hausordnung, weil sie Bestimmungen enthalte, die teilweise einer Gemeinschaftsordnung zuzuordnen seien und teilweise berechtigte Interessen des Antragstellers verletzten. Zu Punkt 7. wies der Antragsteller (in Klammern) auf die Kindergefährdung hin. Zu Punkt 11. wendete er sich gegen die Beschränkung auf vier Fahrräder pro Wohnung. Punkt 16. Abs 2 sei unzumutbar.

Die (vertretenen) Antragsgegner wendeten ein, die Hausordnung enthalte keine Bestimmungen, die schutzwürdige Interessen eines Miteigentümers verletzten und ihm bei billigem Ermessen unzumutbar seien.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Der Antragsteller habe auch nach intensiver Befragung keine seine schutzwürdigen Interessen verletzenden oder ihm bei billigem Ermessen unzumutbaren Hausordnungsbestimmungen nennen können. Unzumutbar wäre etwa das generelle Verbot des Musizierens; die vorliegende Hausordnung gestatte aber dem Antragsteller und seiner Familie, sieben Stunde pro Tag Klavier zu spielen. Die Stiegenhausfenster seien nicht beliebig, sondern nur bei Bedarf zu öffnen; von ständig geöffneten Fenstern sei in der betreffenden Bestimmung keine Rede. Die Regelung erscheine auch im Hinblick auf die Aufsichtspflicht der Eltern nicht unzumutbar oder schutzwürdige Interessen verletzend.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers teilweise Folge und hob ua die Punkte 7., 11. und 16. (Abs 2) der Hausordnung auf. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es - mangels Vorliegens von Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung - für nicht zulässig.

Es vertrat im allgemeinen folgende Rechtsansicht:

Der Begriff "Hausordnung" nach § 14 Abs 1 Z 6 WEG werde vom Gesetzgeber nicht definiert, sondern vorausgesetzt, sodaß auf die Verkehrsübung zurückgegriffen werden müsse: Es werde sich vor allem um Beschränkungen der Benützung im Interesse der Mitbewohner und der Regelung der Benützung der Gemeinschaftsanlagen handeln, wie insbesondere Reinigungspflichten, Feuer- und Kälteschutz, Behandlung von PKWs und diverse Sorgfaltspflichten. Darüber hinausgehende Eingriffe, insbesondere die Widmung gemeinsamer Teile der Liegenschaft und ihre Änderung, bedürften der Einstimmigkeit. Der Wohnungseigentümer, der durch eine nur von der Mehrheit beschlossene Bestimmung in der Hausordnung in seinen berechtigten Interessen verletzt werde, könne beim Außerstreitrichter Abhilfe suchen, nicht aber aus dem Grund, daß eine andere Lösung zweckmäßiger gewesen wäre.

Zu den noch strittigen Punkten führte das Rekursgericht folgendes aus:

Zu Punkt 7.: Dem Antragsteller sei zuzugestehen, daß aufgrund der geringen Parapethöhe der Fenster (60 bzw 50 cm) eine Gefahr für Kinder bestehe, weshalb diese Regelung schon im Hinblick darauf, daß der Antragsteller ein sechsjähriges Kind habe, schutzwürdige Interessen des Antragstellers und seiner Familie verletze.

Zu Punkt 11.: Bei dieser Bestimmung handle es sich um eine Frage der Benützungsregelung (§ 15 WEG neu); für eine Regelung, wieviele Fahrräder im Abstellraum abzustellen seien, sei daher in der Hausordnung kein Platz.

Zu Punkt 16.: Im Hinblick auf die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Graz vom 4.7.1974 (§ 4 Abs 1), wonach bei der Benützung von Musikinstrumenten, Tonübertragungs- und Tonwiedergabengeräten die Lautstärke stets so zu wählen sei, daß andere Personen, insbesondere in der Zeit von 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr und von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr durch Lärm nicht ungebührlich belästigt werden, erscheine die Bestimmung der Hausordnung, daß ab 19.00 Uhr nicht mehr Klavier gespielt werden dürfe, für den Antragsteller unzumutbar. Insbesondere in den Sommermonaten könne überdies die Zeit zwischen 19.00 Uhr und 21.00 Uhr keinesfalls als zur Nachtzeit angesehen werden. Die betreffende Bestimmung sei daher als dem Antragsteller unzumutbar und seinen schutzwürdigen Interessen zuwiderlaufend aufzuheben (eine Ausdehnung der Hausordnung bzw Supplierung einzelner Bestimmungen durch das Gericht sei nicht möglich).

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der rechtsmittelwerbenden Antragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Punkte 7., 11. und 16. der Hausordnung aufrecht bleiben.

Der Antragsteller beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs für nicht zulässig zu erklären, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsentwicklung zulässig und teilweise auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerber machen zu Punkt 7. der Hausordnung im wesentlichen geltend, für die vom Rekursgericht angenommene Parapethöhe der Fenster von 60 bzw 50 cm gebe es keinerlei Beweisergebnisse. Die Parapethöhe betrage vielmehr 91,5 cm, weshalb das Hinausstürzen eines Kindes nicht ohne weiteres möglich sei. Zu Punkt 11. verweisen sie darauf, daß es nicht darum gehe, einzelne Miteigentümer von der Benützung des Abstellraumes auszuschließen und demgemäß ein ausschließliches Benützungsrecht für den einen oder anderen Miteigentümer zu schaffen, sondern daß mit der Hausordnung die gemeinsame Benützung des Abstellraumes geordnet und geregelt werden solle. Gerade die gemeinsame Benützung gemeinschaftlicher Anlagen sei in einer Hausordnung zu regeln. Der Antragsteller habe zu diesem Punkt nicht einmal konkret angeführt, inwieweit er durch die von ihm angefochtene Regelung in seinen schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt werde. Zu Punkt 16. wird geltend gemacht, es sei nicht tragbar, eine Regelung, die über eine bestehende Lärmschutzverordnung hinausgehe, von vornherein als unzumutbar anzusehen. Es sei jedem einzelnen Miteigentümer zuzumuten, zum Wohle aller in der Benützung der ihm überlassenen Wohnung eingeschränkt zu werden. Wenn das Klavierspiel in der Zeit ab 19.00 Uhr nicht mehr erlaubt sein solle, so sei dies keineswegs eine unzumutbare Beeinträchtigung.

Hiezu wurde erwogen:

Zu Punkt 7. der Hausordnung:

Eine Aktenwidrigkeit liegt auch vor, wenn für eine Tatsachenfeststellung überhaupt keine beweismäßige Grundlage besteht (Kodek in Rechberger § 503 ZPO Rz 4 mwN). Richtig ist, daß es für eine Parapethöhe von 50 oder 60 cm keine Beweisergebnisse gibt. Vielmehr wurden zur Parapethöhe überhaupt keine Feststellungen getroffen. Solche waren entbehrlich, weil hiezu im erstinstanzlichen Verfahren kein Vorbringen erstattet wurde. Bei den diesbezüglichen Ausführungen beider Seiten im Revisionsrekursverfahren handelt es sich um unbeachtliche Neuerungen. Vor dem Erstgericht hat der Antragsteller zu Punkt 7. der Hausordnung zwar (in Klammern) eine Kindergefährdung erwähnt, nähere Ausführungen etwa zu Parapethöhe aber unterlassen.

Ohne Berücksichtigung der Neuerungen des Antragstellers kann nicht gesagt werden, daß die in Rede stehende Bestimmung schutzwürdige Interessen des Antragstellers verletzen würde oder ihm billigerweise nicht zugemutet werden könne. Schon das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Stiegenhausfenster nach der Hausordnung ohnehin nur bei Bedarf - und nicht ständig - zu öffnen sind und daß die Eltern grundsätzlich ihre Kinder zu beaufsichtigen haben. Die Hausordnung schließt auch nicht aus, daß auch bei Tag durch Kippung der Fenster gelüftet wird. Ob eine andere Lüftungsregelung zweckmäßig wäre, ist nicht zu untersuchen (vgl Würth in Rummel2 § 14 WEG Rz 7); zu prüfen ist lediglich, ob die Voraussetzungen des § 13 a Abs 1 Z 7 WEG gegeben sind, was hier nicht der Fall ist.

Zu Punkt 11. der Hausordnung:

Eine Hausordnung regelt das Zusammenleben der Hausbewohner (RZ 1992/50 = WoBl 1992/168; MietSlg 42/10 = WoBl 1990/64; WoBl 1994/1;

Feistenberger/Barta/Call § 14 WEG Rz 63, 66, 69), so auch die Benützung der Gemeinschaftsanlagen (Würth in Rummel2 § 14 WEG Rz 7;

Palten, Wohnungseigentumsrecht Rz 144). Gegenstand einer Benützungsregelung (§ 15 WEG) ist hingegen die Zuweisung verfügbarer gemeinsamer Teile zur ausschließlichen (oder gemeinsamen) Benützung an Miteigentümer (Palten aaO Rz 158 f; Gamerith in Rummel2 § 835 ABGB Rz 5 mwN).

Der gegenständliche Abstellraum wurde für die gemeinsame Nutzung der Wohnungseigentümer bestimmt. Wieviele Fahrräder pro Wohnung darin abgestellt werden dürfen, ist - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - Regelungsgegenstand einer Hausordnung und nicht einer Benützungsregelung.

Der Antragsteller hat im erstinstanzlichen Verfahren nicht erläutert, was gegen die Limitierung der Fahrradeinstellung im Abstellraum im Lichte des § 13 a Abs 1 Z 7 WEG sprechen könnte. Sein erst im Rechtsmittelverfahren erstattetes Vorbringen ist - auch hier - als unzulässige Neuerung nicht zu beachten. Es besteht daher kein Grund, die bemängelte Hausordnungsbestimmung aufzuheben oder abzuändern.

Zu Punkt 16. der Hausordnung:

Strittig ist insbesondere, ob im Haus der Parteien bis 19.00 Uhr oder bis 22.00 Uhr Klavier gespielt werden darf.

Die vom Rekursgericht angenommene Verknüpfung zwischen der Zumutbarkeitsgrenze des § 13 a Abs 1 Z 7 WEG und der Regelung einer Lärmschutzverordnung besteht nicht. Eine Hausordnung kann das Musizieren auch über eine Gemeindeverordnung hinaus einschränken. Eine Verschiebung der entsprechenden zeitlichen Begrenzung auf einen Zeitpunkt vor 22.00 Uhr kann von der Mehrheit der Miteigentümer daher grundsätzlich beschlossen werden, ohne daß hiemit eine Interessensverletzung oder Überschreitung der Unzumutbarkeitsgrenze zwingend verbunden wäre.

Dem Rekursgericht ist aber zuzustimmen, daß die Verpflichtung zur Unterlassung des Klavierspielens bereits ab 19.00 Uhr schutzwürdige Interessen des Antragstellers (und seiner Familie) verletzt. Hiebei ist zu bedenken, daß ein Berufstätiger im allgemeinen tagsüber während der Arbeitszeit am Musizieren verhindert ist und daß Kinder für eine qualifizierte musikalische Ausbildung eine entsprechende Übungszeit benötigen.

Nach Auffassung des erkennenden Senates ist im vorliegenden Fall eine Verschiebung der strittigen zeitlichen Begrenzung auf 21.00 Uhr angemessen, weshalb Punkt 16. Abs 2 der Hausordnung gemäß § 13 a Abs 1 Z 7 WEG entsprechend zu ändern war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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