OGH 13Os130/95

OGH13Os130/9518.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Oktober 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Bodner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ferdinand M***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Geschworenengericht vom 17.Mai 1995, GZ 28 Vr 2303/94-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil - das im Freispruch unberührt bleibt - aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil (das auch einen unangefochtenen Freispruch enthält) wurde Ferdinand M***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 "vierter Fall" (Satz 3 erster Fall) StGB schuldig erkannt, weil er am 8.Oktober 1994 in Linz gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Jugendlichen Sascha K***** dem Werner P***** mit Gewalt gegen seine Person, nämlich durch Versetzen von zahlreichen massiven Faustschlägen und Fußtritten sowie Würgen einen Bargeldbetrag von ca 2.500 S mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung wegnahm, wobei die Gewaltanwendung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen, nämlich eine Gehirnerschütterung, eine partielle Ohramputation links, multiple Rißquetschwunden über der Augenbraue, eine Rißquetschwunde an der Nase, eine Rißquetschwunde am Kinn, ein Monokelhämatom links, Schwellungen im gesamten Gesichtsschädelbereich, eine Rißquetschwunde an der rechten Ohrmuschel, eine tiefe Abschürfung an der rechten Halsregion, eine Pneumothorax links sowie Frakturen der 7. und 11. Rippe links mit Eindringen in die Lunge zur Folge hatte.

Die Geschworenen bejahten die (anklagekonform) wegen schweren Raubes gestellte Hauptfrage 1 stimmenmehrheitlich und ließen dementsprechend die Eventualfragen 2 bis 9 wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung mit schwerer Dauerfolge, wegen Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen und wegen schwerer Körperverletzung und jeweiliger Beteiligung an einer der genannten strafbaren Handlungen sowie wegen Hehlerei unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner gegen den Schuldspruch erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Z 6, 8, 10 a und 12 des § 345 Abs 1 StPO stützt, ist der Angeklagte schon aus dem Grunde der Z 8 im Recht.

Er macht nämlich zutreffend geltend, daß die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung keine Ausführungen dahin enthält, daß die Zurechnung der Erfolgsqualifikation des Eintrittes einer Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen beim Raub (§ 143 Satz 3 erster Fall StGB) gemäß § 7 Abs 2 StGB wenigstens Fahrlässigkeit des Täters voraussetzt.

Diese Unvollständigkeit ist einer Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung gleichzustellen, weil sie zu Mißverständnissen in Ansehung der subjektiven Tatseite des Angeklagten in bezug auf die erwähnte Qualifikation Anlaß geben konnte (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 § 345 Z 8 ENr 66). Es konnte nämlich dadurch bei den Geschworenen der Eindruck erweckt werden, daß es sich bei der erwähnten Erfolgsqualifikation um eine objektive Bedingung erhöhter Strafbarkeit handle, die demgemäß von keinem Verschulden des Täters umfaßt sein müsse. Dafür, daß sich die Geschworenen tatsächlich in einem solchen Irrtum befunden haben könnten, spricht, daß die Qualifikation in der gemäß § 331 Abs 3 StPO vom Obmann verfaßten Niederschrift mit keinem Wort erwähnt wurde (vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 68).

Des weiteren hätte die Rechtsbelehrung den normativen Begriff der Fahrlässigkeit klären müssen, wobei - auf Grund der exzeptionellen Gestaltung des Falles - die Erfordernisse für die objektive Zurechenbarkeit des überschweren Erfolges (Burgstaller im WK § 7 Rz 21) darzulegen gewesen wären.

Der Beschwerde war daher - ohne auf die weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgründe einzugehen - bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen (§§ 285 e, 344 StPO), in dem auch zu beachten sein wird, daß die Bestimmung des § 7 Abs 2 StGB nicht nur (wie geltend gemacht) für die Raub-, sondern auch für Körperverletzungsdelikte (§§ 85, 87) gilt.

Mit seiner außerdem erhobenen Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Stichworte