OGH 7Ob15/95

OGH7Ob15/9518.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Harry Zamponi ua Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Franz K*****, vertreten durch Dr.Heinz Oppitz, Rechtsanwalt in Linz, und 2. Manfred L*****, vertreten durch Dr.Eduard Saxinger ua Rechtsanwälte in Linz, wegen S 453.283,80 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 20. Jänner 1995, GZ 4 R 129/94-32, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 18.März 1994, GZ 7 Cg 332/92-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 19.845,-- (darin S 3.307,50 USt) und der zweitbeklagten Partei ebenfalls mit S 19.845,-- (darin S 3.307,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 7./8.2.1992 kam es im Hause L*****, P*****straße 12, zu einem Leitungswasserschaden, der von einem als Waschmaschinenanschluß vorgesehenen, geöffneten Eckventil unter dem Waschbecken im Bad der Wohnung top.Nr.31 verursacht worden ist. Für dieses Haus besteht bei der Klägerin eine Leitungswasserschadenversicherung, der die AWB 1977 zugrundeliegen. Versicherungsnehmerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft P*****straße 12. Dieser wurde von der Klägerin der durch den Wasseraustritt entstandene Schaden in Höhe des Klagsbetrages ersetzt. Der Eigentümer der Wohnung top.Nr.31 Dr.Peter B***** hatte mit Mietvertrag vom 20./27.12.1990 diese Wohnung an das Berufsförderungsinstitut (BFI) vermietet. Das BFI brachte dort Personen für die Dauer der Inanspruchnahme von Rehabilitationseinrichtungen bzw. Bildungseinrichtungen des BFI bzw. des beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrums Linz (BBRZ) unter. Zu diesem Zweck wurde die Wohnung von BFI dem Erstbeklagten vom 6.3.1991 bis 12.3.1992 und dem Zweitbeklagten vom 1.10.1991 bis 7.4.1992 zur Benützung überlassen. Die Kosten für diese Benützung trugen die PVA der Arbeiter und das Amt der Steiermärkischen Landesregierung. Neben den Beklagten besaßen die Hausverwaltung sowie die Reinigungsfrau des Hauses Maria K***** je einen Wohnungsschlüssel.

Am Donnerstag, dem 6.2.1992, wurde im Hause P*****straße 12 der außerhalb der gegenständlichen Wohnung gelegene Hauptwasserhahn kurzfristig abgedreht. Dabei wurde die Wohnung der Beklagten nicht betreten. Maria K***** hat die Wohnung der Beklagten vor dem Wasserschaden zuletzt am Vormittag des 6.2.1992 gereinigt. Sie hat sich an dem Eckventil nicht zu schaffen gemacht und die Wohnung versperrt zurückgelassen. Auch die beiden Beklagten haben sich nie am gegenständlichen Eckventil zu schaffen gemacht. Beide Beklagten fuhren am 7.2.1992 von L***** in die Steiermark, dazu verließ der Zweitbeklagte die Wohnung bereits in der Früh, der Erstbeklagte zu Mittag, wobei er diese versperrte. Es hat sich offensichtlich in der Folge während der Abwesenheit der Beklagten zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt ein unbekannter Dritter ohne Wissen und Willen der Beklagten mit einem Schlüssel Zutritt zu der Wohnung verschafft bzw. den Zutritt hiezu durch irgendjemanden verschaffen lassen und hat dort aus unbekannten Gründen am Eckventil hantiert, dieses aufgedreht und in der Folge nicht mehr abgedreht, wodurch es zum Austritt von Leitungswasser und dem gegenständlichen Schaden gekommen ist.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Bezahlung von S 453.283,80 sA zur ungeteilten Hand. Sie brachte vor, die beiden Beklagten seien zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes über die Wohnung top.Nr.31 verfügungsberechtigt gewesen. Sie hafteten daher gemäß § 1318 ABGB für Schäden durch das Öffnen und Nichtabdrehen des Absperrventils.

Die Beklagten beantragten die Klagsabweisung und wendeten ein, nicht Wohnungsinhaber gewesen zu sein. Es sei ihnen keinerlei Verfügungsgewalt über die Wohnung zugestanden, sie seien vielmehr bloß vorübergehend aufgrund der Einweisung durch das BBRZ Mitbewohner gewesen. Das Eckventil hätten sie niemals aufgedreht, diese Handlung müsse während ihrer Abwesenheit von einem unbekannten Dritten ohne ihr Wissen und ohne ihren Willen gesetzt worden sein. Im übrigen seien sie durch den Regreßverzicht gemäß Art.13 der AWB 1977 begünstigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es bejahte die Haftung der beiden Beklagten nach § 1318 ABGB, weil diese die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Wohnung gehabt hätten und sie daher als Inhaber im Sinne dieser Gesetzesstelle eine Erfolgshaftung für die Schadenszufügung durch unbekannte Dritte treffe. Gemäß § 67 VersVG sei die klagende Partei zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche berechtigt. Mangels Mietereigenschaft der Beklagten liege kein Fall des Regreßverzichtes im Sinne des Art.13 der AWB 1977 vor.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung in eine Klagsabweisung ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Es folgerte rechtlich, daß die den Beklagten eingeräumte Verfügungsmacht über die Räume über jene eines nur vorübergehend aufgenommenen Mitbewohners oder Hotelgastes hinausgegangen sei, daß diese Verfügungsgewalt aber durch die Überlassung von Schlüsseln an den Hausverwalter und die Bedienerin des Vermieters eingeschränkt gewesen sei und daß letzteren Personen sohin die Möglichkeit offen gestanden sei, dritten Personen Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Es könne den Beklagten daher aus dem Eindringen einer fremden Person ohne ihr Wissen und ohne ihren Willen in die Wohnung, dessen Verhalten dann letztlich den Schaden ausgelöst habe, deshalb kein Vorwurf gemacht werden, weil ihnen kein Einfluß auf das Verhalten der anderen Wohnungsschlüsselinhaber zugestanden sei. Die Beklagten hätten daher nicht für den von ihnen auch nicht mitverursachten Schadenserfolg einzustehen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die Behandlung der Beweisrüge der Klägerin durch das Berufungsgericht erfolgte weder aktenwidrig, noch auch mangelhaft. In der Berufungsbeantwortung ON 28 (zur Berufung des Erstbeklagten) führt die klagende Partei unter anderem aus, das Erstgericht sei im Rahmen seiner Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangt, daß nicht die beiden Beklagten es gewesen seien, die das Eckventil aufgedreht hätten, und es habe daraus "schlußgefolgt", daß offenbar in Abwesenheit der beiden Beklagten ein unbekannter Dritter ohne Wissen und Willen der Beklagten sich zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt mit einem Schlüssel Zutritt zu dieser Wohnung verschafft und dann aus unbekannten Gründen das Eckventil aufgedreht und nicht mehr abgedreht habe. Diese Feststellung, also die Schlußfolgerung, wurde von der klagenden Partei bekämpft, nicht auch (zumindest nicht ausdrücklich, wie sich auch aus dem Wortlaut der Berufungsbeantwortung der klagenden Partei hinsichtlich des Zweitbeklagten, ON 27, ergibt), daß die Beklagten das Ventil nicht aufgedreht haben; dies ergibt sich auch aus den weiteren Ausführungen der klagenden Partei in der Berufungsbeantwortung, daß nämlich auch ein bekannter Dritter in der Wohnung gewesen sein könne. Es ergibt sich allerdings im übrigen als selbstverständlich, daß die eine Feststellung des Erstgerichtes mit der anderen (der Schlußfolgerung, die sich ebenfalls als eine Tatsachenfeststellung darstellt - SZ 57/198) in einem untrennbaren und logischen Zusammenhang steht. Hat deshalb das Berufungsgericht die eine Feststellung als unbedenklich bezeichnet, ergibt sich daraus zwangsläufig auch die Billigung der anderen. Die klagende Partei hat im übrigen nicht etwa die Feststellung begehrt, es hätte die Beklagte das Ventil aufgedreht, sondern es sei nicht feststellbar, wer es aufgedreht habe. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt daher im Ergebnis nicht vor.

Gemäß § 1318 ABGB haftet der Wohnungsinhaber für jeden Schaden, der dadurch entsteht, daß aus der Wohnung etwas hinausgeworfen oder hinausgegossen wird; unter letzterem Begriff wird im Wege der erweiternden Auslegung auch das Ausfließen von Leitungswasser aus einem nicht abgedrehten Ventil verstanden. Der Grund dieser Haftung liegt darin, daß der Wohnungsinhaber für die Ordnung im Haushalt verantwortlich ist und ihm auch faktisch die Möglichkeit entsprechender Einflußnahme offensteht. Haftbar ist demnach derjenige, dem die tatsächliche Verfügungsgewalt über den betreffenden Wohnraum zusteht (vgl. MietSlg 40.188 mwN). Entgegen der Ansicht der beiden Revisionsgegner kam ihnen zur Zeit des Schadensfalles sehr wohl die Qualifikation eines Wohnungsinhabers nach § 1318 ABGB zu, wurde ihnen doch eine zeitlich begrenzte aber doch längere Benützung der gegenständlichen Räume rechtsverbindlich zugesichert. Es steht nicht fest, daß das BBFW diese Benützungserlaubnis jederzeit grundlos auflösen hätte können. Die Beklagten sind daher weder mit einem nur vorübergehend in eine Privatwohnung aufgenommenen Besucher oder Mitbewohner noch mit einem in ein Hotel aufgenommenen Gast in ihrer Rechtsstellung zu vergleichen (vgl. SZ 51/116 mwN).

§ 1318 ABGB setzt kein Verschulden des Wohnungsinhabers am eingetretenen Schaden voraus, es kommt lediglich darauf an, ob die Gefahr, aus der der Schaden später entstand, objektiv erkennbar war; das Fehlen subjektiver Vorwerfbarkeit auf seiten des Rauminhabers ist nicht zu berücksichtigen (Reischauer in Rummel2 Rz 9 a und 16 zu § 1318 ABGB; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2 392). Bei einem Wasserschaden kommt es darauf an, ob Umstände vorliegen, als deren Folge der Eintritt eines Wasserschadens ohneweiteres verständlich erscheint, Umstände also, die eine Gefahr in dieser Richtung bilden. So wird der Wohnungsinhaber stets für durch schlechten Verschluß des Wasserhahnes verursachte Wasserschäden zu haften haben. Nach § 1318 ABGB ist der Wohnungsinhaber nur dann nicht für den durch das aus seiner Wohnung fließende Wasser verursachten Schaden ersatzpflichtig, wenn er beweist, daß er alle objektiv erforderlichen Maßnahmen getroffen (Koziol aaO), die nach der Lebenserfahrung mit einer dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entsprechenden Wahrscheinlichkeit berechenbaren Risken in zumutbarer Weise ausgeschaltet hat (vgl Reischauer aaO Rz 16). Die beiden Beklagten haben nach den getroffenen Feststellungen den Beweis erbracht, daß sie die auf Grund der gebotenen Sorgfalt objektiv erforderlichen Maßnahmen eingehalten haben, weil sie die Wohnung in ordnungsgemäßem Zustand verlassen haben und es ihnen nicht angelastet werden kann, wenn es während ihrer Abwesenheit anderen Personen, auf deren Betreten der Wohnung ("Eindringen" iS der Ausführungen von Koziol aaO 375) und ihr Verhalten in dieser sie keinen Einfluß ausüben konnten, möglich war, eine gefährliche Lage in der Wohnung zu schaffen; denn aus dem Umstand, daß außer ihnen noch weitere Personen im Besitz von Schlüsseln zur Wohnung waren, sodaß diese ohne weiteres auch während ihrer Abwesenheit Zutritt zur Wohnung hatten, kann ihnen auch objektiv kein Vorwurf gemacht werden, zumal nicht sie es gewesen waren, die Wohnungsschlüssel aus der Hand gegeben hatten und sie auch keinen Einfluß auf die Auswahl der Schlüsselbesitzer hatten nehmen können (vgl auch hiezu die Ausführungen von Reischauer aaO Rz 16).

Mangels einer Haftung der Beklagten nach § 1318 ABGB war auf die Frage des Regreßverzichtes in Art.13 der WBB nicht mehr einzugehen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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