OGH 11Os135/95

OGH11Os135/9517.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Oktober 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Prof. Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Richard Z***** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.Juni 1995, GZ 3 a Vr 1778/95-64, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Jerabek, und des Verteidigers DDr.Stern, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Richard Z***** des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 5.Februar 1995 in Wien den Franz L***** durch mehrere Schläge und Fußtritte vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer (nominell) auf die Z 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich ausschließlich gegen die Annahme der Erfolgsqualifikation nach § 86 StGB richtet.

Mit der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer eine Undeutlichkeit, Unvollständigkeit und mangelhafte Begründung des Urteils, vermag aber keinen der geltend gemachten Mängel aufzuzeigen. Das Beschwerdevorbringen stellt sich der Sache nach vielmehr als Geltendmachung eines Feststellungsmangels in bezug auf die Erfolgsqualifikation nach § 86 StGB dar (Z 10). Gleiches gilt für die Tatsachenrüge (Z 5 a), mit welcher der Angeklagte keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen vermag.

Die Subsumtionsrüge zielt auf eine Verneinung der Zurechnung der Todesfolge wegen Ausschlusses des Risikozusammenhanges infolge nachträglichen Fehlverhaltens des Verletzten ab. Ein Ausschluß der Zurechnung der schweren Tatfolge kommt mangels Risikozusammenhanges ua dann in Betracht, wenn das Opfer in bezug auf seine Primärverletzung im Bewußtsein des eigenverantwortlichen Lebensrisikos ein Folgeverhalten setzt, das für jeden vernünftigen Menschen unter den gegebenen Umständen schlechthin unbegreiflich ist (EvBl 1987/142, ZVR 1989/142). Die Lehre tritt für den Entfall der Zurechnung des Enderfolges an den Erstverursacher auch schon dann ein, wenn das nachträgliche Fehlverhalten des Verletzten in bezug auf den bezeichneten Erfolg als grob fahrlässig (oder vorsätzlich) einzustufen ist (Burgstaller in Pallin-FS 42 f, Triffterer AT2 153 Rz 131).

Zum Verhalten des Verletzten Franz L***** nach der Tat traf das Erstgericht die Feststellungen, daß dieser zur Bar ging, seinen Wein austrank und anschließend das Lokal verließ. Über Schmerzen klagte er erst am nächsten Tag, worauf er schmerzstillende Tabletten einnahm. Am Morgen des darauffolgenden Tages waren die Schmerzen so stark, daß die Rettung gerufen wurde, doch verstarb Franz L***** um 7,15 Uhr an den Folgen der ihm vom Angeklagten zugefügten Verletzungen (linksseitige Serienrippenbrüche mit Stückbrüchen sowie einer Durchstechung des Rippenfelles und Eröffnung der dort gelegenen Blutaderäste und konsekutiver Blutung in die linke Brusthöhle) durch Verbluten (US 5). Weiters stellte das Erstgericht fest, daß die Betroffenen bei derartigen Verletzungen zunächst häufig glauben, daß sie lediglich Prellungen erlitten haben, und sich deshalb nicht in ärztliche Behandlung begeben. Bei unverzüglicher, konsequent durchgeführter ärztlicher Versorgung hätten diese Verletzungen voraussichtlich nicht zum Tode geführt (US 6).

Somit hat das Erstgericht mit hinlänglicher Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß dem Verletzten sein Lebensrisiko gar nicht bewußt geworden ist. Im Hinblick darauf kann daher die Unterlassung der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe keineswegs als grob fahrlässig, geschweige denn als für jeden vernünftigen Menschen schlechthin unbegreiflich gewertet werden. Demzufolge bedurfte es auch im Urteil keiner Auseinandersetzung mit der Äußerung der Lebensgefährtin des Verletzten, daß dieser die Verständigung der Rettung abgelehnt habe (58). Der geltend gemachte Feststellungsmangel liegt sohin nicht vor. Vielmehr wurde dem Beschwerdeführer die Todesfolge zu Recht zugerechnet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 86 StGB eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren.

Dabei wertete es als erschwerend "daß er wegen mehrerer, auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Taten bereits verurteilt wurde" sowie das Versetzen in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand, als mildernd hingegen das Geständnis.

Mit der Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an; sie ist nicht berechtigt.

Das Schöffengericht hat die Strafbemessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt und ihrem Gehalt entsprechend gewürdigt. Demgegenüber zeigt der Angeklagte keine Umstände auf, die eine Reduktion des bekämpften Strafmaßes rechtfertigen könnten.

Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers hat das Erstgericht nach Lage des Falles im Genuß von Alkohol zu Recht einen die mildernde Wirkung herabgesetzter Zurechnungsfähigkeit aufwiegenden Vorwurf gegen den Täter erblickt; mußte doch der Angeklagte schon auf Grund seiner bisherigen (wiederholt einschlägigen) Delinquenz damit rechnen, daß er im berauschten Zustand abermals strafbare Handlungen gegen Leib und Leben begehen könnte (Leukauf/Steininger Komm3 § 35 RN 3). Das Erstgericht hat aber auch richtigerweise die Verurteilungen aus dem Jahr 1988 und 1992 - jeweils wegen Sachbeschädigung - als einschlägig gewertet, beruhen sie doch auf dem gleichen Charaktermangel, nämlich der (durch Alkohol erhöhten) Aggressionsneigung des Angeklagten, die sich sowohl in Angriffen gegen Personen als auch gegen Sachen niederschlägt.

Berücksichtigt man die Umstände der Tatbegehung und schlägt das bereits mehrfach (einschlägig) belastete Vorleben des Angeklagten hinzu, so ist von einem derart gravierenden Schuld- und Unrechtsgehalt auszugehen, daß eine Herabsetzung der vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafe nicht in Erwägung gezogen werden konnte. Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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