OGH 15Os132/95

OGH15Os132/9512.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Oktober 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Bodner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Michael S***** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach § 209 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10.Februar 1995, GZ 3 a Vr 11899/92-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 18.Februar 1968 geborene Michael S***** wurde im zweiten Rechtsgang erneut des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und (in Tateinheit hiermit) des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach § 209 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er nach Vollendung des neunzehnten Lebensjahres am 27. September 1992 zwischen Münchendorf und Wien den am 16.September 1975 geborenen Peter H***** dadurch, daß er sich gegen dessen Schulter drückte, diesen somit am Aufstehen vom Beifahrersitz und am Verlassen des Fahrzeuges hinderte, dessen Glied in die Hand nahm und daran rieb, sohin außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt und mit dem Genannten, der das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Das Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5), die Urteilsbegründung sei unvollständig, in sich widersprechend und aktenwidrig, vermag keinen der behaupteten formalen Begründungsmängel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Zunächst ist der allgemein gehaltene Beschwerdevorwurf, das Erstgericht habe bei der Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Beweise mit Stillschweigen übergangen, mangels Konkretisierung einer sachbezogenen Erwiderung unzugänglich.

Inwiefern die Urteilskonstatierungen (vgl US 6 f: "..., daß der Anzeiger H***** ca. gegen 1.30 h voll bekleidet auf dem Beifahrersitz im PKW des Angeklagten gesetzt wurde, in weiterer Folge hielt der Angeklagte an, entkleidete das Opfer und fotografierte es. Der Zeuge H***** erwachte durch das Blitzen der Kamera") mit jenen (vgl US 4 f:

"Insgesamt setzte der Angeklagte trotz Gegenwehr H*****s die Unzuchtshandlungen ca 10 bis 15 Minuten fort. Nach diesem Zeitraum ließ der Angeklagte die Ankleidung des Opfers zu und brachte den Genannten gegen 5.30 h oder 6.30 h nach Hause.") in Widerspruch stehen und sich die darin festgestellten verschiedenen Tatsachen gegenseitig ausschließen sollen, ist den Beschwerdeausführungen nicht nachvollziehbar zu entnehmen.

Dies umsoweniger, als sich das Erstgericht gerade mit den (vom Beschwerdeführer unter Erstellung eines Zeitdiagramms aufgeworfenen) Fragen, "wie lange die Fahrzeit vom Ort der Party bis zum Aussteigen des Zeugen H***** gedauert hat" und "wo der Zeuge [H*****] die Zeitdifferenz von mehreren Stunden tatsächlich verbracht hat und was zwischenzeitig passierte, nachdem [soll nach dem Sinnzusammenhang heißen: bis] der Angeklagte den Zeugen hat aussteigen lassen und weitergefahren ist", in den - auf der Grundlage der als glaubwürdig beurteilten Aussagen der Zeugen Peter H***** (US 8 ff) und (bezüglich des Zeitpunktes des Heimkommens) seines Bruders Christian H***** (US 9 f letzter Absatz) beruhenden - Erwägungen ausführlich, aktengetreu, lebensnah und nachvollziehbar auseinandergesetzt hat. Daß es "die Art und Weise der Zubringung dieser Stunden" nicht restlos zu klären vermochte, begründet es zutreffend mit der "leugnenden Stellungnahme des Angeklagten" sowie mit der "Situation des in diesem Zeitraum großteils nicht wachen Opfers" (vgl insb US 10 f).

Keine entscheidenden (also weder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebenden) Tatsachen betreffen die weiteren drei Beschwerdeeinwände, die zitierten Urteilsfeststellungen seien aktenwidrig und unvollständig:

Die Richtigkeit des vom Schöffengericht in freier Beweiswürdigung aus der Aussage des Zeugen Christian H***** (253: "Nein, ich schaute nicht, ...") gezogenen Schlusses, Peter H***** sei bei seiner Heimkehr durch den Vorfall geschockt gewesen (US 7 dritter Absatz), kann zudem unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit überhaupt nicht angefochten werden (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 191).

Ob der Angeklagte darauf bestanden hat, den Jugendlichen Peter H***** nach Hause zu bringen, wie das Erstgericht konstatiert (US 5 zweiter Absatz), oder ob der Beschwerdeführer dies (nach seiner Verantwortung und der Aussage des Zeugen Hans F*****) aus Gefälligkeit gegenüber dem genannten Zeugen getan hat, ist für die Lösung der aktuellen Schuldfrage ebenso unerheblich wie die (in der Beschwerde vermißte) Beantwortung der Frage, "wo sich die sechs [fehlenden] Aufnahmen [vom Unzuchtsopfer] auf den Kassetten befinden". Im übrigen deponierte der Angeklagte in der Hauptverhandlung in diesem Zusammenhang selbst, die Negative auf der CD-Platte könnten problemlos gelöscht werden (67), wofür er in der Zeit vom 27.September 1992, 6.30 h (Rückkehr), bis zu seiner polizeilichen Einvernahme am 28.September 1992, 10 h (33 iVm 65), ausreichend Gelegenheit hatte.

Das gesamte Beschwerdevorbringen erschöpft sich demnach lediglich im Versuch, nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung die vom Erstgericht in einer Gesamtschau der vorhandenen Beweisergebnisse sowie unter Verwertung des persönlichen Eindrucks in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) gewonnene und fehlerfrei begründete Überzeugung von der Glaubwürdigkeit des (einzigen) Tatzeugen Peter H***** als verfehlt hinzustellen und der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hinwieder verfehlt eine gesetzmäßige Darstellung, weil sie nicht vom gesamten wesentlichen Urteilssachverhalt ausgeht, sondern bloß eine einzige Phase der im Urteil konstatierten Gewaltanwendung isoliert und abschwächend herausgreift, nämlich "daß sich der Angeklagte lediglich gegen die linke Schulter des Zeugen gedrückt habe", und allein daraus (unzulässig) folgert, daß "hier von der erforderlichen Erheblichkeit bzw einer hinreichend intensiven körperlichen Einwirkung keine Rede sein kann und daher die für die Anwendung des § 202 StGB vorliegende Gewalt nicht gegeben ist".

Solcherart übergeht der Beschwerdeführer indes alle weiteren im Zusammenhang zu berücksichtigenden Urteilskonstatierungen (vgl US 6 f, 9), denenzufolge der von Grund auf schüchterne, infolge des genossenen Alkohols besinnungslos oder schlafende Peter H***** plötzlich aufwachte, seine Nacktheit erkannte, deshalb zunächst nach seiner Kleidung griff, was jedoch der Angeklagte - wegen seiner Korpulenz dem Opfer überlegen - durch Niederdrücken zu unterbinden wußte, sodann vergebens die Fahrzeugtüre zu öffnen trachtete, worauf sich der Angeklagte gegen die linke Schulter des körperlich und kräftemäßig deutlich unterlegenen Jugendlichen drückte, ihn am Aufstehen bzw am Verlassen des PKWs hinderte und trotz Gegenwehr des Opfers die inkriminierten Unzuchtshandlungen ca 10 bis 15 Minuten lang fortsetzte.

Dieses gesamte entscheidende Tatsachensubstrat, läßt die Beschwerde aber weitestgehend außer acht; sie ist demnach insoweit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sonach gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß die Entscheidung über die Berufung in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien fällt (§ 285 i StPO).

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