OGH 2Ob574/95

OGH2Ob574/9512.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A.F*****, vertreten durch Dr.Michael Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich F*****, vorm. M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Ronald Rast und Dr.Christian Werner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 71.925,50 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20.Juni 1995, GZ 1 R 66/95-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handessachen Wien vom 5.Juli 1993, GZ 9 C 2086/92s-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Zuspruch von S 6.541,15 samt 12 % Zinsen ab 1.8.1991 zuzüglich 20 % USt aus den Zinsen richtet, zurückgewiesen; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten USt von S 811,84, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Zahlung von S 71.925,50 mit der Begründung, die beklagte Partei habe von den Rechnungen vom 2.4. und 8.4.1991 unberechtigte Skontoabzüge in der Höhe von S 4.693,50 und von S 1.695,-- getätigt; auf die Rechnung vom 30.7.1991 über den Gesamtbetrag von S 105.384,-- sei eine Akontozahlung von S 40.000,-- geleistet worden, sodaß aus dieser Rechnung ein Betrag von S 65.384,-- offenstehe; die Rechnung vom 22.8.1991 über S 2.250,-- sei zur Gänze offen.

Die beklagte Partei wendete ein, die der Rechnung vom 30.7.1991 über S 105.384,-- zugrundeliegende Lieferung einer Couch und zweier Fauteuils habe nicht dem Muster entsprochen, da die Farbe wesentlich dünkler als auf diesem gewesen sei; weiters sei ein Rabatt gewährt worden, sodaß der Endpreis S 94.845,60 ausgemacht habe. Der Skontoabzug hinsichtlich der beiden ersten Rechnungen sei zu Recht erfolgt; hinsichtlich der Rechnung vom 22.8.1991 wurde ausgeführt, daß ein Anrichte und ein Tisch ein gleiches höhenmäßiges Niveau hätten erreichen sollen, doch sei die Anrichte wesentlich höher als der Tisch gewesen. Dieser Mangel sei gerügt worden und habe die klagende Partei in der Folge die Niveauangleichung vorgenommen; ein Anspruch aus dieser Rechnung sei nicht gegeben, weil ein Verbesserungsanspruch bestanden habe und mit der Rechnung vom 22.8.1991 die Angleichungskosten geltend gemacht werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren kostenpflichtig statt, wobei es im wesentlichen von folgendem Sachverhalt ausging:

Über Bestellung der beklagten Partei erhielt diese von der klagenden Partei zu den Rechnungen Nr 1132 vom 2.4.1991 und Nr 1134 vom 8.4.1991 Warenlieferungen, wobei die beklagte Partei bei der ersten Rechnung einen Abzug von S 4.693,50 und bei der zweiten Rechnung einen solchen von S 1.625,-- tätigte. Zwischen den Streitteilen war sofortige Zahlung vereinbart, weshalb die klagende Partei einen bereits bei Rechnungslegung berücksichtigten Rabatt von 10 % unter der Bedingung der Sofortzahlung gewährte; darüber hinausgehende Abzüge wurden nicht vereinbart. Die von der beklagten Partei durchgeführten Abzüge gingen über die bereits berücksichtigten 10 % hinaus.

In weiterer Folge sah KR. Augustin F***** im Geschäftslokal der klagenden Partei eine Chesterfield Sitzbank, welche ihm farb- und ledermäßig zusagte. Er bestellte beim Geschäftsführer der klagenden Partei Dr.F***** eine derartige Sitzbank sowie zwei dazu passende Fauteuils. KR F***** wollte dabei eine farblich und ledermäßig der Mustersitzbank entsprechende Garnitur kaufen, doch wurde ihm schon bei der Bestellung von Dr.F***** gesagt, daß eine der Mustersitzbank völlig idente Herstellung aufgrund der Verwendung des Naturproduktes Leder nicht möglich sein werde. KR F***** nahm dies zur Kenntnis. Bei der Bestellung gewährte die klagende Partei auf dem Gesamtpreis von S 105.384,-- einen 10-%igen Nachlaß, dies allerdings unter der Bedingung der sofortigen Zahlung bei Lieferung.

In weiterer Folge übersandte Dr.F***** der beklagten Partei ein aus den zur Verarbeitung für die bestellten Waren bestimmten Fellen nach Gerbung und Einfärbung entnommenes Ledermuster. Dies war mit der beklagten Partei bei der Bestellung vereinbart worden, um die Zustimmung der beklagten Partei hinsichtlich Lederfarbe und Qualität einzuholen. Nachdem über Auftrag des Geschäftsführers der beklagten Partei der klagenden Partei die Zustimmung zur Verarbeitung der Felle erteilt wurde, ließ die klagende Partei die Chesterfield Sitzbank samt Fauteuils unter Verwendung jener Leder herstellen, von denen das übersandte Muster entnommen worden war.

In der Folge wurden sodann die gefertigten Waren an die beklagte Partei ausgeliefert. Zwischen den Ledern der nunmehr gelieferten Gegenstände und jenem auf der Mustersitzbank im Geschäftslokal der klagenden Partei sind äußerst geringe Griffunterschiede vorhanden, welche bei einer Weichheit-Griffprüfung kaum festzustellen sind. Weiters ist ein exakt nicht näher feststellbarer Farbunterschied gegeben. Die Qualität der zur Auslieferung gelangten Lederwaren war für Möbelzwecke entsprechend.

Zirka 2 Wochen nach Erhalt der fraglichen Lieferung bemängelte KR F***** die Farbe der gelieferten Sitzmöbel und leistete keine weitere Zahlung auf diese Rechnung.

Weiters war von der beklagten Partei bei der klagenden Partei ein Aktenordner bestellt worden, welcher in Italien bestellungsgemäß gefertigt wurde. Erst nach Lieferung dieses Aktenordners wünschte der Geschäftsführer der beklagten Partei, daß dieser die gleiche Höhe wie ein bei ihm im Büro bereits vorhandener Schreibtisch erreichen sollte. Die klagende Partei betraute mit der Kürzung eine Fremdwerkstätte, welche ihr hiefür S 2.750,-- in Rechnung stellte. Diese Fremdkosten wurden der beklagten Partei mit Rechnung vom 22.9.1991 in Rechnung gestellt, KR F***** sagte in einem persönlichen Gespräch mit Dr.F***** ausdrücklich die Begleichung dieser Rechnung zu.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die beklagte Partei zur Zahlung des gesamten Klagsbetrages verpflichtet sei, weil sie zwei nicht den Vereinbarungen entsprechende Skontoabzüge gemacht habe, weiters sei die Rechnung vom 30.7.1991 entgegen den vereinbarten Zahlungsbedingungen bei Lieferung nicht sofort ausbezahlt worden und habe sich die beklagte Partei zur Übernahme der Behebungskosten aus der vierten Rechnung bereit erklärt.

Gegen dieses Urteil erhob die klagende Partei Berufung. Zur Berufungsverhandlung vom 1.2.1994 erschien nur der Beklagtenvertreter, er entfernte sich ohne Antragstellung. Erst im Februar 1995 beantragte die klagende Partei die Fortsetzung des Berufungsverfahrens. In der Berufungsverhandlung vom 20.6.1995 erhob die beklagte Partei die Einrede der Verjährung, weil die Klage durch den Nichtbesuch der Berufungsverhandlung vom 1.2.1994 nicht gehörig fortgesetzt worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, die ordentliche Revision sei hinsichtlich der Forderung über S 65.384,-- nicht zulässig; hinsichtlich der Forderungen über S 4.693,50, S 1.625,-- und S 2.250,-- sei die Revision jedenfalls unzulässig.

Die in der Berufung geltend gemachte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, weil der Beklagtenvertreter von der ersten Befundaufnahme nicht verständigt wurde und ein neuer Termin zwar abberaumt, in der Folge jedoch nicht nachgeholt worden sei, verneinte das Berufungsgericht, weil der Sachverständige der Verpflichtung, die Parteien beizuziehen, durch schriftliche Verständigung mit telefonischer Terminvereinbarung ohnehin nachgekommen sei; überdies sei die Mängelrüge nicht gesetzgemäß ausgeführt.

Zur Frage der Verjährung führte das Berufungsgericht aus, daß gemäß § 1497 ABGB die Verjährung unterbrochen werde, wenn der Berechtigte die Klage einbringe und diese bis zu einem klagsstattgebenden Urteil gehörig fortsetze. Unterbrechungsgrund sei nicht die Klage, sondern das dem Kläger günstige Urteil. Ein derart günstiges Urteil habe aber der Kläger bereits erwirkt. Den Abschluß des Berufungsverfahrens habe aber die Beklagte selbst verhindert, weil sich der Beklagtenvertreter ohne Antragstellung entfernt und daher eine Verhandlung über seine Berufungsschrift vereitelt habe. Den Klagevertreter treffe weder eine Pflicht zur Erstattung der Berufungsbeantwortung noch zur Teilnahme an der Berufungsverhandlung, er hätte darauf vertrauen dürfen, daß die Berufungsverhandlungen auch in seiner Abwesenheit zu einer Sachentscheidung führen werde. Überdies falle der Verjährungseinwand auch unter das Neuerungsverbot des § 482 Abs 1 ZPO.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei nicht zuzulassen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist, soweit sie über die Forderung aus der Rechnung vom 30.7.1991 über restliche S 65.384,-- sA hinausgeht, unzulässig. Die übrigen Forderungen aus den Rechnungen vom 2. und 8.4.1991 und der Rechnung vom 22.8.1991 stehen weder untereinander noch mit der Rechnung vom 30.7.1991 in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang, weil sie weder aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können noch demselben Vertrag entspringen; vielmehr kann jeder einzelne Anspruch unabhängig von den anderen bestehen und ein eigenes rechtliches Schicksal haben (siehe Mayr in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 55 JN mwN). Gemäß § 55 Abs 1 JN sind daher die Ansprüche nicht zusammenzurechnen, so daß die Revision insoweit gemäß § 502 Abs 2 ZPO unzulässig ist.

Im übrigen ist sie aber zulässig, weil es zur Frage, ob die Einrede der Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Berufungsverfahrens gegen das Neuerungsverbot verstößt, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gibt. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, die klagende Partei hätte nach Ablauf der Ruhensfrist unverzüglich einen Fortsetzungsantrag stellen müssen; da sie dies nicht getan habe, liege keine gehörige Fortsetzung des Berufungsverfahrens vor, sodaß die Unterbrechungswirkung der Klagseinbringung nicht eingetreten sei.

Dieses Vorbringen widerspreche auch nicht dem Neuerungsverbot, da es ja in einem früherem Stadium nicht erstattet werden hätte können.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes sei die Berufung auch gesetzmäßig ausgeführt. Wenn die beklagte Partei in der Berufung die Vermutung aufgestellt habe der Kläger habe dem Sachverständigen nicht die seinerzeitige Musterbank gezeigt, stelle dies eine gesetzesgemäße Ausführung des Berufungsgrundes der Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar. Weiters sei in der Berufung gerügt worden, daß das Erstgericht, obwohl es von exakt nicht näher feststellbaren Farbunterschieden und Griffunterschieden ausging, nicht den Schluß der Mangelhaftigkeit des Kaufobjektes gezogen habe. Es könne nicht erkannt werden, warum diese Rüge nicht gesetzgemäß ausgeführt worden sei.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Was die Frage der Verjährung betrifft, wurde bereits mehrfach ausgesprochen, daß die Einrede der Verjährung nur bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz erhoben werden kann (1 Ob 555, 556/88; 6 Ob 562/80); dies entspricht auch der herrschenden Lehre (Schubert in Rummel2, Rz 1 zu § 1501). Auch wenn die Umstände, die zur Einrede der Verjährung führen - wie im vorliegenden Fall - erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden sind, steht das Neuerungsverbot deren Geltendmachung entgegen. Wenn nun die beklagte Partei im vorliegenden Fall einwendet, es sei deshalb Verjährung eingetreten, weil die klagende Partei das Berufungsverfahren nicht gehörig fortsetzte, so erhebt sie damit eine neue Einrede und stützt sie auf Tatumstände, die im Verfahren erster Instanz nicht hervorgekommen sind. Das Neuerungsverbot umfaßt aber sowohl nova producta als auch nova reperta (Rechberger/Simotta, Zivilprozeßrecht4 Rz 825). Sind die Tatsachen, die den materiellen Anspruch aufheben (zB Verjährung) oder hemmen erst nach dem Zeitpunkt entstanden, zu dem bereits das Neuerungsverbot galt, also nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz, so sind sie mit Oppositionsklage geltend zu machen (Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2, Rz 346).

Der Verjährungseinwand der beklagten Partei verstößt daher gegen das Neuerungsverbot des § 482 ZPO, sodaß darauf nicht einzugehen und nicht zu prüfen ist, ob er berechtigt ist.

Für die Entscheidung unbeachtlich ist schließlich die Frage, ob die der beklagten Partei gelieferte Chesterfield Sitzbank dem bei der Bestellung vorhandenen Exemplar im Geschäftslokal der klagenden Partei entspricht oder nicht und ob insoweit das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausging, die Berufung sei nicht gesetzmäßig ausgeführt. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellung des Erstgerichtes wurde KR F***** vom Geschäftsführer der klagenden Partei bereits bei der Bestellung darauf hingewiesen, daß eine der Mustersitzbank völlig idente Herstellung aufgrund der Verwendung des Naturproduktes Leder nicht möglich sei. Es wurde vielmehr vereinbart, daß die klagende Partei der beklagten Partei ein Ledermuster übermitteln sollte um sich die Zustimmung hinsichtlich der Lederfarbe und Qualität einzuholen. Die von der klagenden Partei gelieferte Sitzbank samt Fauteuils entsprach jenem Muster dem die beklagte Partei die Genehmigung erteilt hatte. Es wurde somit zwischen den Parteien ein Kauf nach Probe (bzw nach Muster) abgeschlossen und sind die Eigenschaften des Musters als ausdrücklich bedungene bzw zugesagte Eigenschaften im Sinne des Gewährleistungsrechtes anzusehen (Kramer in Straube, HGB I2, Rz 2 zu Art 8 Nr 17 EVHGB). Das Vorweisen eines Musters oder die Übergabe einer Probe ist eine Art, einer Sache Eigenschaften beizulegen (Mayer-Maly, in Klang, IV/22, 899). Liegen Mängel vor, die schon aus der Probe erkennbar sind, muß der Käufer gleich und nicht erst nach der Hauptlieferung beanstanden (Mayer-Maly, aaO, 900 mwN). Da nun im vorliegenden Fall, das von der beklagten Partei beanstandete Leder dem Muster entsprach, liegt kein Mangel vor, sodaß die beklagte Partei das Entgelt zu bezahlen hat.

Der unberechtigten Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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