OGH 6Ob628/95

OGH6Ob628/9512.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich B*****, vertreten durch Dr.Thomas Prader, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Herlinde D*****, vertreten durch Dr.Heinz-Wilhelm Stenzel, Dr.Gernot Pettauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 232.697,71 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 25.Jänner 1995, AZ 41 R 1045/94 (ON 28), womit der Berufung der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 12.September 1994, GZ 16 C 54/93-22, nicht stattgegeben und das angefochtene Zwischenurteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Berufungsurteil und das erstinstanzliche Zwischenurteil werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz rückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte vermietete dem Kläger mit Mietvertrag vom 11.11.1984 Geschäftsräumlichkeiten in ihrem Haus im 16.Wiener Gemeindebezirk. Das Mietobjekt bestand aus einem Arbeits- und einem Verkaufsraum, einem Lagerraum, einem Waschraum und einem Arbeitsraum im Parterre sowie zwei Arbeitsräumen im ersten Stock. Dem Kläger wurde das Recht eingeräumt, eine Räumlichkeit im ersten Stock als Wohnbüro zu verwenden (§ 2 des Mietvertrags Beil.B). Es wurde vereinbart, daß die Vornahme aller baulichen Veränderungen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Vermieterin bedürfe und daß die vom Kläger getätigten baulichen Investitionen nach Beendigung des Bestandverhältnisses ersatzlos in das Eigentum des Vermieters übergingen. Die Vermieterin sei nicht verpflichtet, für bauliche Aufwendungen dem Kläger Kostenersatz zu leisten (§ 7 des Mietvertrags). Die Vermieterin räumte dem Mieter das Recht ein, einen Nachmieter zu präsentieren. Bei Genehmigung des Nachmieters durch die Vermieterin sei der Mieter verpflichtet, vom Nachmieter für die getätigten Aufwendungen eine Investitionsablöse zu verlangen, die Vermieterin wäre diesbezüglich schadlos zu halten (§ 8 des Mietvertrags).

Der Kläger renovierte die Räumlichkeiten des Bestandobjektes und zog im April 1985 gemeinsam mit seiner (späteren) Gattin in das Mietobjekt ein.

Mit der am 22.1.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger die Bezahlung von S 232.679,71 sA als Ersatz der von ihm im Mietobjekt getätigten Investitionen an Gasleitungen, Elektroinstallationen, Heizungsanlage und Sanitärinstallationen sowie an Fußböden, Fenstern, Wänden und Decken, an einem Stiegenaufgang sowie für Trockenlegungsmaßnahmen. Er habe zum 31.8.1992 das Mietverhältnis aufgekündigt und das Bestandobjekt geräumt. Der Kläger habe der Vermieterin mit Schreiben vom 29.9.1992 einen Nachmieter präsentiert, der bereit gewesen wäre, die Investitionen zu ersetzen. Die Beklagte habe den Nachmieter grundlos abgelehnt.

Die vom Kläger durchgeführten Arbeiten seien nützlich gewesen und hätten zu einer Verbesserung des Mietobjektes geführt. Das Mietobjekt sei von Anfang an im Einverständnis mit der Beklagten sowohl als Büro als auch als Wohnung benützt worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Parteien hätten vereinbart, daß bauliche Investitionen des Mieters ersatzlos in das Eigentum der Vermieterin übergingen. Die durchgeführten Arbeiten seien mangelhaft gewesen. Die Behebung der Schäden und Mängel an der Elektroinstallationsanlage, an den Abwasserrohren und am Kamin erforderten Aufwendungen von S 49.980,--, S 28.437,60 und S 65.000,--. Die Beklagte habe weiters noch eine Mietzinsforderung von S 40.626,22 und von S 5.057,84. Die genannten Aufwendungen und Mietzinsforderungen wandte die Beklagte compensando ein.

Mit seinem Zwischenurteil stellte das Erstgericht den Anspruch des Klägers auf Kostenersatz für die von ihm durchgeführten Investitionen als dem Grunde nach zu Recht bestehend fest. Das Erstgericht nahm neben dem schon wiedergegebenen Sachverhalt im wesentlichen noch als erwiesen an, daß der Beklagten von Anfang an bewußt gewesen sei, daß der Kläger gemeinsam mit seiner Gattin das Mietobjekt auch bewohnen werde und daß der Kläger und seine Gattin nach der Geburt ihrer beiden Kinder (in den Jahren 1986 und 1990) mit diesen das Mietobjekt bewohnt hätten.

Der Kläger habe der Beklagten einen Nachmieter präsentiert. Dieser habe die Räumlichkeiten für Geschäfts- und Wohnzwecke anmieten wollen und habe beabsichtigt, im Parterre ein Büro einzurichten und den ersten Stock für Wohnzwecke zu verwenden. Der Nachmieter sei mit einer Investitionsablöse von S 300.000,-- einverstanden gewesen. Bei einem Gespräch des Klägers und des Nachmieters mit dem Sohn der Vermieterin habe letzterer erklärt, daß die Räumlichkeiten nicht weitervermietet, sondern wegen Eigenbedarfs benötigt werden würden. Im Schreiben vom 22.5.1990 habe die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, daß eine Untervermietung bzw. Weitervermietung sich infolge Eigenbedarfs erübrige. Verhandlungen könnten nur mit ihrem Sohn oder ihr stattfinden.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß gemäß § 1097 ABGB der Bestandnehmer als ein Geschäftsführer ohne Auftrag angesehen werde, wenn er auf das Bestandstück einen nützlichen Aufwand gemacht habe. Ein Vorausverzicht auf diesen Aufwandersatz sei nach ständiger Rechtsprechung zulässig. Wenn der Kläger im Mietvertrag jedoch nur auf den Ersatz von getätigten baulichen Investitionen verzichtet habe, könne daraus nicht geschlossen werden, daß er auf den Kostenersatz für sämtliche Sanierungsarbeiten wie beispielsweise auf den Einbau neuer Elektroinstallationen verzichtet habe. Die Beklagte habe selbst angegeben, daß eine marktgerechte Miete dem Kläger verrechnet worden wäre, wenn alle Investitionen von ihm durchgeführt und abgeschlossen gewesen wären. Daraus ergebe sich gerade nicht, daß sämtliche Investitionen in das Eigentum der Vermieterin übergehen sollten. Das Recht, einen Nachmieter zu präsentieren, sei vereinbart worden. Eine einseitige Auflösung dieser Bestimmung habe die Beklagte mit Schreiben vom 22.5.1990 nicht vornehmen können. Der präsentierte Nachmieter hätte die Räumlichkeiten in etwa wie der Kläger benützt. Die Beklagte habe zwar Eigenbedarf am Bestandobjekt geltend machen können, sie sei jedoch nach dem Mietvertrag verpflichtet, die vom Kläger getätigten Aufwendungen zu bezahlen, um zu vermeiden, daß dem Kläger ein Schaden erwachse.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht statt und bestätigte das Zwischenurteil mit der Maßgabe, daß die Klagsforderung von S 232.679,71 als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt wurde. Das Berufungsgericht erledigte die Beweisrüge zum Thema einer vereinbarungswidrigen Ausdehnung der Benützung des Bestandobjektes zu Wohnzwecken nicht, ging im übrigen von den Feststellungen des Erstgerichtes aus und vertrat rechtlich die Auffassung, daß es sich bei den vom Kläger geltend gemachten Investitionen um bauliche Investitionen bzw. bauliche Aufwendungen im Sinne des Mietvertrages handle. Die Ablehnung des präsentierten Nachmieters durch die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen. Beim vorliegenden Bestandobjekt, das sowohl zu Wohn- als auch Geschäftszwecken benutzt worden sei, hätte die Beklagte beweisen müssen, daß eine Vermietung zu überwiegenden Geschäftszwecken erfolgt sei. Die Parteien seien aber davon ausgegangen, daß der Kläger den Mietgegenstand sowohl für seine künstlerische Tätigkeit als auch zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses verwende. Der Wohnzweck sei keineswegs in den Hintergrund getreten. Daran ändere sich auch nichts, wenn der für den Wohnbereich genutzte Teil des Objektes nur ein Drittel der Gesamtnutzfläche ausgemacht habe. Es stelle daher auch die vom Nachmieter beabsichtigte gemischte Nutzung des Objektes keinen berechtigten Ablehnungsgrund dar. Beim Präsentationsrecht des Vormieters handle es sich um einen Vorvertrag zugunsten Dritter. Die Beklagte habe sich verpflichtet, mit einem vom Kläger vorgeschlagenen geeigneten Dritten einen neuen Mietvertrag abzuschließen. Sie habe zu Unrecht den Abschluß eines Mietvertrages abgelehnt. Die Verletzung dieser vertraglichen Verpflichtung mache die Beklagte schadenersatzpflichtig. Der Kläger sei so zu stellen, als hätte die Beklagte mit dem präsentierten Nachmieter einen Mietvertrag abgeschlossen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß eine ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Mit ihrer außerordentlichen Revision begehrt die Beklagte die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dahin, daß die Klage abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, der Revision nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Ergebnis im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Kläger stützt sein Investitionsersatzbegehren auf sein vertragliches Recht, einen zum Ersatz der Aufwendungen bereiten Nachmieter präsentieren zu dürfen. Für die Frage, ob die Beklagte den präsentierten Nachmieter ablehnen durfte, weil er das Mietobjekt nicht zu denselben Bedingungen wie der Vormieter, sondern überwiegend zu Wohnzwecken mieten habe wollen, käme es auf die Absicht der Parteien bei Abschluß des Mietvertrages über die Verwendung des Mietobjektes an. Aus der gesetzlichen Bestimmung über Vereinbarungen zur Höhe des Hauptmietzinses (§ 16 MRG) hat die oberstgerichtliche Rechtsprechung bei einer nach dem Mietvertrag zulässigen gemischten Verwendung des Mietobjektes sowohl zu Wohn- als auch zu Geschäftszwecken abgeleitet, daß das Mietobjekt als Wohnung anzusehen ist, es sei denn, daß die Verwendung (im Sinne der vertraglichen Widmung) zu Geschäftszwecken diejenige zu Wohnzwecken bedeutend überwiegt (MietSlg XXXVIII/7). Dieser Grundsatz gilt auch für die Beurteilung eines gemischt verwendeten Mietobjektes als Wohnraum im Sinne des § 10 MRG (MietSlg 45.247).

Die Vorinstanzen haben ein Überwiegen zu Geschäftszwecken verneint. Auf die dagegen ins Treffen geführten Revisionsausführungen braucht hier aber nicht eingegangen werden, weil unbekämpft festgestellt wurde, daß der Sohn der Beklagten bei einem gemeinsamen Gespräch mit dem Kläger und dem präsentierten Nachmieter erklärt habe, daß die Räumlichkeiten wegen Eigenbedarfs nicht weiter vermietet werden würden. Da weiters ein Schreiben der Beklagten vom 22.5.1990 an den Kläger festgestellt wurde, wonach eine weitere Vermietung sich infolge Eigenbedarfs erübrige und Verhandlungen nur mit dem Sohn der Beklagten oder ihr selbst stattfinden könnten (Feststellungen S.7 f in ON 22; Beil.3), hat die Beklagte wegen der offenkundigen Bevollmächtigung ihres Sohnes dessen Ablehnung des Nachmieters wegen Eigenbedarfs gegen sich gelten zu lassen.

Die Vereinbarung über ein Präsentationsrecht eines Nachmieters im Zusammenhang mit auf diesen zu überwälzenden Investitionskosten, die ohne vertragliche Regelung die Vermieterin dem Mieter zu ersetzen hätte, ist nach dem Geschäftszweck (§ 914 ABGB) dahin auszulegen, daß im Falle grundloser Ablehnung des präsentierten Nachmieters durch die Vermieterin diese schadenersatzpflichtig wird. Der grundlosen Ablehnung ist der Fall gleichzuhalten, wo die Ablehnung ausschließlich im Interesse der Vermieterin begründet ist und keinerlei in der Sphäre des Vormieters gelegene Ablehnungsgründe vorhanden sind.

Die Sache ist jedoch aus einem bisher unbeachtet gebliebenen Grund noch nicht (im Sinne des Standpunkts des Klägers) spruchreif. Der Kläger selbst behauptete eine Aufkündigung des Mietverhältnisses zum 31.8.1992 und eine Räumung des Mietobjektes zu diesem Zeitpunkt. Erst mit Schreiben vom 29.9.1992 habe er einen Nachmieter namhaft gemacht (S.2 der Klage). Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch zur Ausübung seines Präsentationsrechtes wegen der schon zuvor erfolgten Auflösung des Mietverhältnisses nicht mehr legitimiert. Die Geltendmachung vertraglicher Rechte setzt die Wirksamkeit des Vertrages voraus. Das Präsentationsrecht kann nur bei noch aufrechtem Mietverhältnis geltend gemacht werden. Schon die Vorinstanzen hätten auf diese Rechtslage Bedacht nehmen und dem Kläger Gelegenheit zur Ergänzung seines Parteivorbringens geben müssen. Dies wäre schon unter dem Gesichtspunkt erforderlich gewesen, daß die Parteien nicht mit einer von ihnen nicht bedachten Rechtsauffassung überrascht werden dürfen. Das Gericht hat das erstattete Sachvorbringen nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und im Rahmen seiner Anleitungspflicht nach § 182 Abs.1 ZPO gegebenenfalls auf eine Ergänzung zu dringen. Da auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen darf (MietSlg 34.719), waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Das Erstgericht wird mit den Parteien die Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens in der Frage der Legitimation des Klägers zur Geltendmachung seines mietvertraglichen Präsentationsrechtes nach Auflösung des Mietverhältnisses zu erörtern haben. Dabei wird dem Kläger Gelegenheit zu geben sein, das Sachvorbringen zu ergänzen (allenfalls zur behaupteten Geltendmachung des Investitionsersatzes am 13.5.1992, S.2 der Klage sowie zum Ablehnungsschreiben Beil.3).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Stichworte