OGH 6Ob629/95

OGH6Ob629/9512.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Cäcilia F*****, vertreten durch Dr.Friedrich Wennig, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich G*****, vertreten durch Dr.Eva Wexberg, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 12.Jänner 1995, AZ 43 R 2096/94 (ON 106), womit der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 12.Augusst 1994, GZ 3 C 7/90-102, nicht stattgegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 19.2.1986 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden.

Mit der am 25.7.1988 zu gerichtlichem Protokoll gegebenen Klage begehrte die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten zu monatlichen Unterhaltszahlungen von S 5.000,--. Sie sei Epileptikerin und arbeitsunfähig. Sie verfüge über kein Einkommen, kein Vermögen und lebe von der Notstandshilfe (ON 1).

In der Tagsatzung vom 9.11.1988 dehnte die Klägerin das Unterhaltsbegehren für die Zeit ab Dezember 1985 bis April 1986 auf Bezahlung von S 3.000,-- monatlich und ab 1.4.1986 von S 5.000,-- monatlich aus (S.1 zu ON 12).

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Klägerin könne in ihrem erlernten Beruf als Schneiderin oder als Verkäuferin arbeiten. Der Beklagte verdiene nur S 3.300,-- im Monat (S.1 zu ON 6). Die Parteien hafteten gemeinsam für einen Kredit von ca. S 350.000,--. Für die Rückzahlung dieses Kredits werde der Beklagte allein in Anspruch genommen. Seine Rückzahlungen müßten auf die Unterhaltsverpflichtung angerechnet werden (S.2 zu ON 12).

Die Klägerin müsse sich die ihr von der Magistratsabteilung 12 der Stadt Wien (als Sozialhilfeleistung) gewährten Dauerleistungen von S 5.820,-- monatlich als eigenes Einkommen auf die Unterhaltszahlungen anrechnen lassen (S.4 zu ON 27).

Mit Urteil vom 22.4.1992 erkannte das Erstgericht den Beklagten im ersten Rechtsgang für schuldig, der Klägerin den Betrag von S 132.280,-- an rückständigem Unterhalt für die Zeit vom 25.7.1988 bis 18.8.1991 und einen laufenden Unterhalt ab 19.8.1991 von monatlich S 5.000,-- zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 3.000,-- monatlich für die Zeit vom 25.7. bis 31.12.1988 und von S 1.300,-- monatlich für das Jahr 1990 "sowie an Unterhalt für die Zeit von September 1985 bis 24.7.1988" wurde abgewiesen (ON 72).

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil in seinem klagsstattgebenden Teil über Berufung des Beklagten mit Beschluß vom 30.11.1992 zur Verfahrensergänzung zum Thema der Arbeitsfähigkeit der Frau auf. Zum Thema der Einrechnung oder Nichteinrechnung der Sozialhilfebezüge der Frau vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß eine abschließende Stellungnahme "derzeit noch nicht möglich" sei. Dazu bedürfe es Feststellungen darüber, unter welchen Voraussetzungen die Sozialhilfe gewährt worden sei und welchen Inhalt die Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Sozialhilfeträger über die Rückzahlung der Sozialhilfebeträge gehabt habe (ON 78).

Mit Urteil vom 12.8.1994 erkannte das Erstgericht den Beklagten im zweiten Rechtsgang für schuldig, der Klägerin einen Betrag von S 132.280,-- an rückständigem Unterhalt für die Zeit vom 25.7.1988 bis 18.8.1991, einen Unterhalt von monatlich S 5.000,-- für die Zeit vom 19.8.1991 bis 31.1.1992, insgesamt also S 27.000,-- und ab 1.2.1992 einen monatlichen Unterhalt von S 2.500,-- zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 2.500,-- monatlich ab 1.2.1992 wurde abgewiesen.

Das Erstgericht stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Bei der Scheidung der Ehe der Parteien aus dem Alleinverschulden des Beklagten sei weder eine Unterhaltsvereinbarung noch eine Vereinbarung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens getroffen worden. Die Klägerin leide an epileptischen Anfällen. Durch die mehrmals monatlich auftretenden Anfälle sei sie in ihren möglichen beruflichen Tätigkeiten eingeschränkt. Sie habe seit 1980 tatsächlich nichts mehr gearbeitet. Davor sei sie einige Jahre als Verkäuferin tätig gewesen und habe gemeinsam mit dem Beklagten auch das Marktfierantengewerbe ausgeübt. Die Klägerin habe seit 1987 Aushilfen der Magistratsabteilung 12 in wechselnder Höhe zwischen S 2.929,-- und S 8.214,-- monatlich bezogen, derzeit beziehe sie eine Aushilfe von S 5.820,-- monatlich. Die Klägerin habe mit dem Sozialreferat eine Vereinbarung getroffen, wonach sie die Sozialhilfe ab Juni 1987 zurückzahlen werde, soferne sie Alimente vom Beklagten bekomme. Die Klägerin sei nicht arbeitsfähig. Aufgrund ihrer epileptischen Anfälle leide die Klägerin an einer Depression. Sie könne in einen Arbeitsprozeß nicht eingegliedert werden. Sie könnte höchstens auf dem geschützten Arbeitsmarkt eingesetzt werden. Eine Vermittelbarkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei für die Zeit ab 25.7.1988 ausgeschlossen.

Der Beklagte habe als Hausarbeiter seit 19.8.1991 durchschnittlich S 15.793,30 monatlich netto verdient. Vom 5.5.1986 bis 9.4.1987 habe er mit einer Unterbrechung vom 19.9. bis 22.11.1986 Notstandshilfe von S 134,10 täglich bezogen. Vom 10.4. bis 18.6.1987 und vom 3.8. bis 30.11.1987 sowie vom 11.1. bis 14.11.1988 habe er monatlich S 3.300,-- bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden verdient. Im Jahr 1989 habe er monatlich S 15.842,-- netto und im Jahr 1990 S 11.292,-- durchschnittlich im Monat netto verdient. Danach habe er bis zur Anstellung bei seinem derzeitigen Arbeitgeber Kranken- und Arbeitslosengeld in der Höhe von monatlich ca. S 7.000,-- bezogen. Er sei bis Oktober 1987 für eine Tochter mit zuletzt S 1.200,-- monatlich sorgepflichtig gewesen. Für die Klägerin habe er seit der Scheidung keinerlei Unterhalt bezahlt.

Der Beklagte habe nach seinem Ausscheiden von der Firma Schiebel Arbeitslosengeld in der Höhe von S 297,70 in der Zeit vom 11.5.1992 bis 22.8.1992 und in der Zeit vom 27.10. bis 1.12.1992 bezogen, ab 2.12.1992 eine Notstandshilfe von S 273,90 täglich. Das letzte Dienstverhältnis des Beklagten sei im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber gelöst worden. Seither habe sich der Beklagte um Arbeit bemüht, aber keine gefunden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß der Klägerin als schuldlos geschiedener Gattin gemäß § 66 EheG ein Unterhaltsanspruch in der Höhe von ca. einem Drittel des Nettoeinkommens des Beklagten zustehe. Aufgrund ihrer Erkrankung sei ihr eine Erwerbstätigkeit nicht zumutbar. Die Daueraushilfsleistungen der Magistratsabteilung 12 stellten kein Einkommen der Klägerin dar, weil die Aushilfen für den Fall der Verpflichtung des Beklagten zu einer Unterhaltsleistung von der Klägerin auch wieder zurückgezahlt werden müßten. Die vom Beklagten für die während der Ehe aufgenommenen Belastungen geleisteten Kreditrückzahlungen seien nicht auf die Unterhaltsverpflichtung anzurechnen. Dieser Umstand hätte in einem Aufteilungsverfahren berücksichtigt werden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht statt. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, daß die von der Klägerin bezogenen Sozialhilfeleistungen nicht als eigenes Einkommen der Klägerin zu werten seien, weil der Sozialhilfeträger von der Klägerin für den Fall des Zuspruchs von Unterhaltsbeiträgen Anspruch auf Ersatz erhoben habe. Eine Erörterung darüber, unter welchen Voraussetzungen die Sozialhilfe gewährt worden sei, erübrige sich im Hinblick auf die Vereinbarung der Klägerin mit dem Sozialreferat über eine Zurückzahlung der Sozialhilfe, soferne die Klägerin Alimente vom Beklagten bekomme. Nach der in SZ 55/129 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ruhe die Unterhaltspflicht dann, wenn der Unterhaltsberechtigte von einem Dritten eine ausreichende Verpflegung erhalte und der Dritte keinen Anspruch auf Ersatz erhebe. Im vorliegenden Fall habe der Sozialhilfeträger aber einen Anspruch auf Ersatz erhoben. Die Ausmessung des nach § 66 EheG der Klägerin zustehenden Unterhalts sei nach den Grundsätzen des § 94 ABGB vorzunehmen. Danach bestünden gegen die Heranziehung von rund einem Drittel des Nettoeinkommens des unterhaltspflichtigen Ehegatten keine Bedenken. Für den Zeitraum, in dem der Beklagte bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von nur 20 Stunden monatlich S 3.300,-- ins Verdienen gebracht habe, sei in Anwendung der Anspannungstheorie von einem fiktiven Einkommen in der doppelten Höhe auszugehen gewesen. Für diese Zeit sei der vom Erstgericht festgesetzte Unterhaltsbeitrag von S 2.000,-- monatlich nicht zu beanstanden.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils dahin, daß die Unterhaltsklage abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Klägerin wurde die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt. Sie beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die unterhaltsberechtigte Klägerin hat nach den erstinstanzlichen Feststellungen Geldaushilfen des Wiener Sozialhilfeträgers "in wechselnder Höhe zwischen S 2.929,-- und S 8.214,--" monatlich bezogen und bezieht derzeit eine Aushilfe von S 5.820,--. Sie hat mit dem Sozialreferat eine Vereinbarung getroffen, wonach sie die Sozialhilfe ab Juni 1987 zurückzuzahlen hat, soferne sie Alimente vom Beklagten erhält (S.4 in ON 102). Im Hinblick auf diese Vereinbarung (bzw. auf das der Vereinbarung zugrundeliegende Verlangen des Sozialhilfeträgers auf Rückersatz) hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf die in SZ 55/129 veröffentlichte Entscheidung eine nähere Erörterung über die rechtlichen Grundlagen der von der Klägerin bezogenen Geldaushilfe für entbehrlich erachtet, die Legitimation der Klägerin zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs bejaht und die bezogenen Geldaushilfen bei der Unterhaltsbemessung unberücksichtigt gelassen.

Der Revisionswerber verweist zutreffend (wenn auch ohne Zitate) auf eine nicht ganz einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Anrechenbarkeit von Sozialhilfebezügen des Unterhaltsberechtigten auf seinen Unterhaltsanspruch sowie seine Legitimation zur Geltendmachung dieser Unterhaltsansprüche.

In der oberstgerichtlichen Rechtsprechung wurde der Grundsatz entwickelt, daß eine Person, deren Unterhaltsbedürfnisse aufgrund einer öffentlichen Verpflichtung zur Gänze von einem Dritten gedeckt werden, schon deswegen keine Unterhaltsansprüche gegen einen zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen stellen kann, weil ihr ein Anspuch auf Doppelversorgung nicht zusteht (SZ 55/129 mwN; EFSlg 55.955). An dieser Rechtsauffassung hat der Oberste Gerichtshof auch in den beiden Entscheidungen SZ 60/71 und 191 zwar grundsätzlich festgehalten, eine Einschränkung aber dort für nötig erachtet, wo der (Landes-)Gesetzgeber dem Sozialhilfeträger einen Ersatzanspruch gegen den Unterhaltsverpflichteten einräumt und eine (aufgeschobene) Legalzession anordnet, was das weitere Bestehen des Anspruchs des Unterhaltsberechtigten voraussetze. Die von der Judikatur befürchtete Doppelversorgung des Unterhaltsberechtigten trete auch bei aufgeschobener Legalzession regelmäßig nicht ein, weil es der den Lebensbedarf gewährende Rechtsträger jederzeit in der Hand habe, den Rechtsübergang zu bewirken. Könne er aber die entsprechenden Ersatzleistungen auch vom Unterhaltsberechtigten (Sozialhilfeempfänger) problemlos hereinbringen, dann werde er darauf verzichten. Der Unterhaltsanspruch des Sozialhilfeempfängers sei daher nicht erloschen (SZ 60/191). Die Ansicht, daß Sozialhilfeleistungen mangels einer schriftlichen Anzeige des Rechtsübergangs gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten nicht auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen seien, der Unterhaltsberechtigte also noch sachlegitimiert sei, wurde mehrfach vertreten (ÖA 1988, 49; 8 Ob 550/89 = EFSlg XXVI/2; 8 Ob 621/90 unter ausdrücklicher Billigung der zitierten Entscheidung SZ 60/191).

Unstrittig ist, daß nach Wirksamwerden der Zession (also nach Verständigung des Unterhaltsschuldners gemäß § 1396 ABGB; eine solche Verständigung ordnen auch die entsprechenden Landesgesetze an) nur noch der Sozialhilfeträger als Zessionar zur Geltendmachung des zedierten Unterhaltsanspruchs berechtigt ist. Für die Zeit davor wurde der Ansicht, daß aus der Anordnung einer Legalzession zugunsten des Sozialhilfeträgers zu schließen sei, daß der Unterhaltsanspruch des Sozialhilfeempfängers noch nicht erloschen sei, allerdings auch in manchen oberstgerichtlichen Entscheidungen entgegengetreten. Durch die Erbringung der Sozialhilfeleistung zur Befriedigung von Bedürfnissen, die sich aus § 672 ABGB ergeben, würden die Bedürfnisse tatsächlich befriedigt werden und es bestehe demnach ein Anspruch auf nochmalige Befriedigung nicht mehr. Nur der Sozialleistungsträger habe gegen den Unterhaltspflichtigen unter gewissen Umständen aufgrund einer Legalzession einen Ersatzanspruch (RZ 1990/24). Auch in der in EFSlg 55.955 teilweise veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes wurde die Ansicht vertreten, daß dem Unterhaltsberechtigten ein Unterhaltsanspruch deshalb nicht zustehe, weil der Unterhaltsbedarf in der geltend gemachten Höhe vom Sozialversicherungsträger gedeckt worden sei.

In Kenntnis dieser nicht ganz einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (pars pro toto: SZ 60/191 gegenüber RZ 1990/24) hat der erkennende Senat sich grundsätzlich der vom Obersten Gerichtshof mehrheitlich vertretenen Auffassung angeschlossen, daß vor Wirksamwerden der Legalzession der Unterhaltsanspruch des Sozialhilfeempfängers noch nicht erloschen sei. Das Gebot der Vermeidung zweckwidriger Doppelversorgung zwinge zur dogmatischen Konstruktion, daß die Unterhaltsforderungen des Sozialhilfeempfängers im Umfang der bescheidmäßig zuerkannten zeitlich und sachlich kongruenten Sozialhilfeleistungen vor dem Wirksamwerden des gesetzlich vorgesehenen Forderungsübergangs zwar in der Rechtszuständigkeit des Sozialhilfeempfängers entstünden und zunächst auch bei ihm verblieben, daß diese Forderungen aber inhaltlich in der Weise beschränkt seien, als sie nur noch im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs verwertbar seien. Dies bedeute, daß im Falle eines Unterhaltsbestimmungsantrages des Sozialhilfeempfängers gegen seinen Unterhaltsschuldner die Bemessung unter Außerachtlassung der - ihrem Zweck nach jedem Unterhaltsanspruch dem Subsidiaritätsgedanken gemäß nachgeordneten - Sozialhilfeleistungen zu erfolgen, ein Leistungsbefehl an den Unterhaltsgläubiger aber zu unterbleiben habe. Über den Unterhaltsantrag sei mit Feststellungsausspruch zu entscheiden (6 Ob 569/91).

Aus dem kursorisch wiedergegebenen Überblick über die oberstgerichtliche Judikatur geht zunächst hervor, daß Einhelligkeit darüber besteht, daß nach einem wirksamen Forderungsübergang nur noch der Sozialhilfeträger, nicht aber der Unterhaltsberechtigte gegen den Unterhaltsschuldner vorgehen kann. Einheitlichkeit der Meinungen besteht wohl auch darin, daß ein Unterhaltsanspruch des Sozialhilfeempfängers zu verneinen ist, wenn dem Sozialhilfeträger vom Gesetzgeber kein Ersatzanspruch eingeräumt wurde, also insbesondere auch keine Legalzession normiert ist. Der Unterhaltsberechtigte soll nicht "doppelversorgt" werden (SZ 55/129; 8 Ob 591/91).

In der uneinheitlich gelösten Frage der Sachlegitimation des unterhaltsberechtigten Sozialhilfeempfängers bei einer im Gesetz angeordneten aufgeschobenen Legalzession sieht sich der erkennende Senat nicht veranlaßt, von seiner zitierten Spruchpraxis (6 Ob 569/91) wieder abzuweichen. Im vorliegenden Fall kann daher wegen des bloßen Umstandes des Bezugs von Sozialhilfe durch die Klägerin und wegen ihrer mit dem Sozialhilfeträger über den Ersatz der bezogenen Sozialhilfe abgeschlossenen Vereinbarung die Sachlegitimation zur Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs weder bejaht noch verneint werden. Hiezu sind weitere Feststellungen über die Art und das konkrete Ausmaß der Sozialhilfe in den einzelnen Bezugsmonaten sowie die Prüfung der Rechtslage nach dem Wiener Sozialhilfegesetz - WSHG idgF LGBl 1993/50 erforderlich. Nach § 1 Abs.2 WSHG umfaßt die Sozialhilfe die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes. Darauf besteht ein Rechtsanspruch (§ 7 leg. cit.). Zum Lebensbedarf gehört ua der Lebensunterhalt (§ 11 Abs.1 Z 1 leg. cit.), dieser ist im § 12 leg. cit. näher definiert. Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen (§ 13 Abs.1 leg. cit.). Geldleistungen können auch in Form von nicht rückzahlbaren Aushilfen oder in Form von unverzinslichen Darlehen gewährt werden (§ 13 Abs.3 leg. cit.). Der Ersatz für Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes durch den Empfänger der Leistungen, seine Erben, seinen unterhaltspflichtigen Angehörigen oder von sonstigen Dritten ist in den §§ 25 ff leg. cit. geregelt. Hat der Empfänger der Hilfe Rechtsansprüche zur Deckung des Lebensbedarfes gegen einen Dritten, so gehen diese Ansprüche auf die Dauer der Hilfeleistung bis zur Höhe der aufgewendeten Kosten auf den Sozialhilfeträger über, sobald dieser dem Dritten hievon schriftlich Anzeige erstattet hat. Ersatzansprüche nach den Bestimmungen des Zivilrechts bleiben davon unberührt (§ 27 leg. cit.).

Zur Prüfung der Fragen der Anrechenbarkeit der von der Klägerin bezogenen Sozialhilfeleistungen und der Legitimation der Klägerin zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sind nähere Feststellungen über die Art der ihr ausbezahlten Geldleistungen erforderlich. Sollte es sich um nicht rückzahlbare Aushilfen im Sinne des § 13 Abs.3 WSHG handeln, wären die Beträge als Eigeneinkommen der Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen. Die trotz fehlender Rückersatzpflicht dennoch abgeschlossene Vereinbarung der Klägerin, womit sie sich zur Rückzahlung verpflichtete, könnte dann nicht zu Lasten des Unterhaltsverpflichteten gehen.

Im Fall der Feststellung, daß die Klägerin Geldaushilfen bezog, die sie nach den Bestimmungen des WSHG zurückzuzahlen hat, wird die Legitimation der Klägerin von der weiteren Feststellung abhängen, ob bereits eine Anzeige über den Rechtsübergang an den Sozialhilfeträger gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten erfolgte. Sollte sich nach den Feststellungen eine Anrechenbarkeit der Sozialhilfeleistungen ergeben und die Legalzession mangels Verständigung noch nicht wirksam geworden sein, werden detaillierte Feststellungen über die nach Monaten aufgeschlüsselten konkreten Bezüge der Klägerin zu treffen sein, weil das Eigeneinkommen der Klägerin sich auf die Bemessung der Unterhaltshöhe auswirkt.

Erst nach Ergänzung des Verfahrens im aufgezeigten Sinn wird der Unterhaltsanspruch der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach verläßlich beurteilt werden können.

Als weiteren Revisionsgrund releviert der Beklagte gegen seine Verpflichtung zur Bezahlung eines Unterhalts in der Höhe von rund einem Drittel des Nettoeinkommens die Frage der Gefährdung seines eigenen Unterhalts im Sinne des § 67 EheG. Er zeigt allerdings keine Rechtserheblichkeit im Sinne des § 502 Abs.1 ZPO auf, sondern beschränkt sich auf die unsubstantiierte Behauptung, daß der von den Vorinstanzen zugesprochene rückständige und laufende Unterhalt ruinös wäre. Ein vom Obersten Gerichtshof wahrnehmbarer Rechtsirrtum des Berufungsgerichtes ist in dieser Frage jedoch nicht zu erkennen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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