OGH 6Ob626/95

OGH6Ob626/9512.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** AG, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Weis, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei E.***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Friedrich Gehmacher, Dr.Helmut Hüttinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 449.998,84 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28.Februar 1995, AZ 3 R 27/95 (ON 28), womit der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10.Oktober 1994, GZ 7 Cg 393/93-21, teilweise stattgegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang (die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens erwuchs in Rechtskraft) aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte errichtet in ihrem Unternehmen Heizungsanlagen, Sanitäranlagen, Trinkwasserleitungen ua. Sie stand seit mehreren Jahren in Geschäftsbeziehung zur Klägerin. Zur Herstellung von sanitären Anlagen bei einem Zahnarzt bestellte die Beklagte 1988 bei der Klägerin ein unter der Bezeichnung "R*****-Spezial" angebotenes Gewindeschneidmittel, das bei der Herstellung von Rohrleitungen benötigt wird. Das von der Firma R***** hergestellte Gewindeschneidöl wurde von der Herstellerin wie folgt beworben:

"R*****Spezial Gewindeschneidöl für alle Gewinde. Hochlegiertes Mineralöl. Angenehm beim Arbeiten. Mit Wasser auswaschbar. Gutachterlich geprüft."

Unmittelbar unter dieser Beschreibung wurden zwei weitere Gewindeschneidöle mit folgendem Text angeboten:

"R***** V 821" Gewindeschneidöl für alle Gewinde auf nicht rostende Stähle, z.B. V 2 A - und V 4 A - Material. Hochlegiertes Mineralöl.

R***** Sanitol Mineralölfreies, synthetisches Gewindeschneidöl für alle Gewinde. Vollständig wasserlöslich. Deshalb speziell für Trinkwasserleitungen geeignet" (Beil.A).

Im Prospekt der Klägerin lautete die Produktbeschreibung wie folgt:

"GEWINDESCHNEIDMITTEL R*****-Spezial Ergibt glatte Gewindeflanken und verlängert die Lebensdauer der Werkzeuge, durch Wasser leicht auswaschbar".

Unmittelbar unter diese Beschreibung wurde im Prospekt der Klägerin ein anderes Gewindeschneidmittel mit folgendem Text angeboten:

"MINERALÖLFREIES GEWINDESCHNEIDMITTEL für Trinkwasserleitungsanlagen. Ist absolut giftfrei, biologisch abbaubar. Erhöht die Standzeit der Werkzeuge und verhindert Rost und Korrosion" (Beil.16).

Die Beklagte verwendete bei ihren Wasser- und Sanitärinstallationsarbeiten im Auftrag eines Zahnarztes das von der Klägerin gelieferte Gewindesschneidöl "R*****-Spezial".

Mit ihrer am 27.8.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin im Rahmen der ständigen Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien für gelieferte Waren den ermittelten Saldo von S 449.998,84 sA. Die Beklagte habe zu Unrecht einen Betrag in dieser Höhe aus dem Titel des Schadenersatzes als Gutschrift in Abzug gebracht.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Weder aus der Produktbeschreibung noch aus der Produktdeklaration auf der Verpackung habe sich ein Hinweis darauf ergeben, daß es sich um ein mineralölhaltiges Gewindeschneidöl handle. Ein solches sei für Trinkwasserleitungen ungeeignet. Die Beklagte habe das Gewindeschneidmittel im Jahr 1988 und 1989 bei der Sanitärmontage für die Praxis eines Zahnarztes eingesetzt. Nach Fertigstellung des Bauvorhabens sei vom Bauherrn eine schlechte Wasserqualität reklamiert worden. Auch durch mehrere Versuche, insbesondere durch Ausspülen der Rohre, habe die Wasserqualität nicht verbessert werden können. Es seien Gewindeschneidölreste festgestellt worden. Das von der Klägerin verkaufte Öl sei für den Einsatz im Sanitärbereich ungeeignet und sogar verboten. Durch die Verwendung des untauglichen Öls seien Sanierungsarbeiten der Beklagten mit einem Aufwand von S 449.989,84 notwendig geworden.

Die Klägerin replizierte, daß sie von der Firma R***** hergestellte Gewindeschneidöle vertreibe. Das Öl "R*****-Spezial" sei ein mineralölhaltiges Gewindeschneidmittel, welches durch Wasser auswaschbar sei. Die Klägerin vertreibe auch ein mineralölfreies Gewindeschneidmittel, welches für Trinkwasserleitungsanlagen geeignet sei. Es sei der Klägerin nicht bekannt gewesen, wofür das von der Beklagten bestellte Gewindeschneidöl verwendet hätte werden sollen. Die Bestellerin hätte auf den Verwendungszweck hinweisen müssen. Durch Prospekte sei der Beklagten bekannt gewesen, daß seitens der Firma R***** sowohl mineralölhaltiges als auch synthetisches Gewindeschneidmittel vertrieben werde. Bei sachgemäßer Installationsarbeit und Fehlen sonstiger Verunreinigungen sei das Gewindeschneidmittel "R*****-Spezial" bedenkenlos auch für den Sanitärbereich zu verwenden, da es einen schnellen Abbau- und Auswascheffekt besitze.

Das Erstgericht gab der Klage mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt. Es stellte zusätzlich zu dem schon wiedergegebenen Sachverhalt noch fest, daß das Gewindeschneidmittel "R*****-SPEZIAL" nicht den Prüfrichtlinien für Gewindeschneidmittel für Trinkwasserversorgungs- und Verbrauchsleitungen der österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach und auch nicht der gültigen deutschen Richtlinien des vergleichbaren entsprechenden deutschen Vereins entspreche, dies wegen der Zusammensetzung des Öls, nämlich des Gehalts an Mineralölkohlenwasserstoffen, die einen deutlichen Fremdgeschmack und Fremdgeruch im Trinkwasser hinterlassen würden und nicht auswaschbar seien. Nunmehr werde im Katalog der Klägerin das Gewindeschneidmittel "R*****-SPEZIAL" ausdrücklich als "nicht für Trinkwasserleitungen, jedoch für geschlossene Systeme geeignet" deklariert. Durch die Verwendung des Gewindeschneidmittels der Klägerin bei einer Sanitärinstallation sei eine Überprüfung der Wasserqualität nach entsprechenden Spülungen erforderlich geworden. Die angegriffenen Leitungen hätten mit einer Schutzschicht versehen werden müssen. Es hätten auch Armaturen - auch unter Putz - entfernt werden müssen, um die Spülungen durchführen zu können. Für Ausbesserungsarbeiten seien immer wieder Reinigungsarbeiten und große Mengen Wasser und Mineralwasser notwendig geworden. Es hätten auch Wasseruntersuchungen durchgeführt werden müssen. Insgesamt sei der Beklagten ein Aufwand in der Höhe des Klagsbetrages entstanden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß das von der Klägerin vertriebene Produkt fehlerhaft im Sinne des § 5 PHG gewesen sei, weil es als für Trinkwasserleitungen ungeeignet angesehen werden müsse. Es sei von einem Verschulden der Klägerin auszugehen, weil sie als Sachverständige im Sinne des § 1299 ABGB nicht den Beweis gemäß § 1298 ABGB angetreten habe, daß sie ohne ihr Verschulden nicht in der Lage gewesen sei, den Liefervertrag mit der Beklagten ordnungsgemäß durch Lieferung eines Produktes, das nach ihren eigenen Angaben für Trinkwasserleitungen geeignet sei, zu erfüllen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Bezahlung von S 449.998,84 samt 5 % Zinsen seit 3.9.1992. Es bestätigte lediglich die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und beurteilte diese rechtlich dahin, daß bei der Beklagten als Fachmann das Wissen vorauszusetzen sei, daß mineralölhaltige Gewindeschneidmittel nach den einschlägigen Richtlinien für Trinkwasseranlagen nicht geeignet seien. Eine Haftung der Klägerin käme nur in Betracht, wenn sie über die Mineralölhaltigkeit des gelieferten Gewindeschneidmittels unrichtige oder irreführende Angaben gemacht hätte. Aus der Formulierung im Prospekt der Klägerin, "Gewindeschneidöl für alle Gewinde" sei nicht abzuleiten, daß das Öl für jeden Verwendungszweck, also auch für Trinkwasserleitungen, geeignet wäre. Der Hinweis "hochlegiertes Mineralöl" lasse an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. "Mit Wasser auswaschbar" bedeute nicht, daß das Öl vollständig auswaschbar und ungeachtet seines Mineralölgehaltes für Trinkwasserleitungen geeignet wäre. Aufgrund der Prospektangaben habe die Beklagte nicht davon ausgehen dürfen, daß "R*****-SPEZIAL" für einen Einsatz im Sanitärbereich geeignet sei, dies umso weniger, als im selben Prospekt ein anderes Gewindeschneidmittel, nämlich "R***** SANITOL" als mineralölfreies, synthetisches, vollständig wasserlösliches und deshalb speziell für Trinkwasserleitungen geeignetes Gewindeschneidöl angeboten worden sei. Das von der Klägerin gelieferte Gewindeschneidöl sei nicht falsch oder unvollständig deklariert worden. Die Klägerin habe auch nicht gegen eine Instruktionspflicht verstoßen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs.1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß die Klage abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, der Revision nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Der Händler hat für die Fehlerhaftigkeit des gelieferten Produkts einzustehen, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, besonders angesichts der Darbietung des Produkts oder des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann (§ 5 Abs.1 Z 1 und 2 PHG). Die Fehlerhaftigkeit eines Produkts kann somit in seiner Darbietung gelegen sein. Den Verkäufer trifft bei einem an sich fehlerfreien Produkt, dessen Verwendung in speziellen Teilbereichen zu Schädigungen führen könnte, die Nebenverpflichtung zur Anleitung und Aufklärung (RZ 1982/49). Die Schutzwürdigkeit des Bestellers ist nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß er selbst sachkundig ist. Eine Warnpflicht besteht nur dann nicht, wenn die mit dem Gebrauch des Produkts verbundenen Gefahren dem sachkundigen Verbraucher ohnedies offenkundig sind, also wenn es im vorliegenden Fall zum selbstverständlichen Wissensstand eines befugten Gewerbetreibenden gehörte, daß das gelieferte Gewindeschneidmittel nach den Werbeangaben keinesfalls für Trinkwasserleitungen geeignet wäre.

Bei der Darbietung des Produkts muß der Händler für die durch die Werbung geweckten oder bestärkten Sicherheitserwartungen einstehen.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist, muß davon ausgegangen werden, daß das von der Klägerin gelieferte Gewindeschneidöl für Trinkwasserleitungen ungeeignet und nicht auswaschbar ist (S.7 in ON 21). Das Erstgericht ging offensichtlich von einer Bestellung der Beklagten aufgrund des Prospektes der Herstellerin (Beil.A) aus (S.6 in ON 21). Dort ist von einer "leichten" Auswaschbarkeit des Gewindeschneidmittels die Rede, im Prospekt der Klägerin von einer Auswaschbarkeit mit Wasser. Das Berufungsgericht vertritt dazu die Ansicht, daß unter "mit Wasser auswaschbar" nicht zu verstehen sei, daß das Öl vollständig auswaschbar und ungeachtet seines Mineralölgehalts für Trinkwasserleitungen geeignet wäre (S.5 f in ON 28). Abgesehen davon, daß in der Werbung der Klägerin der Hinweis auf die Mineralöleigenschaft des Öls "R*****-Spezial" fehlt und nur (allenfalls) aus dem im Prospekt unmittelbar anschließend angebotenen mineralölfreien Gewindeschneidmittel erschlossen werden könnte, daß das erste für Trinkwasserleitungen nicht geeignet ist (Beil.16), ist die vom Berufungsgericht angenommene Klarheit der Werbeaussage (also die mangelnde Eignung des Öls für Trinkwasserleitungen) noch nicht verläßlich zu beurteilen. Es kommt hier auf die berechtigten Sicherheitserwartungen des von der Werbung angesprochenen und fachkundigen Publikums an. Die Annahme des Berufungsgerichtes, daß aus der nach dem Sachverständigengutachten (S.6 in ON 8) falschen Werbeaussage über die Auswaschbarkeit noch nicht auf eine Eignung des Gewindeschneidöls für Trinkwasserleitungen geschlossen werden dürfe, ist mangels Erörterung dieser Frage mit dem Sachverständigen und mangels Feststellungen über den Kenntnisstand in den beteiligten Fachkreisen unüberprüfbar. Die maßgeblichen berechtigten Sicherheitserwartungen des durchschnitttlichen (hier fachkundigen) Benützers können vom Richter nicht schon aufgrund seiner allgemeinen Lebenserfahrung festgestellt werden. Es kommt auf das tatsächliche Wissen der beteiligten Verkehrskreise an. Zur Feststellung desselben wird die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein (JBl 1993, 524). Der Sachverständige wird darzulegen haben, was in Fachkreisen unter "leichter Auswaschbarkeit" bzw. unter "Auswaschbarkeit mit Wasser" eines Gewindeschneidmittels verstanden wird, insbesondere ob solche Werbeaussagen als Hinweis für die Eignung des Gewindeschneidmittels für Trinkwasserleitungen aufgefaßt werden. Sollte dies der Fall sein, wird zu klären sein, ob diese Eignung in Fachkreisen auch bei einem gleichzeitigen Hinweis auf die Eigenschaft des Öls als "hochlegiertes Mineralöl" (das als mit Wasser auswaschbar bezeichnet wird) bejaht oder verneint wird, oder aber ob bei einer solchen Werbeaussage auch in Fachkreisen Unklarheit entsteht (besteht). Eine Unklarheit ginge zu Lasten des werbenden Unternehmers (vgl. RZ 1982/49).

Die Urteile der Vorinstanzen waren zur objektiven Ermittlung der Verkehrsauffassung der fachkundigen Produktbenützer aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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