OGH 4N526/95

OGH4N526/9510.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Emmerich V*****, vertreten durch Dr.Arno Brauneis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Horst R*****, vertreten durch Dr.Theo Petter, Rechtsanwalt in Wien, wegen S

239.626 sA, über die Befangenheitsanzeige des Hofrates *****, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Stimmführer Hofrat des Obersten Gerichtshofes ***** ist nicht befangen.

Text

Begründung

Der vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit außerordentlicher Revision des Klägers vorgelegte Akt 26 Cg 67/94b ist gemäß Geschäftsverteilungsübersicht des Obersten Gerichtshofes für das Jahr 1995 zu 10 Ob 1535/95, also in einem Senat angefallen, dem der Hofrat des Obersten Gerichtshofes ***** als Stimmführer angehört. Dieser teilt gemäß § 22 Abs 2 GOG mit, daß der Beklagte sein Maturakollege sei, mit dem er acht Jahre dieselbe Gymnasialklasse besucht habe. Da er mit ihm - von einigen kurzen Begegnungen auf Klassentreffen abgesehen - seit der Matura (1957) keinen Kontakt habe, fühle er sich aber nicht befangen.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 19 Z 2 kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, weil ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Ein solcher Umstand ist nicht nur auf Antrag einer Partei, sondern auch von Amts wegen - auf Grund einer Selbstmeldung - wahrzunehmen (§ 22 GOG, § 182 Geo). Bei der Prüfung der Unbefangeheit ist im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, daß eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muß oder daß bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (Arb 10.760; JBl 1990, 122 ua).

Der von Hofrat des Obersten Gerichtshofes ***** mitgeteilte Umstand, daß er acht Jahre lang mit dem Beklagten die gleiche Schulklasse besucht hat und daher zur gleichen Zeit wie er - vor 38 Jahren (!) - an derselben Schule maturiert hat, rechtfertigt für sich allein in keiner Weise die Befürchtung, er könnte seine richterliche Aufgabe nicht mit der erforderlichen Objektivität erfüllen. Daß ***** seit 1957 mit dem Beklagten nur bei Klassentreffen zusammengekommen ist, beweist das Fehlen jeder besonderen persönlichen Beziehung zwischen den beiden. Nicht einmal dann, wenn Richter und Partei seinerzeit vom selben Arbeitgeber beschäftigt wurden und auf kollegialer Basis bekannt waren, liegt nach der Rechtsprechung ein Befangenheitsgrund vor (EvBl 1990/145; RdW 1992, 119). Noch viel weniger ist die Unbefangenheit bloß wegen einer Jahrzehnte zurückliegenden gemeinsamen Schulzeit in Zweifel zu ziehen. ***** hat auch selbst bekundet, daß er sich nicht befangen fühlt. Es war daher auszusprechen, daß er nicht befangen ist.

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