OGH 5Ob128/95

OGH5Ob128/9510.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Tittel, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ferdinand B***** OHG, ***** vertreten durch Dr.Erich Proksch und Dr.Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner

1.) Frieda P*****, ***** 2.) Dkfm.Christiane G*****, 3.) Ing.Ernst P*****, 4.) Dkfm.Maria P*****, ***** und 5.) Ing.Elisabeth T*****, alle vertreten durch Dr.Robert Csokay, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 6 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18.Oktober 1994, GZ 49 R 87/94-41, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 27.Juni 1994, GZ 44 Msch 54/92-33, berichtigt durch den Beschluß des Bezirksgerichtes für Innere Stadt Wien vom 12.Juli 1994, GZ 44 Msch 54/92-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Antragstellerin hat die für den Revisionsrekurs verzeichneten Kosten rechtsfreundlicher Vertretung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist Mieterin eines ebenerdig gelegenen Geschäftslokals im Haus *****, das den Antragsgegnern gehört.

Im Herbst 1988 ersetzte die Antragstellerin das straßenseitige Geschäftsportal durch ein neues. Im Zuge dieses Umbaus wurde der Geschäftseingang so geändert, daß er nicht mehr zurückversetzt ist, sondern mit der Hausfassade abschließt; außerdem wurde die unterteilte große Auslagenscheibe durch eine einzige Glasscheibe ersetzt. Über die Fassadengestaltung vor und nach dem Umbau liegen Lichtbilder vor; nähere Feststellungen erübrigen sich durch den eingeschränkten Entscheidungsgegenstand.

Die Antragstellerin hat für diesen Umbau keine Zustimmung der Vermieter eingeholt, weil sie der Ansicht war, Eigentümerin des Geschäftsportals zu sein und daher einer solchen Zustimmung nicht zu bedürfen. Zu einer nachträglichen Genehmigung der Änderung sind die Antragsgegner nicht bereit.

In einem von den Antragsgegnern angestrengten Besitzstörungsverfahren wurde die Antragstellerin schuldig erkannt, den früheren Zustand wieder herzustellen. In Vollstreckung dieses Endbeschlusses haben die Antragsgegner am 8.10.1993 die Entfernung des neuen Geschäftsportals durchgesetzt. Zum damaligen Zeitpunkt war über eine zu 44 C 538/89 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien eingebrachte Klage der Antragstellerin auf Feststellung ihres Eigentumsrechtes am Geschäftsportal noch nicht rechtskräftig entschieden, desgleichen nicht über eine zu 44 C 587/92 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien eingebrachte Klage der Antragstellerin gegen die Hauseigentümer auf Duldung des Geschäftsportalumbaus; nach Entfernung des Geschäftsportals schränkte die Antragstellerin letzteres Klagebegehren auf Kosten ein, drang aber auch damit nicht durch.

Am 16.6.1992 stellte die Antragstellerin bei der zuständigen Schlichtungsstelle der Stadt Wien den später gemäß § 40 Abs 2 MRG bei Gericht wiederholten Antrag, daß ausgesprochen werde, die Antragsgegner hätten den Ersatz des verrosteten alten Geschäftsportals durch das neu angebrachte zu dulden. Als dann im Zuge dieses Verfahrens das neue Portal entfernt wurde, um dem Endbeschluß im Besitzstörungsverfahren zu entsprechen, modifizierte die Antragstellerin ihren Antrag sinngemäß wie folgt:

Die Antragsgegner seien schuldig, Reparaturen und Ersatz am Geschäftsportal, insbesondere den im Herbst 1988 vorgenommenen Ersatz des verrosteten und alten Geschäftsportals durch das rechtswidrig zwangsweise entfernte Geschäftsportal zu dulden; ihre (fehlende) Zustimmung zur Reparatur und zum Ersatz des Geschäftsportals, insbesondere die (fehlende) Zustimmung zu dem im Herbst 1988 vorgenommenen Ersatz des Geschäftsportals, sowie die in einem allfälligen baubehördlichen Verfahren erforderliche Zustimmung werde ersetzt. Erläuternd fügte die Antragstellerin (sinngemäß) hinzu, daß der im gegenständlichen Verfahren verfolgte Anspruch von der im Verfahren 44 C 587/92 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien begehrten Feststellung der Eigentumsverhältnisse am Geschäftsportal unabhängig sei und daß ihrer Meinung nach der Endbeschluß nicht vor der Entscheidung über die im gegenständlichen Verfahren angestrebte Genehmigung des neuen Portals hätte vollstreckt werden dürfen (der zentrale Vorwurf an die Antragsgegner, die Entfernung des neuen Geschäftsportals unter Ausnützung des im Besitzstörungsverfahren erlangten Titels rechtswidrig - trotz Erfüllung - durchgesetzt zu haben, ist wohl in diesem Sinn zu verstehen). Im Besitzstörungsverfahren sei überdies nur über den Besitz am Geschäftsportal abgesprochen worden, ohne einer Entscheidung nach § 9 MRG vorzugreifen.

Die Antragsgegner begehrten die Abweisung des Sachantrages ua mit dem Hinweis auf den im Besitzstörungsverfahren ergangenen, mittlerweile sogar vollstreckten Auftrag, das Geschäftsportal wieder zu entfernen. Die Einschränkung des zu 44 C 587/92 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien eingebrachten Klagebegehrens auf Kosten sei im übrigen als Verzicht auf den hier erhobenen Anspruch zu werten.

Das Erstgericht wies den Sachantrag ab, weil die von der Antragstellerin begehrte Änderung eine von den Antragsgegnern nicht hinzunehmende Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung ihres Hauses mit sich bringen würde. Durch die Entfernung des Portals im Exekutionsweg sei der gegenständliche Antrag außerdem überholt.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Sachbeschluß in der Hauptsache (geändert wurde lediglich der vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfende Kostenausspruch), wobei es sich von folgenden Erwägungen leiten ließ:

Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes sei der gegenständliche Antrag durch die exekutive Entfernung des Portals keineswegs überholt, weil die Antragstellerin nicht gehindert sei, die (Wieder-)Errichtung eines gleichartigen Geschäftsportals zu betreiben. Der provisorische Besitzschutz und der Streit über das Recht seien zu trennen (vgl MietSlg 37.266). Nunmehr habe jedoch die Antragstellerin in ihrem Rekurs ausgeführt, sie habe die Zustimmung zur Errichtung des mittlerweile zwangsweise entfernten Geschäftsportals begehrt und "damit ihr Begehren gewissermaßen auf Kosten eingeschränkt". Damit strebe sie nicht mehr die Genehmigung der Neuerrichtung eines gleichartigen bzw der Wiedererrichtung desselben Portals an, sondern habe ihren Antrag sinngemäß auf ein (bloßes) Feststellungsbegehren des Inhalts reduziert, daß die Antragsgegner die Zustimmung zu dem mittlerweile entfernten Geschäftsportal hätten erteilen sollen.

Die für Veränderungen (Verbesserungen) des Mietgegenstandes (§ 9 MRG) in § 37 Abs 1 Z 6 MRG normierte Verweisung ins Außerstreitverfahren erfasse nicht nur die Ansprüche des Mieters auf Duldung oder Abgabe von Erklärungen, sondern auch jene des Vermieters auf Unterlassung oder Wiederherstellung in jenen Fällen, in denen der Mieter Veränderungen (Verbesserungen), die nach § 9 MRG der Zustimmung des Vermieters bedürfen, ohne dessen Zustimmung vorgenommen hat (MietSlg 38.520 bei MietSlg 42.210 ua). Auch ein damit im Zusammenhang stehendes Feststellungsbegehren - etwa im hier maßgeblichen Sinn, daß die Antragsgegner das errichtete und nunmehr wieder entfernte Portal hätten dulden müssen - wäre grundsätzlich zulässig und als bloßes Minus gegenüber dem ursprünglichen Leistungsbegehren ohne neuerliche Befassung der Schlichtungsstelle (§ 39 MRG) möglich, allerdings nur bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses iSd § 228 ZPO (WoBl 1992/96). Mangelndes rechtliches Interesse führe zur Abweisung. Da die Antragstellerin ein rechtliches Interesse an der nachträglichen Feststellung der Duldungs- und Zustimmungspflicht der Antragsgegner nicht einmal behaupet habe, sei ihr Sachantrag zu Recht abgewiesen worden.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig sei. Die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG) für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes lägen nämlich nicht vor.

Den zweitinstanzlichen Sachbeschluß hat die Antragstellerin dennoch mit ao Revisionsrekurs angefochten. Sie macht darin vor allem geltend, das Rekursgericht habe ihr im Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluß enthaltenes Vorbringen, das Begehren gewissermaßen auf Kosten eingeschränkt zu haben, mißverstanden. Mit diesem Vorbringen sei nicht beabsichtigt gewesen, den auf die Genehmigung des Geschäftsportalumbaus abzielenden Sachantrag auf ein bloßes Feststellungsbegehren über die Rechtmäßigkeit des seinerzeitigen Umbaus zu reduzieren; tatsächlich habe es sich auf das Verfahren 44 C 587/92 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien (also auf die Einschränkung des Feststellungsbegehrens der dort klagenden Partei, unbeschränkte Eigentümerin des Geschäftslokals zu sein und es daher umgestalten zu dürfen) bezogen, sodaß am unveränderten Begehren festzuhalten sei, die fehlende Zustimmung der Vermieter zum (mittlerweile rückgängig gemachten, aber nach wie vor beabsichtigten) Portalumbau zu ersetzen. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die Entscheidung in der Hauptsache aufzuheben und - hilfsweise - die Rechtssache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Den Antragsgegnern sowie den übrigen Hauptmietern des verfahrensgegenständlichen Hauses wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Die Antragsgegner haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil es eine Verletzung der dem Rekursgericht durch § 37 Abs 3 Z 6 MRG iVm § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG auferlegten Erörterungspflicht und damit eine wesentliche, auch über ao Rechtsmittel aufzugreifende (vgl 5 Ob 511/92 ua) Verkennung verfahrensrechtlicher Grundsätze bedeutet, den Widerspruch zwischen dem unverändert gebliebenen Sachantrag und der aus den Rekursgründen abgeleiteten Einschränkung dieses Rechtsschutzantrages auf ein bloßes Feststellungsbegehren nicht aufgeklärt zu haben; aus eben diesem Grund erweist sich der Revisionsrekurs im Sinne seines Aufhebungsbegehrens auch als berechtigt.

Es wurde schon erwähnt, daß das Begehren der Antragstellerin unverändert - wenn auch etwas holprig formuliert - darauf abzielt, den im Herbst 1988 vorgenommenen Umbau des Geschäftsportals, nämlich den Ersatz des alten durch das mittlerweile "rechtswidrig zwangsweise entfernte", gemäß § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 9 MRG durchzusetzen, also den schon einmal geschaffenen (nur auf Grund des Unterliegens im Besitzstörungsverfahren beseitigten) Zustand gegen den Widerstand der Antragsgegner wiederherzustellen. Ob das im Rekurs der Antragstellerin an die zweite Instanz enthaltene Vorbringen, mit der Präzisierung ihres Begehrens "gewissermaßen auf Kosten eingeschränkt zu haben", tatsächlich so zu verstehen ist, daß nur ein Begehren auf Feststellung der Zulässigkeit der seinerzeitigen Portalerneuerung aufrechterhalten wurde, ohne die Wiedererrichtung des exekutiv entfernten Portals zu betreiben, hätte in mündlicher Rekursverhandlung (§ 37 Abs 3 Z 12 sowie 17 lit f und g MRG) erörtert werden müssen. Die Schlußfolgerung ist nämlich keineswegs zwingend und steht in Widerspruch zum unverändert aufrecht gebliebenen Begehren der Antragstellerin, die Antragsgegner zur Duldung des Portalumbaus zu verhalten und ihre in einem baubehördlichen Verfahren beizubringende Zustimmungserklärung zu ersetzen. Diese Formulierung deutet nach wie vor auf ein Leistungsbegehren hin, wie es für Sachanträge nach § 9 MRG typisch ist (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 5 zu § 9 MRG). Ein solches Leistungsbegehren bedarf - im Gegensatz zu einem bloßen Feststellungsbegehren (vgl WoBl 1992, 123/90; ImmZ 1992,

426) - nicht der Darlegung eines besonderen rechtlichen Interesses. Stellt sich die rekursgerichtliche Deutung des Begehrens der Antragstellerin als unrichtig heraus, hätte es daher nicht mit der dem angefochtenen Beschluß zugrundeliegenden Begründung abgewiesen werden dürfen. Das Rekursgericht wird daher die Entscheidungsgrundlagen dadurch zu verbreitern haben, daß es der Antragstellerin die Möglichkeit gibt, ihr Begehren zu präzisieren.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 19 erster Halbsatz MRG.

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