OGH 6Ob33/95

OGH6Ob33/9528.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg P*****, Beamter, ***** vertreten durch Dr.Ulrich Polley, Dr.Helmut Sommer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Willibald T*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Hans Georg Mayer und Dr.Hans Toriser, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs (Streitwert S 290.000), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5.April 1995, AZ 6 R 198/94 (ON 15), womit der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 7.Juni 1994, GZ 20 Cg 38/94d-10, nicht stattgegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Klage, die beklagte Partei sei schuldig,

1. Behauptungen des Inhaltes, der Kläger als früherer Sachbearbeiter ***** in der Gemeinde ***** habe wichtige Informationen für seinen Nachfolger bewußt vorenthalten und es handle sich hiebei um einen Willkürakt eines gekränkten Beamten, der als Geschäftsschädigung bezeichnet werden müsse, und der Kläger hätte bei der Gemeinde eingelangte *****anträge äußerst merkwürdig gereiht, sowie inhaltsgleiche Behauptungen ab sofort zu unterlassen,

2. die Behauptungen, die sie gemäß Punkt 1. des Urteilsbegehrens zu unterlassen habe, gegenüber dem Gemeinderat der Marktgemeinde ***** als unwahr zu widerrufen und

3. die Veröffentlichung dieser Widerrufserklärung im redaktionellen Teil der "V***** Zeitung" mit jenem Veröffentlichungswert, mit dem der Artikel "Aussprüche" in der "V***** Zeitung" vom 15.12.1993 erschienen sei, vorzunehmen,

abgewiesen

wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 87.087 (darin S 14.514,50 Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz und die mit S 21.035,40 (darin S 1.905,90 Umsatzsteuer und S 9.600 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 26.975 (darin S 2.287,50 Umsatzsteuer und S 13.250 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war und ist Gemeindebeamter. Von 1981 bis 1993 war er Sachbearbeiter *****. Diese Funktion wurde ihm ohne sein Einverständnis entzogen. Seine Aufgaben wurden von einem anderen Gemeindebediensteten übernommen.

Der Beklagte war Gemeinderat und Obmann des aus sechs Mitgliedern bestehenden Kontrolausschusses der Gemeinde. Dieser Ausschuß prüfte die Tätigkeit des Klägers *****. Der Beklagte verlas in der Gemeinderatsitzung vom 23.11.1993 den von ihm selbst verfaßten, mit 6.11.1993 datierten und von übrigen Mitgliedern des Kontrollausschusses einstimmig genehmigten Ausschußbericht. Die Gemeinderatsitzung war öffentlich. Im verlesenen Kontrollausschußbericht (Beilage ./3) wurde die Tätigkeit des Klägers als Sachbearbeiter ***** kritisiert. Der wesentliche Inhalt lautete:

"Bis zum Jahre 1992 war als Sachbearbeiter ***** Herr P***** eingesetzt. Ab März 1993 ist Herr R***** mit *****angelegenheiten betraut worden. Ich möchte zuerst auf die bis dahin von Herrn P***** durchgeführte Tätigkeit eingehen.

Der Kontrollausschuß konnte auch hier wieder feststellen ..., daß der neue Sachbearbeiter keine ordentliche Einschulung erhalten hat. Ganz im Gegenteil, hier werden sogar wichtige Informationen durch seinen Vorgänger bewußt vorenthalten.

Herr P***** hat umfangreiche, für den jeweiligen *****antrag wichtige Aufzeichnungen in einem privaten Buch festgehalten, welches er seinem Nachfolger nicht aushändigte bzw Informationen daraus nicht weitergegeben wurden. Die in diesem Buch enthaltenen Privataufzeichnungen über *****angelegenheiten beinhalten wichtige Einzelheiten über abgegebene Anträge. Anstatt dem Nachfolger derartige Informationen zukommen zu lassen oder eine ordentliche Übergabe vorzubereiten, war dies seitens der Gemeinde für nicht notwendig erachtet worden. Man kann diesen Willkürakt des Vorgängers sogar als Geschäftsschädigung bezeichnen.

Daß der Nachfolger nur sehr mühsam an seine Information kommt und keine zügige weitere Bearbeitung dieses Sachgebietes möglich ist, sei nur ganz nebenbei festgestellt. Bis zum Tag der Prüfung des Kontrollausschusses war seinem Nachfolger, Herrn R*****, nicht bekannt, wie viel als Bauland gewidmete Fläche in der Gemeinde vorhanden ist. Dies ist auch den zuständigen Referenten nicht bekannt. Die letzten Zahlen sind übrigens aus dem Jahre 1984.

Anstatt effektiv im Interesse des Gemeindebürgers zu arbeiten, werden auf dessen Rücken von einem gekränkten Beamten Informationen zurückgehalten. Eine Nachricht an den Antragsteller über den Erhalt und der Bearbeitung hat er selbst für nicht notwendig erachtet, da anscheinend auf diesen Antrag ohnehin kein Rechtsanspruch besteht ...

.

Eine äußerst merkwürdige Reihung der eingehenden *****anträge wurde mitgeteilt. In einem Schubladensystem sind diese Anträge vorsortiert und bereits nach bestimmten Kriterien in der weiteren Erledigung eingestuft worden. Die Ablehnung erfolgte bei gewissen Anträgen nach eigenen Ansichten, ohne daß der Ausschuß oder gar der Referent hierzu überhaupt eingeschaltet wurde.

Von Herrn R***** wurde dies jetzt abgestellt, sodaß mittels eines Merkblattes dem *****werber die gesetzliche Aufklärung gegeben und gleichzeitig der Erhalt des Antrages bestätigt wird."

Eine Zeitung berichtete am 15.12.1993 über diesen Kontrollausschußbericht. Danach habe der Kläger als gekränkter Beamter wichtige Informationen für seinen Nachfolger zurückgehalten. Man könne diesen Willkürakt als Geschäftsschädigung bezeichnen. Weiters war in der Zeitungsveröffentlichung von einer "äußerst merkwürdigen Reihung der *****anträge" die Rede.

Mit der am 15.2.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, gestützt auf die Bestimmung des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB, den Beklagten für schuldig zu erkennen, die Behauptungen, der Kläger habe als früherer Sachbearbeiter für *****angelegenheiten in der Gemeinde ***** wichtige Informationen für seinen Nachfolger bewußt vorenthalten und es handle sich hiebei um einen Willkürakt eines gekränkten Beamten, der als Geschäftsschädigung bezeichnet werden müsse, und der Kläger hätte bei der Gemeinde eingelangte *****anträge äußerst merkwürdig gereiht, sowie inhaltsgleiche Behauptungen zu unterlassen, diese Behauptungen gegenüber dem Gemeinderat der Marktgemeinde ***** als unwahr zu widerrufen und die Veröffentlichung der Widerrufserklärung im redaktionellen Teil der "V***** Zeitung" vorzunehmen.

Die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe seien unrichtig. Der Beklagte habe sie wider besseres Wissen erhoben. Ein Kontrollausschußbericht unterliege keiner Immunität. Der Bürgermeister habe den Kontrollausschußbericht teilweise genehmigt, teilweise zurückgewiesen. Der Kläger sei wegen Überlastung entlastet worden und nicht wegen seiner Bearbeitungsmethoden. Eine Amtsübergabe habe der Kläger wegen eines Krankenstandes nicht durchführen können. Ein von ihm privat geführtes Buch mit dienstlichen Eintragungen habe er dem Bürgermeister übergeben. Der Kläger habe eingelangte *****anträge nicht "äußerst merkwürdig" gereiht. Die Reihung der Anträge sei zu jener Zeit erfolgt, in welcher der Gemeindevorstand und der Gemeinderat die Änderung der Verordnung des Flächenwidmungsplanes für richtig und erforderlich gehalten hätten. Die Äußerungen des Beklagten seien schon deshalb rechtswidrig, weil sie Angriffe gegen einen Beamten darstellten, die nicht in einer öffentlichen Gemeinderatsitzung vorgebracht hätten werden dürfen, weil es sich um Personalangelegenheiten handle, die nicht in öffentlicher Sitzung behandelt hätten werden dürfen. Dem Beklagten sei der wahre Sachverhalt bekannt gewesen, er habe seine Behauptungen wider besseres Wissen aufgestellt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der Kontrollausschußbericht beruhe auf wahren Tatsachen. Er sei von den sechs Mitgliedern des Ausschusses einstimmig genehmigt worden. Der Kläger habe tatsächlich *****anträge willkürlich gereiht und nicht bearbeitet. Dadurch sei der Gemeinde Grundsteuer entgangen. Der Kläger sei wegen seiner eigensinnigen Bearbeitungsmethoden abberufen worden. Er habe sich geweigert, sein Protokollbuch, das er privat geführt habe und das wichtige Informationen enthalte, bekanntzugeben. Er habe seinen Nachfolger in *****angelegenheiten nicht unterstützt und ihm nicht die nötigen Informationen zur Verfügung gestellt. Die Reihung der *****anträge sei nach rein persönlichen Gesichtspunkten des Klägers erfolgt. Der Beklagte habe den Kontrollausschußbericht in der Gemeinderatsitzung verlesen müssen und habe zu keiner Zeit an der Wahrheit der Tatsachenbehauptungen zweifeln können. Er habe die Behauptungen zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Gemeinde und der politischen Interessen seiner Fraktion aufgestellt. Ein Widerruf des Kontrollausschußberichtes sei nicht möglich, weil der Beklagte nicht mehr Obmann des Ausschusses und der Kontrollausschußbericht von einem Kollegialorgan einstimmig beschlossen worden sei.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte neben dem schon wiedergegebenen Sachverhalt im wesentlichen noch fest, daß der Nachfolger des Klägers in einem Einschulungsseminar eingeschult worden sei. Der Kläger sei zwar wegen der Abnahme der Umwidmungsagenden gekränkt gewesen, er habe aber keine Willkürakte gesetzt. *****anträge habe der Kläger nach dem Einlangen aufgrund des Eingangsstempels gereiht. Er habe eine Reihung nur nach Katastralgemeinden vorgenommen. Der Kläger habe nie Akten liegen gelassen oder willkürlich gereiht. Es sei vorgekommen, daß Akten beim Amt der ***** Landesregierung bis zu einer Zeitdauer von 1 1/2 Jahren unerledigt geblieben seien. Der Beklagte sei offensichtlich aufgrund von Beschwerden von *****werbern der Meinung gewesen, daß der Kläger es sei, der die Flächenwidmungen verzögert habe. Dem Kläger sei es aufgrund gesetzlicher Bestimmungen untersagt, Mitgliedern des Kontrollausschusses Einsicht und Auskünfte über Einzelwidmungsanträge zu geben, weshalb der Kläger auch das von ihm geführte Buch nicht dem Kontrollausschuß zur Einsicht übergeben habe können. Dieses Buch habe der Kläger dem Bürgermeister übergeben, alle übrigen Aufzeichnungen habe er seinem Nachfolger übergeben. Der Beklagte habe sich beim Amt der ***** Landesregierung mehrfach beschwert, aber daraufhin die Auskunft erhalten, daß kein Grund zu einer aufsichtsbehördlichen Tätigkeit bestehe. Der Kläger habe seit 1988 eine ausgezeichnete Dienstbeschreibung gehabt. Seine Reihungen der *****anträge seien nach vorgegebenen Kriterien erfolgt. Der Kläger habe alle wichtigen Informationen seinem Nachfolger übergeben. Die Einschulung dieses Nachfolgers sei nicht Sache des Klägers gewesen.

Der Beklagte sei bis Feber 1994 Obmann des aus sechs Mitgliedern bestehenden Kontrollausschusses gewesen. Der vom Beklagten als Obmann im Rohbericht verfaßte Bericht sei im Ausschuß durchbesprochen und genehmigt worden. Der Bürgermeister habe nicht aufklären können, warum er vor der Verlesung des Ausschußberichtes in der Gemeinderatsitzung die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen habe. Der Bürgermeister habe in der Gemeinderatsitzung vom 26.11.1993 beantragt, den Kontrollausschußbericht zur Kenntnis zu nehmen. Der Kläger habe in einer Sitzung des Kontrollausschusses vom 16.8.1993 nicht geäußert, daß er die Umwidmungsanträge nach eigenem Gutdünken reihe.

Dem Beklagten sei nicht bekannt gewesen, daß er einen Bericht über Personalangelegenheiten nicht in öffentlichen Sitzungen vorlesen dürfe. Für den Ausschluß der Öffentlichkeit sei der Bürgermeister zuständig gewesen. Für die Äußerungen des Klägers fehlten entsprechende Grundlagen. Er sei in einem Beweisnotstand, weil er keinen Zugang zu den Akten habe. Ihm gegenüber werde alles als Amtsgeheimnis deklariert.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß der Beklagte unrichtige Vorwürfe wider besseres Wissen erhoben habe. Die Äußerungen stellten eine Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Rufes, aber auch eine Ehrenbeleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB dar. Der Beklagte hätte die Richtigkeit seiner Behauptungen beweisen müssen. Der Kontrollausschuß sei nicht berechtigt gewesen, einzelne Umwidmungsanträge zu prüfen. Er hätte lediglich die Dauer der Verfahren und die Gebarung aufgrund der bestehenden Gesetze nach den Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit oder Zweckmäßigkeit zu prüfen gehabt. Der Beklagte habe rechtswidrig gehandelt, weil er den Kontrollausschußbericht in einer öffentlichen Sitzung vorgelesen habe. Ein Rechtfertigungsgrund liege nicht vor. Er hätte beim Bürgermeister den Ausschluß der Öffentlichkeit beantragen müssen. Ungeachtet des Umstandes, daß der Beklagte nicht mehr Obmann des Kontrollausschusses sei, sei auch dem Begehren auf Veröffentlichung des Widerrufs stattzugeben gewesen, damit die Öffentlichkeit von der Unwahrheit der Äußerungen unterrichtet werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht statt. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und beurteilte diese rechtlich im wesentlichen dahin, daß die in einer Zeitung veröffentlichten Äußerungen des Beklagten nach § 1330 Abs 1 ABGB ehrenrührig und nach Abs 2 leg cit geeignet seien, das berufliche Fortkommen des Klägers zu hindern. Für den Kläger als Beamten seien die Vorwürfe "aufstiegshemmend". Der Kläger habe nur die Tatsachenverbreitung zu beweisen; die Richtigkeit der Tatsachen und das Fehlen der objektiven und subjektiven Vorwerfbarkeit der unrichtigen Verbreitung hätte der Beklagte zu beweisen gehabt. Der Umstand, daß der Beklagte die Äußerungen als Gemeinderatsmandatar und Obmann des Kontrollausschusses getätigt habe, stelle keinen Rechtfertigungsgrund dar. Zwar sei es in Kauf zu nehmen, daß in einer Debatte im Gemeinderat auch persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse von Einzelpersonen erörtert werden. Ungeachtet des öffentlichen Interesses solle aber nach der oberstgerichtlichen Judikatur ein Redner gegenüber dem betroffenen Dritten nur dann nicht schadenersatzpflichtig werden, wenn er keine Unwahrheiten verbreitet, sondern lediglich sachlich zum Thema maßvolle Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe. Die Äußerungen des Beklagten seien wahrheitswidrig und keinesfalls maßvoll gewesen. Das Widerrufs- und das Veröffentlichungsbegehren seien daher gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, daß die Klage abgewiesen werde.

Mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, der Revision nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Das Berufungsgericht hat den Umstand, daß der Beklagte die bekämpften Äußerungen als Gemeinderat und Obmann eines Kontrollausschusses machte, nicht als Rechtfertigungsgrund anerkannt und sich dabei auf die in MR 1990, 20 (= 6 Ob 654, 655/88 = SZ 62/186) veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gestützt, die sich ebenfalls mit in der Sitzung eines Gemeinderates behandelten Vorwürfen aus einem Kontrollausschußbericht zu befassen hatte. Geklagt waren dort allerdings der Vizebürgermeister und ein Gemeinderat der Gemeinde wegen ihrer in der Debatte abgegebenen Äußerungen. Im vorliegenden Prozeß geht es aber um den Inhalt des Ausschußberichtes selbst. Der Beklagte ist der Verfasser dieses Berichtes und hat ihn in der Gemeinderatsitzung als Mitglied eines Gemeindeorgans (des Kontrollausschusses) verlesen. Zutreffend verweist der Revisionswerber auf diesen Unterschied. Seinen Rechtsmittelausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Nach Art 118 Abs 2 B-VG umfaßt der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Sowohl die Bestellung von Gemeindebediensteten und die Ausübung der Diensthoheit (Art 118 Abs 3 Z 1 B-VG) als auch die örtliche Raumplanung (Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG) gehören nach der demonstrativen Aufzählung im Gesetz zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Der Kontrollausschuß ist neben den von der Verfassung für Gemeinden zwingend vorgesehenen Organen (Gemeinderat, Gemeindevorstand, Bürgermeister) ein mit landesgesetzlicher Ermächtigung einrichtbares weiteres Gemeindeorgan (hier ***** nach der Allgemeinen Gemeindeordnung 1993 - AGO, LGBl 1993/77). Der für ***** Gemeinden zu errichtende Kontrollausschuß (§ 26 Abs 1 AGO) hat die Gebarung der Gemeinde auf ihre ziffernmäßige Richtigkeit, Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Gesetzmäßigkeit zu überprüfen (§ 92 Abs 1 AGO). Der Kontrollausschuß hat durch einen von ihm gewählten Berichterstatter das Ergebnis der Prüfungen in einem Prüfungsbericht des Ausschusses zusammenzufassen. Wenn sich aus der Prüfung des Kontrollausschusses ein Anstand, der Maßnahmen zur Herstellung eines geordneten Gemeindehaushaltes erforderlich macht, ergibt, so sind die Prüfungsberichte des Kontrollausschusses dem Gemeinderat mit dem Antrag auf Durchführung der erforderlichen Maßnahmen vorzulegen (§ 93 Abs 1 und 2 AGO).

Aus § 76 Abs 1 AGO ergibt sich, daß den Gemeindeausschüssen auch andere Verhandlungsgegenstände zugewiesen werden können.

Der Kontrollausschuß und der Beklagte als dessen Obmann wurden mit der Prüfung der Tätigkeit des Klägers als Sachbearbeiter ***** beauftragt und tätig. Der Beklagte verfaßte entsprechend seiner Aufgaben nach § 93 Abs 1 AGO einen Prüfungsbericht, der dem Gemeinderat vorgelegt werden durfte (§§ 93 Abs 2, 76 Abs 1 AGO).

Nach der dargestellten Rechtslage ist die Tätigkeit des Kontrollausschusses und des Beklagten als dessen Obmannes als in Vollziehung der Gesetze im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu beurteilen. Es wurde nicht im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung ein Gemeindeunternehmen auf seine Wirtschaftlichkeit überprüft, sondern die Tätigkeit eines Gemeindebediensteten untersucht. Diese Kontrolltätigkeit ist ihrem Wesen nach schon deswegen hoheitlicher Natur, weil sie einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben aufweist (SZ 63/25 mwN), nämlich mit der Ausübung der Diensthoheit über einen Gemeindebediensteten. Tätigkeiten in diesem Rahmen, wie etwa auch die Ausübung der Disziplinargewalt (vgl SZ 62/6) sind hoheitliche Aufgaben. Hoheitsverwaltung ist immer dann anzunehmen, wenn ein Rechtsträger in Ausübung der ihm eingeräumten Beehls- und Zwangsgewalt zu handeln hat. Entscheidend ist, welche rechtstechnischen Mittel der Gesetzgeber zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereit hält. Beim Verhalten in Vollziehung der Gesetze muß es sich nicht unmittelbar um das Setzen oder Unterlassen von Befehls- oder Zwangsgewalt handeln. Erforderlich ist nur, daß das in Betracht kommende Organverhalten in einen Tätigkeitsbereich fällt, der an sich mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet ist (SZ 60/156 mwN). Dies ist vorliegend für den Bereich der Diensthoheit der Gemeinde (Art 118 Abs 3 Z 2 B-VG; § 10 Abs 2 Z 3 AGO) zu bejahen, weil auch eihne bloß vorbereitende Tätigkeit (des Kontrollausschusses) zu dienstrechtlichen Maßnahmen wegen des Zusammenhangs mit hoheitlichen Aufgaben ebenfalls als in Vollziehung der Gesetze erfolgt zu beurteilen ist (SZ 63/25 mwN).

Nach § 1 Abs 1 AHG besteht eine Haftpflicht der Gemeinden für den Schaden an Person oder Vermögen, den die als ihr Organ handelnde Person in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt hat. Dem Geschädigten haftet das Organ nicht. Handelt eine Person im Sinne dieser Gesetzesstelle als Organ, sind damit auch auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes gestützten Ansprüche des Geschädigten gegen das Organ ausgeschlossen. Die Vorschriften des Amtshaftungsgesetzes stellen im Verhältnis zum Allgemeinen bürgerlichen Recht eine Sonderregelung dar. Auch auf § 1330 ABGB gestützte Ansprüche können nicht geltend gemacht werden, wenn die kreditschädigenden Äußerungen vom Beklagten in seiner Eigenschaft als Organ im Sinne des § 1 Abs 1 AHG abgegeben wurden (MR 1990, 96 = SZ 63/25). Im vorliegenden Fall ist es daher entscheidend, daß der Beklagte als Obmann des Kontrollausschusses bei der Verfassung und Verlesung des Ausschußberichtes als Gemeindeorgan in Vollziehung der Gesetze tätig war. Er kann nach § 1330 ABGB nicht in Anspruch genommen werden. Seiner Revision war daher stattzugeben und die Klage abzuweisen, ohne daß auf die Revisionsausführungen zur Billigung des Ausschußberichtes des Beklagten durch die übrigen Mitglieder des Kontrollausschusses und auf die Rechtsfrage der Berechtigung der Veröffentlichung des Widerrufs in einer Zeitung eingegangen werden müßte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, diejenige über die Kosten beider Rechtsmittelverfahren auf §§ 41, 50 ZPO.

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