OGH 15Os128/95

OGH15Os128/9521.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.September 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Unterrichter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jürgen T***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 23. Juni 1995, GZ 16 Vr 673/94-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Jürgen T***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 4.Dezember 1994 (zu ergänzen: außer dem Fall des Abs 1) in einem Wald bei Waidhofen an der Thaya Margit D***** mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Drohung mit weiterer gegenwärtiger Gewalt (gemeint: durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben), indem er sagte, sie könne es auch anders haben, wenn sie nicht mitmache, was er wolle, könne er sie auch in den Graben hauen, sie hätte sowieso keine Chance gegen ihn, zur Duldung des Beischlafes und zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich eines Mundverkehrs, genötigt hat.

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Der Mängelrüge (Z 5) ist vorweg zu erwidern, daß sie unter dem Vorwand einer offenbar unzureichenden Urteilsbegründung - erklärtermaßen - bloß trachtet, nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung "erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Margit D*****" zu erwecken und demzufolge der leugnenden Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen, ohne einen formellen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO ist es nicht notwendig, im Urteil zu allen Vorbringen und Aussagen Stellung zu nehmen und alle Umstände einer Erörterung zu unterziehen, die durch das Beweisverfahren hervorgekommen sind. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof in den Entscheidungsgründen in gedrängter Form die entscheidenden (also für die Schuld oder für den anzuwendenden Strafsatz maßgebenden) Tatsachen bezeichnet, die er als erwiesen annimmt, und die den Denkgesetzen entsprechenden Gründe anführt, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahme geführt haben (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 7 f, 142).

Unter diesen Gesichtspunkten versagt zunächst der unter Punkt I.1 a erhobene Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe sich in keiner Weise mit dem Umstand auseinandergesetzt, daß - unter der Annahme der Richtigkeit der Aussagen der Zeugin D***** - der Angeklagte zwar erhebliche Gewalt angewendet habe, ohne das Opfer zu verletzen, es aber (nach der verfehlten Meinung des Beschwerdeführers) "geradezu zwangsläufig zu geringfügigen Verletzungen wie Druckspuren, Blutunterlaufungen, Kratzspuren oder ähnlichem hätte kommen müssen".

Abgesehen davon, daß die hier aktuelle Gewaltanwendung (vgl US 5:

Festhalten an den Handgelenken und Drücken in den Beifahrersitz; US

6: packte sie an der Hand; drückte sie ... vor ihm nieder und ihren

Kopf an sein Glied; US 7: ... er drückte sie auf die Sitzbank; US 12:

... indem er sie in den Beifahrersitz drückte, daß sie sich kaum mehr

bewegen konnte bzw sie in die Knie zwang ...) nach allgemeiner und forensischer Erfahrung keineswegs "geradezu zwangsläufig" sichtbare Verletzungsspuren nach sich ziehen muß und daher deren Fehlen kein taugliches Argument gegen die tatsächlich angewendete erhebliche Gewalt darstellt, greift die Rüge nur eines der drei festgestellten (gleichrangigen) Alternativmittel der Nötigung, nämlich Gewalt, heraus, läßt aber dabei die zwei anderen Begehungsarten unberücksichtigt, weshalb sie insoweit keinen entscheidenden Umstand berührt (vgl Mayerhofer/Rieder aaO E 31).

Gleiches gilt für den Beschwerdevorwurf (Punkt I.1 b), das mehrfache Ablehnen einer ärztlichen Untersuchung durch Margit D***** sei unerörtert geblieben, womit lediglich versucht wird, die - vom Schöffengericht bejahte - Glaubwürdigkeit der Zeugin in Zweifel zu ziehen.

Vollends offen legte die Nichtigkeitsbeschwerde ihre prozeßordnungswidrige Zielsetzung mit der Mutmaßung (Punkt I.1 c), die von Margit D***** in der Hauptverhandlung erwähnte Tabletteneinnahme ohne ärztliche Kontrolle zur Linderung psychischer Folgen der erlittenen Vergewaltigung könnte nicht nur eine Erklärung für ihre (von der Verantwortung des Angeklagten gänzlich abweichende) Darstellung des Tatgeschehens sein, sondern auch eine mögliche Ursache für den von den Zeugen beschriebenen Zustand des Opfers nach dem "angeblichen Vorfall".

Der Beschwerde zuwider bestand für die Erkenntnisrichter kein Anlaß "zu klären, welche Tabletten die Zeugin einnimmt, und ob die Zeugin allenfalls bereits vor dem Vorfall vom 4.12.1994, allenfalls auch an diesem Tag Tabletten zu sich genommen hat". Andererseits wäre es dem Angeklagten oder seinem Verteidiger freigestanden, die Zeugin Margit D***** in diese Richtung zu befragen. Dieses (eigene) Versäumnis als Begründungsmangel (und nicht als Verfahrensmangel) sowie zudem verspätet erst im Nichtigkeitsverfahren zu relevieren, ist unzulässig.

Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß das Erstgericht in einer Gesamtschau der vorhandenen Beweismittel sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen dargelegt hat, warum es den belastenden Aussagen der (einzigen) Tatzeugin Margit D***** geglaubt, hingegen der (den Einsatz jeglicher Nötigungsmittel) leugnenden Verantwortung des Angeklagten den Glauben versagt hat (US 8 ff).

Entgegen der Tatsachenrüge (Z 5 a), die lediglich auf die "vorstehend aufgezeigten Umstände" verweist, hegt der Oberste Gerichtshof nach Prüfung der gesamten Aktenlage keine Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Art - gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs 1 StPO zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§ 285 i StPO).

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