OGH 5Ob51/95

OGH5Ob51/9521.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin C***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Werner Goeritz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechtes ob der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** infolge Revisionsrekurses der Stadt Wien, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch Dr.Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 13. Jänner 1995, GZ 46 R 2060/94, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 26.September 1994, TZ 5470/94, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die grundbücherliche Durchführung und die Verständigung der Beteiligten obliegt dem Erstgericht.

Text

Begründung

Die im Kopf dieser Entscheidung genannte Liegenschaft liegt in dem mit Verordnung der Wiener Landesregierung LGBl 1991/21 zum Assanierungsgebiet erklärten Teil des zweiten Wiener Gemeindebezirkes. Diese Tatsache ist im Grundbuch angemerkt.

Die Antragstellerin begehrte die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes ob der im Kopf dieser Entscheidung genannten Liegenschaft, und zwar unter Vorlage eines Kaufvertrages, der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern, des rechtskräftigen Bescheides des Amtes der Wiener Landesregierung im selbständigen Wirkungsbereich des Landes vom 11.11.1992, wonach hinsichtlich der auf der genannten Liegenschaft errichteten Baulichkeit die Voraussetzungen nach § 7 Abs 2 lit d Stadterneuerungsgesetz (StadtErnG) für die Ausnahmen von Assanierungsmaßnahmen vorliegen, sowie schließlich eines Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes, mit dem die Beschwerde der Voreigentümerin gegen den vorangeführten Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung mit der Begründung (als unzulässig) zurückgewiesen wurde, daß die Beschwerdeführerin durch den in die Begründung des angefochtenen Bescheides aufgenommenen Satz, die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 Abs 2 StadtErnG beziehe sich nur auf Assanierungsmaßnahmen, berühre jedoch nicht die Anbotsverpflichtung und die Genehmigungspflicht von Rechtsgeschäften nach den §§ 8 und 9 StadtErnG, weil die Begründung des Bescheides für andere Behörden nicht bindend sei, eine Rechtsverletzung jedoch nur durch den Spruch eines Bescheides, nicht aber durch dessen Begründung erfolgen könnte.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, gemäß § 9 StadtErnG bedürfe der Erwerb von im Assanierungsgebiet gelegenen Liegenschaften durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden der Genehmigung (der Bezirksverwaltungsbehörde). Solche Verträge dürften nach § 31 Abs 3 StadtErnG nur dann grundbücherlich durchgeführt werden, wenn

1.) ein rechtskräftiger Bescheid über die Genehmigung des Rechtsgeschäftes, oder

2.) eine Bescheinigung gemäß § 31 Abs 1 letzter Satz StadtErnG (über den Mangel der Genehmigungspflicht gemäß § 9 Abs 3 StadtErnG) oder

3.) ein rechtskräftiger Bescheid im Sinne des § 29 Abs 2 StadtErnG (Entscheidung der Bezirksverwaltungsbehörde, ob und unter welchen Bedingungen der Vertrag mit der Gemeinde mangels Einigung mit dieser über gemäß § 8 StadtErnG vom Anbot gemachte Abweichungen zustandekam) oder im Sinne des § 2 Abs 2 StadtErnG (Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 StadtErnG dafür, daß Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz nicht ergriffen werden dürfen) vorliege.

Der vorgelegte Bescheid, daß hinsichtlich der auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft errichteten Baulichkeit die Voraussetzungen nach § 7 Abs 2 lit d StadtErnG für die Ausnahme von Assanierungsmaßnahmen vorlägen, sei keine der in § 31 Abs 3 StadtErnG genannten Urkunden, weshalb das Gesuch abzuweisen gewesen sei.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes in antragsstattgebendem Sinn ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß zu den Assanierungsmaßnahmen nach dem StadtErnG auch die Anbotspflicht und die Genehmigungspflicht gehörten, sodaß der die Ausnahme von sämtlichen Assanierungsmaßnahmen nach § 7 Abs 2 lit d StadtErnG feststellende Bescheid auch die Ausnahme von der Anbotspflicht und der Genehmigungspflicht (§§ 9 und 31 StadtErnG) zur Folge habe.

Da auch sonstige von Amts wegen wahrzunehmende Mängel der Bewilligung des Grundbuchgesuches nicht entgegenstünden, wäre dem Einverleibungsbegehren der Antragstellerin stattzugeben gewesen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, was unter "Assanierungsmaßnahmen" nach dem StadtErnG falle, fehle und weil der Frage, ob eine Feststellung gemäß § 7 Abs 2 lit d StadtErnG auch eine Ausnahme von der Anbotspflicht und Genehmigungspflicht gemäß den §§ 8 und 9 StadtErnG enthalte, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Stadt Wien mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß der betroffenen Gemeinde das Rekursrecht gegen einen Beschluß zusteht, mit dem entgegen § 31 Abs 3 StadtErnG eine Eintragung in das Grundbuch bewilligt wird (NZ 1992, 279/248).

Mit der Erklärung zum Assanierungsgebiet im Sinne des § 1 Abs 1 StadtErnG BGBl 1974/287 durch VO der Landesregierung (hier: Teile des 2. Wiener Gemeindebezirkes durch die VO LGBl 1991/21, darunter auch die verfahrensgegenständliche Liegenschaft) sind - soweit nicht nach § 2 StadtErnG als genereller Ausnahmebestimmung keinerlei Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz ergriffen werden dürfen - verschiedene, im StadtErnG geregelte Rechtsfolgen mit je verschieden geregelten Ausnahmen verbunden, so zB:

a) die Durchführung der Assanierungsmaßnahmen selbst, sofern nicht die Ausnahmetatbestände des § 7 Abs 2 lit a bis d StadtErnG gegeben sind, über deren Vorliegen die Bezirksverwaltungsbehörde zu entscheiden hat (§ 7 Abs 3 leg cit);

b) die Anbotsverpflichtung nach § 8 Abs 1 StadtErnG, sofern nicht die Ausnahmetatbestände des § 8 Abs 2 StadtErnG erfüllt sind (§ 8 Abs 2 leg cit);

c) die Genehmigungspflichtigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte - darunter die Übertragung des Eigentums - betreffend der im Assanierungsgebiet gelegenen Grundstücke nach § 9 Abs 2 StadtErnG, sofern nicht einer der in § 9 Abs 3 StadtErnG geregelten Ausnahmetatbestände erfüllt ist;

d) gemäß § 31 Abs 3 StadtErnG die Erfüllung folgender, über die sonstigen Voraussetzungen für die Verbücherung von Rechtsgeschäften hinausgehender Bedingungen im Falle der grundbücherlichen Durchführung von Rechtsgeschäften im Sinne des § 9 StadtErnG, nämlich das Vorliegen

1. eines rechtskräftigen Bescheides über die Genehmigung des Rechtsgeschäftes oder

2. einer Bescheinigung der Bezirksverwaltungsbehörde, daß das Rechtsgeschäft gemäß § 9 Abs 3 StadtErnG nicht genehmigungspflichtig ist oder

3. eines rechtskräftigen Bescheides im Sinne des § 29 Abs 2 StadtErnG (Entscheidung, ob und unter welchen Bedingungen der Vertrag mit der Gemeinde zustande gekommen ist, wenn diese das nach § 8 StadtErnG gestellte Anbot des Verkäufers nicht unverändert annehmen wollte) oder im Sinne des § 2 Abs 2 StadtErnG (generelle Ausnahme von den Bestimmungen des StadtErnG).

Schon diese Gesetzessystematik zeigt, daß ein Bescheid nach § 7 Abs 3 StadtErnG, der feststellt, daß sich die Assanierungsmaßnahmen nicht auf eine bestimmte Liegenschaft erstrecken (hier: wegen des Ausnahmetatbestandes nach § 7 Abs 2 lit d StadtErnG), nicht eine gänzliche Ausnahme von den Bestimmungen des Stadterneuerungsgesetzes oder zumindest über die mit der Erklärung zum Assanierungsgebiet verbundenen Rechtsfolgen darstellt, weil für die einzelnen im StadtErnG vorgesehenen Maßnahmen jeweils eine gesonderte Ausnahmeregelung normiert ist. Ein Bescheid nach § 7 Abs 3 StadtErnG hat daher auch nicht zur Folge, daß die in § 31 Abs 3 StadtErnG geregelten Voraussetzungen für die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrages betreffend eine im Assanierungsgebiet gelegene Liegenschaft nicht erfüllt sein müßten.

Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes, folgend der nicht näher begründeten Ansicht von Bujatti/Kazda, Das Stadterneuerungs- und das Bodenbeschaffungsgesetz, 6 (Anm 2 zu § 1 StadtErnG), daß ua auch die Anbotsverpflichtung nach § 8 StadtErnG und die Genehmigungspflichtigkeit von Rechtsgeschäften nach § 9 StadtErnG Assanierungsmaßnahmen seien, sind die Rechtsfolgen nach den §§ 8 und 9 StadtErnG mit der Lage des betreffenden Grundstückes im Assanierungsgebiet unabhängig davon verbunden, ob die Baulichkeiten auf dem betreffenden Grundstück einer Assanierung bedürfen oder nicht und daher im letztgenannten Fall bescheidmäßig von den Assanierungsmaßnahmen ausgenommen werden. Dies folgt schon aus dem Gesetzeswortlaut selbst, nach dem die Gemeinde von dem nach § 8 StadtErnG gestellten Anbot nicht nur zu Assanierungszwecken Gebrauch machen kann, sondern auch deswegen, weil sie das Grundstück für von ihr wahrzunehmende öffentliche Zwecke benötigt, insbesondere im Zusammenhang mit der örtlichen Raumplanung (§ 8 Abs 1 Satz 2 StadtErnG). Assanierungsmaßnahmen sind eben tatsächliche Handlungen zur Beseitigung der Assanierungsbedürftigkeit; nur auf solche bezieht sich § 7 Abs 2 StadtErnG, wogegen es sich bei der Anbots- und Genehmigungspflicht um rechtliche Instrumentarien, Assanierungsmittel, handelt, deren Anwendbarkeit aber nicht auf tatsächlicher Assanierungsmaßnahmen bedürftige Liegenschaften beschränkt ist (Geuder, Assanierungsrecht, 126 f). Folgerichtig stellt die für die grundbücherliche Durchführung von Rechtsgeschäften maßgebende Bestimmung des § 31 Abs 3 StadtErnG überhaupt nicht auf einen Ausnahmebescheid nach § 7 Abs 3 StadtErnG ab.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 Abs 3 StadtErnG der zutreffende antragsabweisende Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.

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