OGH 4Ob72/95

OGH4Ob72/9518.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa C*****, vertreten durch Dr.Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei F*****, C*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Lindner und Mag.Thomas Fragner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000,-), infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 29.Juni 1995, 3 R 133/95-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 27. April 1995, 5 Cg 237/95p-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 25.160,40 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 4.193,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Beide Parteien betreiben in I***** Schlankheitsstudios. In der Ausgabe vom 12.10.1994 der Wochenzeitung "S*****" warb die Beklagte in einem Inserat für ihre Leistungen unter anderem mit der Behauptung: "10 Jahre Erfahrung verdienen auch Ihr Vertrauen".

Die Beklagte ist seit 12.2.1988 im Firmenbuch des Landesgerichtes Linz eingetragen; ihre Geschäftsführer sind Mag.Gerhard S***** und Ilse H*****. Mag.Gerhard S***** entschloß sich zu Beginn des Jahres 1984, gemeinsam mit Dr.Alexander G***** Schlankheits- und Bräunungsinstitute zu eröffnen. Um sich die erforderlichen Kenntnisse anzueignen, besuchten die beiden Institute in Österreich und Deutschland und nahmen mit Ärzten Kontakt auf. Am 15.4.1985 eröffnete die F***** H*****Gesellschaft mbH in L***** ein Studio. Mieter der Institutsräumlichkeiten waren die Eltern von Mag.Gerhard S*****, die für ihn auch die Geschäftsanteile an der F***** H*****Gesellschaft mbH hielten. 1986 wurden weitere Studios in I*****, S*****, W***** und St.P***** eröffnet. Die Firma der F***** H*****Gesellschaft mbH wurde in S.*****Gesellschaft mbH geändert; am 23.2.1988 wurde über das Vermögen dieses Unternehmens das Konkursverfahren eröffnet. Die - später in F***** C*****Gesellschaft mbH umbenannte - K***** Gesellschaft mbH mit Sitz in L***** erwarb die Masse und führte die Betriebe weiter. Mag.Gerhard S***** war weder Geschäftsführer noch Gesellschafter, blieb jedoch wie bisher verantwortlicher Geschäftsleiter.

Das Schlankheits- und Bräunungsstudio der Beklagten in I***** wird seit 1.7.1988 von Silvia R***** geleitet. Silvia R***** absolvierte vom 31.1.1983 bis 31.1.1986 eine Doppellehre für Kosmetik und Fußpflege im Sporthotel I*****. Sie legte am 27.1.1986 die Lehrabschlußprüfung für Fußpflege und am 4.1.1986 für Kosmetik ab. Am 18.8.1986 schied sie bei diesem Dienstgeber aus; am 22.9.1986 trat sie in das Unternehmen der Klägerin ein, in dem sie bis 30.6.1988 arbeitete.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insbesondere im Rahmen von Werbeankündigungen sowie Werbeinseraten, Hinweise auf "10 Jahre Erfahrung", insbesondere den Satz "10 Jahre Erfahrung verdienen auch Ihr Vertrauen", zu verwenden.

Die Werbebehauptung sei irreführend, weil die Beklagte erst am 12.2.1988 in das Firmenbuch des Landesgerichtes Linz eingetragen worden sei. Sie könne daher nicht über 10 Jahre Erfahrung verfügen.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Das erste Schlankheitsstudio sei 1985 eröffnet worden. Mag.Gerhard S***** habe das Unternehmen schon damals geleitet; als Croupier der Casinos Austria habe er aber - ebenso wie derzeit - weder Geschäftsführer noch Gesellschafter sein können. Silvia R***** habe bereits während ihrer Lehrzeit Körper- und Schlankheitsbehandlungen zur Gewebestraffung und zum Fettabbau durchgeführt. Ihre mehr als 11-jährige Erfahrung in der Kosmetikbranche komme den Kunden der Beklagten zugute.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab.

Mag.Gerhard S***** und Dr.Alexander G***** hätten bereits 1984 begonnen, sich die für den Betrieb eines Schlankheits- und Bräunungsstudios erforderlichen Kenntnisse anzueignen. Silvia R***** habe ihre Lehre für Fußpflege und Kosmetik 1986 abgeschlossen und sei zunächst bei der Klägerin, dann bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte verfüge über keine 10-jährige Erfahrung beim Betrieb von Schlankheitsstudios, sei demnach im Provisorialverfahren widerlegt worden.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die einstweilige Verfügung erließ. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Werbung mit der Erfahrung sei grundsätzlich geeignet, die Kauflust anzuregen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Erfahrung des Unternehmensleiters oder des Behandlers maßgebend sei. Weder die Leiterin des Studios der Beklagten in I***** noch deren Geschäftsführer könnten sich auf eine entsprechende Erfahrung berufen. Lernzeiten und Ausbildungszeiten seien nicht zu berücksichtigen. Daß sich die Studioleiterin der Beklagten schon während ihrer Lehrzeit mit Schlankheitsbehandlung befaßt hätte, sei im übrigen nicht bescheinigt. Der Geschäftsführer der Beklagten könne bestenfalls auf eine einschlägige Erfahrung von 9 Jahren und (nicht ganz) 6 Monaten verweisen. Werbeaussagen seien aber stets zu Ungunsten des Werbenden auszulegen, so daß die Behauptung, über eine 10-jährige Erfahrung zu verfügen, unrichtig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Die Beklagte ist der Auffassung, daß Berufserfahrung schon in der Lehr- und Ausbildungszeit erworben werde. Sowohl der Geschäftsführer der Beklagten als auch deren Geschäftsleiterin in Innsbruck seien seit mehr als 10 Jahren in der Kosmetikbranche tätig. Ob jemand über eine Erfahrung von 10 oder von 9 1/2 Jahren verfüge, sei für den Kaufentschluß unerheblich.

§ 2 UWG verbietet alle Angaben geschäftlicher Art, die zu Wettbewerbszwecken im geschäftlichen Verkehr gemacht werden und geeignet sind, bei einem nicht unerheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und seinen Kaufentschluß irgendwie zu beeinflussen. Zwischen der Vorstellung, die durch die irreführende Angabe hervorgerufen wird, und dem Entschluß, sich mit dem Angebot zu befassen, muß ein Zusammenhang bestehen (stRsp zB MR 1990, 235 - Inkassobüro mwN; s auch MR 1987, 181 - OÖ.Rundschau; MR 1988, 135 - Donauland; ecolex 1993, 177 - Getränkedienst ua).

Die Beklagte wirbt mit der Behauptung, über 10 Jahre Erfahrung zu verfügen. Die Behauptung, Erfahrung einer bestimmten Art oder in einem bestimmten Ausmaß zu besitzen, wird in der Regel auf die Personen bezogen, die für die werbende juristische Person in leitender Funktion tätig sind. Der Geschäftsführer der Beklagten war verantwortlicher Geschäftsleiter, als die später in Konkurs gegangene F***** H*****Gesellschaft mbH am 15.4.1985 in L***** ein Schlankheitsstudio eröffnete; dieses Studio und die in der Folge eröffneten Studios wurden von der Beklagten - damals noch unter der Firma K*****Gesellschaft mbH - aus der Masse erworben und weitergeführt. Mag.Gerhard S***** befaßt sich demnach seit 15.4.1985 mit dem Betrieb von Schlankheitsstudios; als das beanstandete Inserat am 12.10.1994 eingeschaltet wurde, waren seit Beginn seiner Tätigkeit rund 9 Jahre und 6 Monate verstrichen. Die Behauptung über 10 Jahre Erfahrung zu verfügen, ist demnach zwar unrichtig; die dadurch beim Publikum hervorgerufene Vorstellung, daß die Beklagte dank erfahrener und daher fachkundiger Mitarbeiter bewährte, in langjähriger Anwendung erprobte Leistungen anbiete, wäre aber nicht anders, würde mit einer Erfahrung von 9 Jahren und 6 Monaten geworben. Der durch die beanstandete Behauptung hervorgerufene Irrtum ist für den Entschluß, sich mit dem Angebot der Beklagten zu befassen, unerheblich; mangels Relevanz der zur Irreführung geeigneten Behauptung liegt kein Verstoß gegen § 2 UWG vor.

Es braucht daher nicht mehr geprüft zu werden, ob auch die Studioleiterin der Beklagten in Innsbruck über 10 Jahre Erfahrung verfügt. Sie ist aber jedenfalls seit 22.9.1986 mit Schlankheitsbehandlungen befaßt, so daß ihre langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet die durch die beanstandete Behauptung ebenfalls hervorgerufene Vorstellung erfüllt, daß die Beklagte erfahrene und daher entsprechend fachkundige Mitarbeiter habe.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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