OGH 8ObA292/95

OGH8ObA292/9514.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer und die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer und Ignaz Gattringer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zeljo G*****, vertreten durch Dr.Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Franz D*****, vertreten durch Dr.Robert Schuler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen brutto S 75.731 abzüglich netto S 13.000 sA (Revisionsinteresse S 12.014,61 sA) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.Mai 1995, GZ 5 Ra 60/95-22, mit dem infolge der Berufungen beider Teile (Berufungsinteresse S 55.867,42) das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.Dezember 1994, GZ 43 Cga 146/94p-13, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit S 8.943,09 (einschließlich S 1.159,50 Umsatzsteuer und S 1.980 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Strittig ist im Revisionsverfahren nur mehr, ob die Entlassung des Klägers gemäß § 82 f GewO berechtigt war und ihm daher die entlassungsabhängigen Ansprüche von (richtig) S 12.014,61 (das Berufungsgericht kommt aufgrund eines Rechenfehlers auf einen Betrag von S 12.040,69) nicht gebühren.

Als für diese Frage wesentlich steht fest:

Der Kläger war vom 27.12.1993 bis zu seiner Entlassung am 15.2.1994 beim Beklagten, der ein Hotel in Tirol betreibt, als Barkellner, und zwar jeweils von 16.00 Uhr bis 24.00 Uhr beschäftigt. Er arbeitete mit Ausnahme zweier nicht näher feststellbarer Tage Ende Dezember, an denen er zur Regelung einer Paßangelegenheit in Salzburg zwei Ruhetage erhielt, jeden Tag.

Anfang Februar 1994 bat der Kläger den Beklagten um einen freien Tag, weil er zur Regelung der Visum-Verlängerung wieder für einen Tag zum Konsulat nach Salzburg fahren müsse. Die Bezirkshauptmannschaft hatte ihn zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach darauf aufmerksam gemacht, daß er für die Visum-Verlängerung seinen Reisepaß vorlegen müsse. Dazu mußte er ihn allerdings vorher in Salzburg beheben. Der Beklagte erwiderte ihm damals, daß er ihm jetzt wegen des Geschäftsganges noch nicht freigeben, er aber in einer der nächsten Woche frei haben könne.

Von der Bezirkshauptmannschaft wurde dem Kläger dann mitgeteilt, daß er den Reisepaß jedenfalls in der Woche vom 14. bis 18.2.1994 vorlegen müsse, ansonsten er mit einer Verwaltungsstrafe rechnen und gewärtigen müsse, daß er keine Visum-Verlängerung mehr erhalten werde. Daraufhin sprach der Kläger am Sonntag, dem 13.2.1994, den Beklagten daraufhin an, daß er nun wegen des Reisepasses nach Salzburg fahren müsse. Er teilte dem Beklagten mit, daß er morgen, also am 14.2., diese Fahrt erledigen möchte. Der Beklagte erwiderte dem Kläger, daß er an diesem Tag nicht frei haben könne, da es sich um den Rosenmontag handle, der einer der umsatzstärksten Tage des Jahres sei, weshalb er die Arbeitskraft des Klägers benötige, zumal auch kein anderes Personal zur Verfügung stehe. Gleichzeitig teilte er dem Kläger mit, daß dieser ab Aschermittwoch dann durchaus mehrere Tage frei bekommen könne, da er bislang ja kaum freie Tage konsumiert habe. Der Kläger nahm dies wortlos zur Kenntnis, kam jedoch am nächsten Tag nicht zur Arbeit, sondern fuhr zur Regelung seiner Paßangelegenheit nach Salzburg. Als er am folgenden Tag (Faschingdienstag) in den Nachmittagsstunden wieder in das Gasthaus des Beklagten kam, wurde er von diesem wegen Nichterscheinens am Vortag entlassen.

Das Erstgericht hielt die Entlassung des Klägers wegen unberechtigten Verlassens der Arbeit nach § 82 lit f GewO für berechtigt; dieser sei durch eine erhebliche Zeit, nämlich einen ganzen Arbeitstag, an dem er, wie er wußte, dringend benötigt werde, von der Arbeit ferngeblieben. Rechtfertigungsgründe könne er nicht in Anspruch nehmen. Seine Visumangelegenheiten hätte er noch bis zum 18.2. regeln können, wobei ihm ab dem Aschermittwoch (15.2.) noch weitere zwei Tage zur Verfügung gestanden wären, die ihm der Beklagte auch alle in Aussicht gestellt habe.

Das Berufungsgericht hielt die Berufung des Klägers insofern für berechtigt und sprach dem Kläger (infolge eines Rechenfehlers von S 26,08) weitere S 12.040,69 zu. Es meinte, das Fernbleiben des Klägers am 14.2.1994 sei ausreichend gerechtfertigt gewesen. Dem Kläger sei für die Regelung der Visumsangelegenheit eine endgültige Frist bis 18.2.1994 von der Bezirkshauptmannschaft gesetzt worden. Vorher habe der Kläger noch seine Paßangelegenheit in Salzburg regeln müssen. Im Hinblick auf die tatsächlich verschärften Bestimmungen sei dem Kläger nicht zumutbar gewesen, bis zum letzten "Abdruck" zuzuwarten, da irgendwelche Zwischenfälle nie ausgeschlossen werden könnten. Bei einer Kollision von arbeitsrechtlichen Pflichten mit einer höherwertigen Pflicht sei aber ein vertragsgemäßes Verhalten nicht zumutbar gewesen.

Gegen den Zuspruch dieser entlassungsabhängigen Ansprüche von (richtig) S 12.014,61 sA richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung berechtigt.

Die Entlassung iSd § 82 lit f GewO erster Tatbestand ist berechtigt, wenn der Dienstnehmer ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer erheblichen Zeit pflichtwidrig seine Arbeit unterläßt. Die Bestimmung ist iSd § 27 Z 4 AngG auszulegen (Arb 10.427, 10.449, 10.649, 10.714 uva; Kuderna, Entlassungsrecht2, 137 mit Verweis auf 102 ff; zum Rechtfertigungsgrund siehe insbesondere die Ausführungen S 105 mwN).

Daß der Kläger seine Dienstleitung als Barkellner während einer erheblichen Zeit, nämlich am Rosenmontag, in dem er von seinem Arbeitgeber wegen des zu erwartenden starken Geschäftsganges besonders dringend benötigt worden wäre, unterlassen hat, ist unstrittig. Ebenso der Umstand, daß dies der Kläger wußte, weil ihn der Beklagte anläßlich seines abschlägig beschiedenen Ersuchens um Dienstfreistellung gerade an diesem Tag ausdrücklich darauf hinwies. Festgestellt wurde, daß der Beklagte dem Kläger mehrere dienstfreie Tage ab Aschermittwoch anbot. Der Kläger hätte daher hinreichend Zeit gehabt, am Mittwoch seinen Paß aus Salzburg abzuholen und ihn Donnerstag oder Freitag noch fristgerecht bei der Bezirkshauptmannschaft zur Erledigung seiner Visumangelegenheit vorzulegen. Dem Kläger fehlt daher ein hinreichender Rechtfertigungsgrund für seine, dem ausdrücklichen Willen des Dienstgebers widersprechende eigenmächtige Inanspruchnahme eines freien Tages gerade am Rosenmontag, mag auch der Kläger bereits Anspruch auf mehrere freie Tage gehabt haben, weil ihm die wöchentliche Ruhezeit - offenbar wegen der Winter-Hochsaison im Betrieb des Beklagten - bis dorthin nicht zureichend gewährt worden war.

Von einer Kollision von arbeitsrechtlichen Pflichten mit einer höherwertigen Pflicht, die ihm ein vertragsgemäßes Verhalten nicht zumutbar machte, kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden. Dazu kommt noch, daß er sich scheinbar den Anordnungen des Beklagten fügte und ihn vom Nichtantritt seines Dienstes am Montag nicht verständigte, sodaß sich dieser auch nicht rechtzeitig um Ersatz umsehen konnte, und daß er weiters auch nach seiner Rückkehr aus Salzburg nicht versuchte, seinen Dienst noch anzutreten, was jedenfalls, wenn auch möglicherweise etwas verspätet, an diesem Tage noch möglich und sinnvoll gewesen wäre, da erfahrungsgemäß gerade in den späteren Abendstunden eine Bar besonders stark frequentiert wird.

Die Entlassung des Beklagten war daher berechtigt, sodaß ihm die noch strittigen entlassungsabhängigen Ansprüche nicht gebühren. Das erstgerichtliche Urteil war daher wiederherzustellen.

Bei der Kostenentscheidung ist hinsichtlich des Berufungsverfahrens davon auszugehen, daß letztlich beide Berufungen erfolglos geblieben sind, weshalb beide Teile die Kosten ihrer Berufungsschrift (einschließlich der Pauschalgebühren) selbst zu tragen und dem Gegner die Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen haben. Der Berufungsverhandlung lag ein Gesamtstreitwert von S 55.867,42 zugrunde. Der Kläger hat mit rund einem Fünftel, die beklagte Partei mit vier Fünftel obsiegt. Gemäß den §§ 43 Abs 1, 50 ZPO hat daher der Kläger dem Beklagten drei Fünftel der Verhandlungskosten und die Differenz der Kosten der Berufungsbeantwortungen zu ersetzen.

Im Revisionsverfahren hat der obsiegende Beklagte gemäß den §§ 41, 50 ZPO Anspruch auf Ersatz seiner gesamten Kosten.

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