OGH 11Os122/95

OGH11Os122/9512.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1995 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer, Dr.Holzweber und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alves Cusseca S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 14.Juni 1995, GZ 33 Vr 534/95-107, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Zehetner, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Edenhauser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde der am 6.März 1959 geborene angolanische Staatsbürger Alves Cusseca S***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 24.Oktober 1991 in Salzburg Ndombasi K***** durch 14 Messerstiche vorsätzlich getötet.

Die Geschworenen bejahten die - anklagekonform - auf Mord gerichtete Hauptfrage im Stimmenverhältnis 8 : 0. Weitere Fragen wurden nicht gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten gegen diesen Schuldspruch aus dem Grund des § 345 Abs 1 Z 6 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt nicht durch:

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung erblickt der Beschwerdeführer im Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach vorsätzlicher Körperverletzung mit tödlichem Ausgang.

Dabei übersieht der Rechtsmittelwerber, daß eine Eventualfrage gemäß § 314 Abs 1 StPO unter anderem nur dann zu stellen ist, wenn nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung die Möglichkeit naheliegt, daß die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fällt, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Dabei kann immer nur ein tatsächliches Substrat, nicht aber jede abstrakt denkbare Möglichkeit Grundlage für eine Eventualfrage sein.

Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung damit verantwortet, er fühle sich für den Tod des Ndombasi K***** nicht verantwortlich, er könne sich an den Vorgang, der zu den tödlichen Verletzungen des Genannten geführt hat, nicht erinnern, es sei nur möglich, daß die Tat so passiert sei, wie er sie vor den Polizeibeamten und dem Untersuchungsrichter geschildert habe (119/II ff, 147 bis 153/II). Bei der polizeilichen Vernehmung wiederum hat der Angeklagte angegeben, daß es zwischen ihm und Ndombasi K***** zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen sei, wobei jener ein Messer verwendet habe. Als seinem Gegner das Messer aus der Hand gefallen sei, habe er es aufgehoben. Nachdem er das Messer in der Hand gehabt habe, könne er sich an weitere Details nicht mehr erinnern. Er sei so erregt gewesen, daß es durchaus möglich sei, daß er zugestochen habe (379/I; ähnlich die - laut 171/II gleichfalls in der Hauptverhandlung verlesene - Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter ON 43, insbes 369/I oben).

Diese Verantwortung indiziert nicht die Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang, denn das behauptete Nichtwissen über den Vorgang, der zum Tod des Kontrahenten geführt hat, schließt nicht eine Verantwortung mit ein, wonach der Angeklagte (bloß) mit Verletzungsvorsatz gehandelt hat und nimmt der wiederholten Beteuerung, "sicher" nicht mit Tötungswillen gehandelt zu haben (396/I), den Charakter eines (über die Äußerung bloßer Vermutungen hinausgehenden) Tatsachenvorbringens.

Die begehrte Eventualfrage wurde daher vom Schwurgerichtshof zu Recht nicht gestellt, sodaß der behauptete Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Jahren. Dabei wertete es als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe und die brutale Vorgangsweise, als mildernd keinen Umstand.

Mit seiner dagegen erhobenen Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers hat das Erstgericht zu Recht die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen (unter anderem) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB als einschlägig gewertet, ist sie doch gegen dasselbe Rechtsgut wie die gegenständliche Tat, nämlich gegen die körperliche Integrität anderer Personen, gerichtet. Ebenso wurde richtigerweise die besondere Brutalität der Tathandlung (Versetzen von vierzehn Messerstichen, zum Teil in den Rückenbereich) als erschwerend gewertet, wird doch diese Grausamkeit keineswegs bereits vom Tatbestand des Mordes umfaßt. Die besondere Brutalität der Tathandlung stellt nämlich primär auf den gesteigerten Unwert des äußeren Tatverlaufs ab, den der Täter unabhängig von seiner psychischen Verfassung zur Tatzeit bei der Strafbemessung gegen sich gelten lassen muß (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 34 Z 6 Nr 30 d).

Der Hinweis auf die Strafenpraxis in anderen Mordfällen im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg versagt schon mangels Vergleichbarkeit der Umstände des Einzelfalles.

Insgesamt hat somit das Erstgericht die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig erfaßt und ihrem Gehalt entsprechend gewürdigt.

Unter Bedachtnahme darauf sowie auf die allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) wurde unter weiterer Berücksichtigung der gesamten Tatumstände die vom Geschworenengericht ausgesprochene Freiheitsstrafe nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten keineswegs zu hoch ausgemessen, sodaß dem Begehren auf Strafreduktion kein Erfolg beschieden sein konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte