OGH 6Ob537/95

OGH6Ob537/9531.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schinko, Dr.Baumann und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard S*****, vertreten durch Dr.Peter Bartl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Daniel W*****, vertreten durch Dr.Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wegen US-Dollar 150.000,-- sA, infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20.Dezember 1994, AZ 1 R 226/94 (ON 39), womit der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 27. September 1994, GZ 17 Cg 412/93-34, stattgegeben und die Klage abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war Mitglied einer aus drei Personen bestehenden Gesellschaft ("Gruppe S*****"). Der Beklagte war Mitglied einer aus zwei Personen bestehenden Gesellschaft "Gruppe W*****" (die beiden Gesellschaften werden in der Folge Gesellschaft des Klägers bzw. Gesellschaft des Beklagten genannt).

Zur Durchführung eines mit einem Dritten als Käufer geplanten "Goldgeschäfts" schlossen die beiden genannten Gesellschaften am 12.5.1989 in Zürich einen Vertrag, womit sich die Gesellschaft des Klägers verpflichtete, der Gesellschaft des Beklagten 250.000 US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Dieser Betrag sollte nach Abwicklung der ersten Tranche des Goldgeschäfts mit dem Dritten oder aber spätestens am 25.5.1989 an die Gesellschaft des Klägers zurückgezahlt werden, wenn der mit dem Dritten abzuwickelnde Vertrag nicht erfüllt wird. Die Gesellschaft des Beklagten verpflichtete sich zur Bezahlung einer Provision von 0,7 %. Die beiden Gesellschaften vereinbarten als Gerichtsstand Graz und weiters die Anwendung österreichischen Rechts auf ihren abgeschlossenen Vertrag (Beil.A).

Mit der am 31.3.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung eines Teilbetrags des von der Gesellschaft des Klägers dem Beklagten übergebenen Betrages von US-Dollar 250.000,--. Das Rechtsgeschäft mit dem Dritten sei nicht zustandegekommen. Der Beklagte habe nur einen Teilbetrag von US-Dollar 100.000,-- zurückgezahlt. Ursprünglich habe der Beklagte vom Kläger einen Scheck über US-Dollar 249.900,-- erhalten. Da eine sofortige Scheckeinlösung nur bei entsprechender Bonität des Beklagten möglich gewesen sei, habe der Kläger über einen Mitgesellschafter veranlaßt, daß der Beklagte das Geld bar erhalte, was auch geschehen sei.

Der Beklagte bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, daß der Beklagte nie den vom Kläger behaupteten Betrag von US-Dollar 250.000,-- erhalten habe. Ein ihm übergebener Scheck über 249.900,-- US-Dollar sei nicht eingelöst worden. Mangels Erhalts des vom Kläger zugesagten Betrages habe der Vertrag vom 12.5.1989 "keine Rechtsgültigkeit entfalten" können. Im Rahmen einer Geschäftsbeziehung des Beklagten zu einem Mitgesellschafter des Klägers habe zwar ein Betrag von 250.000,-- US-Dollar zur Finanzierung eines Auslandsgeschäfts eine Rolle gespielt. Dabei handle es sich aber um "ein völlig anderes Rechtsgeschäft", das ohne Bezug zum Kläger nur zwischen dem Mitgesellschafter des Klägers und dem Beklagten abgewickelt worden sei (ON 13 und S.9 f zu ON 25).

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte neben dem im wesentlichen schon wiedergegebenen Inhalt der Vereinbarung vom 12.5.1989 weiters noch fest, daß dem Beklagten von der Gesellschaft des Klägers ein Barbetrag von US-Dollar 100,-- und nach der nicht erfolgten Einlösung eines Schecks über 249.900,-- US-Dollar ein weiterer Barbetrag von US-Dollar 249.900,-- zur Verfügung gestellt worden sei, letzterer Betrag "ausschließlich vom Kläger" (S.5 in ON 34). Der Beklagte sei durch Intervention eines Vermögensverwalters in den Besitz des Geldes gelangt und habe im Hinblick auf das letztlich nicht zustandegekommene Goldgesschäft am 24.5.1989 einen Betrag von 100.000,-- US-Dollar an einen der Mitgesellschafter des Klägers zurückgezahlt und eine Frist von 12 Wochen zur Rückzahlung des noch ausstehenden Betrages von 150.000,-- US-Dollar erbeten. Der Beklagte habe das Geld nicht zur Bereitstellung einer Erfüllungsgarantie (performance bond) für das geplante Goldgeschäft, sondern zur Deckung laufender Auslagen und seiner Lebenshaltungskosten verwendet. Der dem Beklagten übergebene Geldbetrag habe sich nur auf das geplante, aber nicht zustandegekommene Goldgeschäft, nicht aber auf ein anderes Rechtsgeschäft bezogen. Der Kläger habe zur Hereinbringung seiner Forderung ein Inkassobüro sowie eine deutsche Rechtsanwaltskanzlei beauftragt. Er habe die Eintreibung im Einvernehmen mit seinen Mitgesellschaftern alleine betrieben. Die Gesellschaft des Klägers habe sich Ende 1990 aufgelöst. Auch die Gesellschaft des Beklagten bestehe nicht mehr.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte das Erstgericht noch fest, daß zwischen den Mitgesellschaftern der Gesellschaft des Klägers darüber Einvernehmen bestanden habe, daß die Klagsforderung dem Kläger zustehe und von diesem betrieben werde (S.7 in ON 34).

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß die Gesellschaft des Klägers eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts darstelle. Die aktive Klagslegitimation sei im Hinblick auf die Auflösung der Gesellschaft gegeben. Die Forderung sei auf den Kläger übergegangen. Zwischen den Mitgesellschaftern habe Einvernehmen darüber bestanden, daß die streitgegenständliche Forderung dem Kläger zustehe und von diesem betrieben werde. Nach Auflösung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts hafteten die Gesellschafter für Gesellschaftsschulden in gleicher Art und in gleichem Umfang weiter. Im Hinblick auf § 4 des Vertrages vom 12.5.1989 hafte der Beklagte persönlich für die Rückzahlungsverpflichtung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten statt und wies die Klage ab. Ausgehend von den erstinstanzlichen Feststellungen verneinte es die Aktivlegitimation des Klägers. Diese sei vom Beklagten durch die Bestreitung, etwas zu schulden, bestritten worden. Nach dem Vorbringen des Klägers selbst mache er einen Anspruch geltend, der nur der bürgerlich-rechtlichen Erwerbsgesellschaft (des Klägers) gegen diejenige des Beklagten zustehe. Der Kläger habe nicht vorgebracht, aus welchen Gründen er berechtigt sein sollte, die Forderung der Gesellschaft selbst geltend machen zu können. Nach österreichischem Recht komme der Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine Rechtspersönlichkeit zu. Als Kläger müßten alle Gesellschafter auftreten oder zumindest den im Prozeß Auftretenden bevollmächtigen. Es stehe zwar die Ermächtigung der übrigen Gesellschafter an den Kläger fest, daß dieser allein die Forderung betreibe, der Kläger begehre jedoch nicht die Zahlung namens der Gesellschaft und auch nicht namens seiner Mitgesellschafter, sondern im eigenen Namen. Die Gesellschaftsforderung sei eine Gesamthandforderung. Mangels gegenteiliger Vereinbarung könne der Schuldner nur an alle Gesellschafter bzw. an einen gemeinsamen Bevollmächtigten leisten. Der einzelne Gesellschafter müßte die Zustimmung der anderen Gesellschafter behaupten und nachweisen. Die festgestellte Auflösung der Gesellschaft des Klägers lasse die Qualifikation der Gesellschaftsforderung als Gesamthandforderung unberührt. Die Forderung der Gesellschaft sei nicht auf den Kläger übergegangen. Dazu reiche es nicht, daß das der Gesellschaft des Beklagten (oder dem Beklagten) übergebene Geld vom Kläger gestammt habe. Selbst wenn man aber dem Kläger ein quotenmäßiges Befriedigungsrecht zubilligen wollte, wäre für ihn nichts zu gewinnen, weil er bereits einen Betrag von US-Dollar 100.000,-- erhalten habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß "im Hinblick auf die internationalrechtlichen Beziehungen zwischen den Streitteilen" die ordentliche Revision zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs.1 ZPO zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Das Berufungsgericht hat die Frage der Aktivlegitimation zutreffend nach österreichischem Recht beurteilt. Die Vertragsparteien des Vertrages vom 12.5.1989 haben die Anwendung österreichischen Rechts vereinbart. Diese Rechtswahl nach §§ 35 Abs.1, 11 IPRG ist im gesamten internationalen Schuldrecht zulässig (Schwimann in Rummel ABGB II2 Rz 1 zu § 35 IPRG) und verdrängt die gesetzliche Anknüpfung. Die Frage der Sachlegitimation ist nach dem Vertrag vom 12.5.1989, also nach dem Schuldverhältnis, zu prüfen, aufgrund der getroffenen Rechtswahl also nach österreichischem Recht.

Der Zusammenschluß mehrerer Personen zu einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck begründet eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 1175 ff ABGB). Nach übereinstimmender Lehre und herrschender Rechtsprechung ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht parteifähig, sodaß sie ihre Forderungen nicht als Gesellschaft geltend machen kann. Es müssen die Gesellschafter als Parteien einschreiten. Forderungen der Erwerbsgesellschaft werden als Gesamthandforderungen angesehen (SZ 53/2 mwN). Die Leistung kann nur an alle Gesellschafter erfolgen (SZ 50/151). Ein einzelner Gesellschafter ist allerdings zur Klage legitimiert, wenn er die Zustimmung der Mitgesellschafter nachweist oder auf Hinterlegung des Geschuldeten für alle Gesellschafter klagt (RZ 1983/53; SZ 64/63 mwN). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes liegt der erstgenannte Fall hier vor. Das Erstgericht hat - wenn auch ohne diesbezügliches Parteivorbringen des Klägers und daher überschießend - eine Zustimmung der Mitgesellschafter des Klägers zur alleinigen Betreibung der Gesellschaftsforderung festgestellt. Dessen Aktivlegitimation ist daher zu bejahen. Daß er die Forderung nicht ausdrücklich (auch) namens der Mitgesellschafter geltend machte, schadet nicht. Die Frage der Aktivlegitimation wurde vom Erstgericht amtswegig geprüft. Die Aktivlegitimation wurde weder im Verfahren erster Instanz noch in der Berufung des Beklagten bestritten. Das Berufungsgericht hat aktenwidrig eine solche Bestreitung in der Berufung des Beklagten angenommen. Dieser hatte in seiner Rechtsrüge aber nur das Fehlen einer Zustimmung im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, also der Gesellschaft, der der Beklagte angehörte, releviert (S.5 f der Berufung ON 35), die zur Aktivlegitimation wesentlichen Feststellungen über die Zustimmung der Mitgesellschafter des Klägers zur Betreibung der Forderung der berechtigten Gesellschaft durch den Kläger aber nicht bekämpft. Die Frage der Aktivlegitimation kann daher abschließend im Sinne ihrer Bejahung beurteilt werden, ohne daß es zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung aus dem Grund kommen müßte, daß das Berufungsgericht mit seiner Rechtsansicht zum Fehlen der Aktivlegitimation den Kläger überrascht und ihm dadurch die Möglichkeit entzogen hätte, sein Parteivorbringen zu ergänzen und dadurch schlüssig zu machen.

Auch die Passivlegitimation ist zu bejahen. Bei Handelsleuten wird vermutet, daß alle für einen und einer für alle etwas zugesagt oder angenommen haben (§ 1203 zweiter Satz zweiter Fall ABGB). Nach Art.8 Nr.1 EVHGB besteht im Zweifel eine Haftung als Gesamtschuldner, wenn sich mehrere durch Vertrag gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung verpflichten, was auch für einseitige Handelsgeschäfte gilt (§ 45 HGB). Da die verpflichtete Gesellschaft bürgerlichen Rechts zumindest ein Minderhandelsgewerbe (Ankauf und Verkauf von Gold) betrieb, haften ihre Gesellschafter solidarisch (Kramer in Straube HGB Rz 3 zu Art.8 Nr.1; WBl 1989, 221). Nach ständiger Rechtsprechung wäre überdies auch im Falle, daß keine der beteiligten Gesellschaften bürgerlichen Rechts ein Handelsgewerbe betrieben, von einer Solidarhaftung der Gesellschafter auszugehen, was mit der Einheitlichkeit des Vertrags begründet wird (SZ 41/68; WBl 1989, 221; Kramer aaO).

Das Berufungsgericht hat, ausgehend von seiner nicht zu teilenden Rechtsansicht über die fehlende Aktivlegitimation, zu den übrigen Berufungsgründen des Beklagten nur obiter Stellung genommen. Es wird unter Abstandnahme vom angenommenen Abweisungsgrund über die Berufung des Beklagten, allenfalls nach Durchführung einer weiteren Berufungsverhandlung, neuerlich zu entscheiden haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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