OGH 3Ob558/95

OGH3Ob558/9531.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.Prof.Dr.Walter M*****, vertreten durch Dr.Robert A.Kronegger und Dr.Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dr.Helga D*****, vertreten durch Dr.Fritz Karl und Dr.Robert Mühlfellner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 25.April 1994, GZ 21 R 534/93-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 27.Oktober 1993, GZ 22 C 3194/91i-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist aufgrund eines Übergabsvertrags vom 14.2.1963 Eigentümer der Liegenschaft mit dem Mietwohnhaus in S*****P*****straße 12/L*****straße 1. Die Beklagte und ihr Gatte bezogen darin aufgrund eines Mietvertrags vom 21.5.1960 eine Wohnung. Der Gatte der Beklagten verstarb am 1.10.1990.

Der Kläger kündigte dieses Hauptmietverhältnis "gemäß § 1116a ABGB iVm § 30 Abs 2 Z 6 MRG" zum 31.1.1992 gerichtlich auf und brachte in der Aufkündigung vor, die Wohnung diene nicht der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Beklagten; eintrittsberechtigte Personen seien nicht vorhanden. Die Beklagte befinde sich seit geraumer Zeit, zumindest seit November 1990, überwiegend, wahrscheinlich ausschließlich in spitalsärztlicher Pflege. Zuletzt habe sie sich vom 29.5.1991 bis 26.6.1991 zur Pflege in der Landesnervenklinik S***** befunden; seit geraumer Zeit halte sie sich ausschließlich im Altersheim K***** auf. Es sei zumindest ungewiß, ob die Beklagte aufgrund ihres Gesundheits- und Alterszustands die Wohnung in naher Zukunft wieder benützen werde; ebenso sei ungewiß, ob das für die Beklagte erforderliche Pflegepersonal vorhanden sei. Die durch ihren Alters- und Gesundheitszustand bedingte Abwesenheit der Beklagten sei nicht nur vorübergehend. Mit einer Rückkehr der Beklagten in die Wohnung sei in absehbarer Zeit mit Sicherheit nicht zu rechnen. Ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten auf Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses bestehe daher nicht. Eine Tochter der Beklagten, Irmgard D*****, versuche, an dieser Wohnung Eintrittsrechte im Sinn des § 14 Abs 3 MRG geltend zu machen; sie sei bereits in die Wohnung eingezogen. Die Tochter der Beklagten sei jedoch nicht eintrittsberechtigt; sie habe bisher nicht mit der Beklagten in der Wohnung gewohnt, habe mit ihr nicht gemeinsam gewirtschaftet und verfüge selbst über kein dringendes Wohnbedürfnis;

sie habe mit der Beklagten nicht in Haushaltsgemeinschaft gelebt.

Die Beklagte erhob am 18.12.1991 Einwendungen gegen die Aufkündigung;

sie sei nur vorübergehend im Altersheim untergebracht; seitens der Heimleitung sei ihr bereits angekündigt worden, daß sie mit einer Verlängerung ihres Aufenthalts nicht rechnen könne. Die Beklagte werde daher in absehbarer Zeit in die Wohnung zurückkehren, wo sie sich in Pflege ihrer Tochter befinden werde. Die Beklagte habe somit ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses, weil sie andernfalls bei Ablauf ihrer Zeit im Altersheim keinerlei Wohnmöglichkeit mehr hätte. Die Tochter der Beklagten, Irmgard D*****, lebe seit ihrer Geburt in der Wohnung und sei somit eine eintrittsberechtigte Person im Sinn des § 14 Abs 3 MRG; schon aus diesem Grund sei eine Kündigung gemäß § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht möglich. Irmgard D***** habe zwar während ihres Studiums vorübergehend auch einen Zweitwohnsitz gehabt, sei jedoch auch in dieser Zeit regelmäßig in den Haushalt eingegliedert gewesen. Insbesondere in der letzten Zeit, in der sich die Beklagte in der Wohnung befunden habe, habe auch ihre Tochter in dieser Wohnung gelebt. Die Tochter der Beklagten werde die Pflege der Beklagten übernehmen, sobald die Beklagte wieder in die Wohnung zurückgekehrt sei.

Für die Beklagte war mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12.10.1990, 1 SW 37/90-5, Dr.Margarethe R***** zum einstweiligen Sachwalter zur Besorgung folgender dringender Angelegenheiten bestellt worden: Verwaltung der Pension sowie Verwaltung der nach dem verstorbenen Gatten der Beklagten fälligen Pension und zu erwartenden Erbschaft. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12.4.1991, 1 SW 37/90-14, wurde Dr.Margarethe R***** gemäß § 273 ABGB für die Beklagte zum Sachwalter zur Besorgung der Vermögensverwaltung bestellt.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 24.6.1992, 1 SW 37/90-20, wurde der bisherige Sachwalter enthoben und Dr.Herbert P***** zum Sachwalter zur Besorgung der Vermögensverwaltung und Vertretung vor Behörden und Gericht bestellt.

Der Sachwalter nahm an den Tagsatzungen zur mündlichen Streitverhandlung vor dem Erstgericht am 30.11.1992, 26.1.1993 und 18.5.1993 teil.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung als wirksam und trug der Beklagten auf, das Bestandobjekt zu räumen und dem Kläger geräumt zu übergeben; es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Sohn der Beklagten zog im Jahr 1990 aus der Wohnung, die Tochter U***** begann im Jahr 1975 ihr Studium in Wien, das sie noch nicht abgeschlossen hat. Sie wohnte zuerst mehrere Jahre in einem Studentenheim, seit 1990 in einer eigenen Wohnung. Die Tochter der Beklagten, Irmgard D*****, begann 1986 ein Studium in Wien, das sie ab 1987 in Salzburg fortsetzte. Von 1987 bis Ende Mai 1991 wohnte sie in einer Wohngemeinschaft; dort hatte sie ihren Hauptwohnsitz, sie bezog Sozialleistungen in Form von Mietzinsbeihilfe. Im Mai 1990 gab es in der nunmehr gekündigten Wohnung einen Brand. Irmgard D***** unterstützte ihre Eltern bei den Renovierungsarbeiten. Irmgard D***** und ihre Schwester Ulrike D***** kamen immer wieder in die Wohnung; insbesondere verbrachten sie dort auch Teile der Ferien. Irmgard D***** nächtigte vor ihrem Einzug in die Wohnung Ende Mai 1991 immer wieder in der Wohnung. Gelegentlich unterstützte sie ihre Eltern dadurch, daß sie Arbeiten im Haushalt für sie übernahm. Die Beklagte erledigte für ihre Tochter Irmgard D***** gelegentlich das Waschen der Wäsche und das Bügeln. Als sich Irmgard D***** in der Wohngemeinschaft befand, bezogen die Beklagte und ihr Ehegatte das "Essen auf Rädern".

Die Beklagte zog am 21.Mai 1991, nachdem sie sich von Dezember 1990 an im Krankenhaus befunden hatte, in das Pflegeheim "K*****" in Salzburg. Als sich die Beklagte im Krankenhaus befand, kümmerten sich ihre drei Kinder abwechselnd um die Katze. Die Wohnung wurde teilweise mehrmals täglich von einem der Geschwister aufgesucht. Seit 18.9.1992 ist die Beklagte im Seniorenheim der Jungarbeiterbewegung in S*****, A*****straße 19, wohnhaft. Die Beklagte leidet an einer psychischen Erkrankung; ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich phasenweise sehr; die Beklagte mußte bereits mehrere Aufenthalte in der psychiatrischen Abteilung der S***** Landeskrankenanstalten auf sich nehmen. Irmgard D***** ist es nicht möglich, die Pflege und Versorgung der Beklagten in der gemieteten Wohnung sicherzustellen. Das von der Beklagten bewohnte Seniorenheim und die Wohnung liegen nur wenige 100 m entfernt. Die Beklagte besucht ihre Tochter Irmgard in der Wohnung sehr häufig. Dort lagern noch verschiedenste Einrichtungsgegenstände und persönliche Dinge der Beklagten. Die Beklagte unterstützt ihre Tochter Irmgard nach wie vor bei der Bezahlung des Mietzinses.

Das Erstgericht führte weiters aus, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte in die klagsgegenständliche Wohnung zurückzieht.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kläger stütze sein Begehren auf § 30 Abs 2 Z 6 MRG, wonach der Vermieter den Mietvertrag aus wichtigem Grund dann kündigen könne, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs 3 MRG) regelmäßig verwendet werde, es sei denn, daß der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend sei. Wesentlich sei also, daß eine regelmäßige Verwendung des Objektes zu Wohnzwecken gegeben sei. Es reiche nicht aus, daß das Objekt gelegentlich oder auch häufiger aufgesucht oder als Abstellraum verwendet werde. Aufgrund der Tatsache, daß die Beklagte im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits zwei Jahre lang in Pflege- bzw Seniorenheimen - mit Unterbrechungen durch Krankenhausaufenthalte - gewohnt habe und darüber hinaus eine Pflege der Beklagten in der Wohnung nicht möglich sei, müsse ihr dringendes Wohnbedürfnis verneint werden. Die Beklagte habe nie behauptet, daß der Aufenthalt im Pflegeheim bzw Seniorenheim in irgendeiner Form befristet wäre. Auch wenn verständlich sei, daß die Beklagte in diese Wohnung zurückkehren möchte, scheitere dies an den faktischen Verhältnissen, weil selbst die sich nun in der Wohnung befindende Tochter der Beklagten angegeben habe, eine Pflege bzw Versorgung der Beklagten nicht sicherstellen zu können. Ein dringendes Wohnbedürfnis der Beklagten liege somit nicht vor. Auch eine eintrittsberechtigte Person im Sinn des § 14 Abs 3 MRG sei nicht vorhanden. Um eintrittsberechtigt zu sein, müßte Irmgard D***** ein dringendes Wohnbedürfnis an dieser Wohnung haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit der Beklagten gelebt haben. Irmgard D***** sei jedoch erst Ende Mai 1991 in diese Wohnung eingezogen, während die Beklagte am 21.5.1991 ausgezogen sei. Irmgard D***** habe bis zu ihrem Einzug in einer Wohngemeinschaft gewohnt, wo sie polizeilich gemeldet gewesen sei; sie habe für diese Wohnung darüber hinaus Mietzinsbeihilfe kassiert. Ein gemeinsamer Haushalt sei gemeinsames Wohnen und Wirtschaften, das auf Dauer berechnet sein müsse. Gemeinsames Wirtschaften setze voraus, daß die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigt werden, wobei Art und Intensität jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Ein bestehender gemeinsamer Haushalt werde durch gewisse, durch Lebensumstände bedingte, nicht auf allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens wie auch auswärtige Aufenthalte zu Studienzwecken nicht beendet, solange die Rückkehrabsicht stets bestanden habe oder ehestmöglich wahrgenommen worden sei. Wohl aber werde der gemeinsame Haushalt durch dauernde Trennung beendet, zB dadurch, daß der Lebensschwerpunkt - wenn auch vorübergehend - in getrennte Wohnungen verlegt werde. Mit Einzug in die Wohngemeinschaft sei der gemeinsame Haushalt zwischen Irmgard D***** und der Beklagten zweifellos beendet gewesen. Aus der zeitlichen Abfolge könne geradezu geschlossen werden, daß Irmgard D***** vor dem Auszug der Mutter nicht in die Wohnung einziehen wollte. Eine Eintrittsberechtigung im Sinn des § 14 Abs 3 MRG liege nicht vor. Der Auffassung der Beklagten, der Kläger hätte sein Begehren auf § 30 Abs 2 Z 4 MRG stützen müssen, könne nicht gefolgt werden, weil die Beklagte ein dringendes Wohnbedürfnis dadurch behauptet habe, daß sie nur vorübergehend in einem Altersheim untergebracht sei und in die Wohnung zurückkehren werde, wo sie von ihrer Tochter Irmgard D***** gepflegt werden solle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge; es schloß sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an und führte aus, entgegen der Rechtsansicht der Beklagten hätte der Kläger nicht einen Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG geltend machen müssen. Der Kläger habe nämlich gar keine Weitergabe im Sinn der Z 4 behaupten können, weil sich das tatsächliche Bewohnen durch Irmgard D***** nach Abführung des Beweisverfahrens ergeben habe; selbst aus dem Beweisverfahren ergebe sich keine "Weitergabe" der Wohnung durch die Beklagte, sondern nach dem Auszug der Beklagten ein "Okkupieren" der Wohnung durch Irmgard D*****, die sich mehr oder weniger aus eigenem der Wohnung bemächtigt habe. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG sei gegeben, weil die Wohnung zum einen nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Beklagten regelmäßig verwendet werde und zum anderen Irmgard D***** nicht als eintrittsberechtigte Person im Sinn des § 14 Abs 3 MRG anzusehen sei. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil "eindeutig die Einzelfallcharakteristik bei der Beurteilung des vorliegenden Falles im Vordergrund stehe".

In ihrer ao Revision macht die Beklagte die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Der Kläger führt in der Aufkündigung als Kündigungsgrund ziffernmäßig nur § 30 Abs 2 Z 6 MRG (iVm § 1116a ABGB) an. Dieser Kündigungsgrund liegt dann vor, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs 3 MRG) regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist. Die Vorinstanzen haben ausschließlich das Vorliegen dieses Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 6 MRG geprüft und bejaht. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, die Weitergabe des Mietgegenstandes könne nicht nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG, sondern nur nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG beurteilt werden. Von den beiden Tatbeständen des § 30 Abs 2 Z 4 MRG, nämlich der gänzlichen Weitergabe ohne Bedarf in naher Zukunft und der Weitergabe auch nur eines Teils gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung (s WoBl 1991/32; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 21 zu § 30 MRG), kommt hier nur der erste Fall in Betracht, weil die Beklagte keine Zahlungen für die Benützung der Mietwohnung durch eine dritte Person erhält.

Der Kündigungsgrund des ersten Falls des § 30 Abs 2 Z 4 MRG ist dann gegeben, wenn der Mieter den Mietgegenstand mit oder ohne Beistellung von Einrichtungsgegenständen weitergegeben hat und ihn offenbar in naher Zeit nicht für sich oder die eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs 3 MRG) dringend benötigt. Die teilweise Weitergabe einer Wohnung kommt einer gänzlichen Weitergabe gleich, wenn die nicht weitergegebenen Teile der Wohnung nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen regelmäßig verwendet werden (§ 30 Abs 2 Z 4 Satz 2 MRG).

Die zwischen den Kündigungsgründen der Z 4 und der Z 6 des § 30 Abs 2 MRG bestehende Konkurrenz ist dahin zu lösen, daß auf den Fall der Weitergabe einer Wohnung nur § 30 Abs 2 Z 4 MRG als die hiefür getroffene speziellere Norm anzuwenden ist und nicht § 30 Abs 2 Z 6 MRG, der als Abhilfe gegen das Horten mehrerer Wohnungen durch den Mieter gedacht ist (MietSlg 42.314; SZ 62/200; MietSlg 37.416; MietSlg 35.353 ua; Würth in Rummel, Rz 21 zu § 30 MRG). Auf § 30 Abs 2 Z 6 MRG konnte die Kündigung somit wegen der Gebrauchsüberlassung an eine Tochter der Beklagten nicht gestützt werden.

Die Ansicht der Vorinstanzen, die ausschließlich das Vorliegen des Kündigungsgrundes des ersten Falls des § 30 Abs 2 Z 6 MRG geprüft haben, steht mit dieser ständigen Rechtsprechung in Widerspruch. Der Hinweis des Berufungsgerichtes, der Kläger hätte gar keine Weitergabe im Sinn des § 30 Abs 2 Z 4 MRG behaupten können, weil sich "das tatsächliche Bewohnen" durch die Tochter der Beklagten erst nach Abführung des Beweisverfahrens ergebe, ist unverständlich; der Kläger hat nämlich bereits in der Kündigung vorgebracht, die Tochter der Beklagten sei in die Wohnung eingezogen und versuche, Eintrittsrechte im Sinn des § 14 Abs 3 MRG geltend zu machen.

Das Berufungsgericht vermeint weiters, es liege keine Weitergabe im Sinn des § 30 Abs 2 Z 4 MRG vor, sondern ein "Okkupieren" der Wohnung durch die Tochter der Beklagten nach dem Auszug der Beklagten aus der Wohnung; die Tochter der Beklagten habe sich "mehr oder weniger aus eigenem der Wohnung bemächtigt". Dieser Ansicht kann hier nicht gefolgt werden.

Unter Weitergabe im Sinn des ersten Falls des § 30 Abs 2 Z 4 MRG wird jede entgeltliche oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zum regelmäßigen Gebrauch verstanden (WoBl 1992/94; RZ 1990/82; WoBl 1991/32 ua; Würth in Rummel, Rz 24 zu § 30 MRG). Für die Überlassung des Mietgegenstandes an Eintrittsberechtigte, die diesen Kündigungsgrund ausschließt, ist das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abtretung der Mietrechte nach § 12 Abs 1 MRG nicht erforderlich (SZ 62/200). Das Berufungsgericht geht bei der Verneinung der Weitergabe des Bestandobjektes mangels entsprechenden Willens der Beklagten nicht von den Feststellungen des Erstgerichtes aus, wonach die Beklagte am 21.5.1991, nachdem sie sich von Dezember 1990 an im Krankenhaus befunden hatte, in das Pflegeheim K***** zog und die Tochter der Beklagten Ende Mai 1991 in die Wohnung, in der sie vorher immer wieder genächtigt hatte, einzog. Daß dies ohne oder gegen den Willen der Beklagten erfolgt wäre, wurde nie vorgebracht.

Somit kommt nur eine Beurteilung nach dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG in Frage. Daß der Kläger in der Aufkündigung ziffernmäßig nur § 30 Abs 2 Z 6 MRG angeführt hat, schadet nicht. Der Kläger hat nämlich in der Kündigung ausdrücklich vorgebracht, daß die Tochter der Beklagten in die Wohnung eingezogen sei und Eintrittsrechte geltend mache. Werden neben der ziffernmäßigen Bezeichnung des Kündigungsgrundes in der Kündigung bestimmte Tatsachen als Begründung für die Aufkündigung angeführt, kommt es bei der Entscheidung darüber, welcher Kündigungsgrund geltend gemacht wurde, in erster Linie auf die Tatsachenbehauptungen an (WoBl 1991/32; MietSlg 32.418/26; MietSlg 31.452; Würth in Rummel, Rz 3 zu § 33 MRG). Diese Tatsachenbehauptungen sind hier auch für den Kündigungsgrund der Z 4 ausreichend.

Der Kündigungsgrund der Weitergabe des Mietgegenstandes nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG setzt die gänzliche Weitergabe und das Fehlen eines dringenden Bedarfs des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen voraus. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung ist der Zeitpunkt dieser "Weitergabe" des Mietgegenstandes (WoBl 1992/94; MietSlg 39.435/49).

Bei der Prüfung der Voraussetzungen dieses Kündigungsgrundes kann hier - wie bereits ausgeführt - davon ausgegangen werden, daß eine Weitergabe der Wohnung an die Tochter der Beklagten vorliegt. Trotz gänzlicher oder dieser gleichzustellender Weitergabe ist der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4, 1.Fall MRG nicht gegeben, wenn der Mieter nachweist, daß er oder eintrittsberechtigte Personen offenbar in naher Zeit einen dringenden Bedarf an dem Mietgegenstand haben (Würth in Rummel, Rz 26 zu § 30 MRG mwN).

Die Beklagte hat in den Einwendungen Vorbringen erstattet, daß ihre Tochter eintrittsberechtigt sei und schon deshalb die Kündigung nicht möglich sei, aber auch, daß ein dringender Bedarf der Beklagten selbst an der Wohnung bestehe.

Die Tochter der Hauptmieterin zählt zwar zum Kreis der in § 14 Abs 3 MRG, auf den § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG verweist, genannten eintrittsberechtigten Personen; weitere Voraussetzung ist jedoch, daß diese Person schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt hat (WoBl 1992/94). Ist diese Voraussetzung und ein, allenfalls auch erst in naher Zukunft gelegener, dringender Bedarf gegeben, dann ist der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG nicht erfüllt (WoBl 1992/94).

Hier ist die Tochter der Beklagten erst nach dem Verlassen der Wohnung durch die Beklagte eingezogen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts - und damit die Eintrittsberechtigung der Tochter der Beklagten - von vornherein ausgeschlossen werden kann. Der gemeinsame Haushalt kann nämlich auch mit einem Mieter begründet werden, der sich - insb aus gesundheitlichen Gründen - vorübergehend nicht in der Wohnung aufhält, wenn die ernste und endgültige Absicht besteht, dort zu leben und mit dem Mieter nach dessen Rückkehr in häuslicher Gemeinschaft zu leben (SZ 39/109 ua; Würth in Rummel, Rz 9 zu § 14 MRG). Nach den Tatsachenfeststellungen ist es der Tochter der Beklagten nicht möglich, die Pflege und Versorgung der Beklagten in der Wohnung sicherzustellen. Daraus folgt jedoch nicht, daß ein künftiges gemeinsames Wohnen ausgeschlossen wäre, wenn für die Pflege der Beklagten anderweitig Sorge getragen wird. Eine abschließende Beurteilung der Voraussetzungen der Eintrittsberechtigung der Tochter der Beklagten ist jedoch nicht möglich, weil das Erstgericht - ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht - keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen hat.

Weiters kann noch nicht beurteilt werden, ob - abgesehen von der Eintrittsberechtigung ihrer Tochter - überhaupt das dringende Wohnbedürfnis der Beklagten weggefallen ist. Das Erstgericht führt zwar aus, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte in die Wohnung zurückzieht. Dies stellt jedoch nur eine Schlußfolgerung dar, für deren Berechtigung die erforderlichen konkreten Feststellungen fehlen. Daß die Rückkehr der Beklagten in ihre Wohnung schlechthin ausgeschlossen wäre, stellt das Erstgericht nicht fest. Im fortgesetzten Verfahren werden zu diesem Fragenkomplex ausreichende Tatsachenfeststellungen zu treffen sein, auf deren Grundlage eine Beurteilung möglich ist, ob die Beklagte in die gekündigte Wohnung zurückkehren kann.

Hiebei wird das Erstgericht darauf zu achten haben, daß bei dieser Zukunftsprognose auf den Zeitpunkt der Weitergabe des Mietgegenstandes abzustellen ist, sodaß auf spätere, damals nicht absehbare Änderungen nicht Bedacht zu nehmen ist. Ob die Abwesenheit vorübergehend oder auf Dauer ist, bestimmt sich maßgeblich nach der Willensrichtung der Betroffenen, die Verwirklichung der Rückkehr darf nur nicht schlechthin ausgeschlossen sein (WoBl 1993/6; ImmZ 1991,150; MietSlg 39.300). Hat der in ein Krankenhaus oder Pflegeheim aufgenommene Mieter nicht den Willen bekundet, nicht mehr in die Wohnung zurückzukehren (etwa durch die Äußerung, seine Mietrechte aufzugeben, oder durch die Ankündigung, er wolle seinen Haushalt liquidieren), so muß davon ausgegangen werden, daß jeder Kranke bei Änderung der Umstände in die von ihm vor Ausbruch der Krankheit kraft Mietrechtes benützte Wohnung zurückkehren will. Auf die Dauer des Aufenthaltes im Krankenhaus oder Pflegeheim kommt es nicht an. Sollte die Rückkehr des Mieters nicht schlechthin (objektiv) ausgeschlossen sein, ist im Zweifel davon auszugehen, daß der Mieter bei Änderung der Sachlage in seine Wohnung zurückkehren will (WoBl 1993/6; ImmZ 1991,150). Bei dieser Zukunftsprognose wird das Erstgericht nicht nur den Gesundheitszustand der Beklagten, sondern auch die konkreten Möglichkeiten der Pflege der Beklagten in ihrer Wohnung durch dritte Personen zu berücksichtigen haben.

Zur Schaffung dieser Entscheidungsgrundlagen wird das Erstgericht ausreichende Tatsachenfeststellungen zu treffen haben, auf deren Grundlage eine abschließende rechtliche Beurteilung möglich ist. Es kommt deshalb zur Aufhebung und Zurückverweisung im Sinn des § 510 Abs 1 ZPO, um die Sache spruchreif zu machen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

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