OGH 3Ob86/95

OGH3Ob86/9530.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferdinand J*****,***** vertreten durch Dr.Klaus J.Mitzner, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei F***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Helmut Trattnig, Rechtsanwalt in Ferlach, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 1. Dezember 1994, GZ 2 R 441/94-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 7.Juli 1994, GZ 14 C 33/93f-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger dieses Verfahrens hat als Beklagter am 20.10.1992 vor dem Landesgericht Klagenfurt mit der damals klagenden und hier beklagten Partei folgenden Vergleich geschlossen:

"1. Der Beklagte verpflichtet sich, der klagenden Partei z.H. des Klagsvertreters bei sonstiger Exekution

a) ....

b) bis 31.5.1993 S 100.000 samt 4 % Zinsen seit 7.10.91 zu bezahlen.

c) ....

2. Der Beklagte kann sich von der Zahlungspflicht zu Punkt 1 lit b befreien, wenn er bis 31.5.93 die Arbeiten laut Position 1 bis 8 des Gutachtens des Sachverständigen DI Heinrich O***** vom 18.5.92 erbringt.

3. Für den Fall der Erbringung dieser Leistungen durch den Beklagten verpflichtet sich die klagende Partei, dem Beklagten die Kosten der Aufbringung des Feinasphalts von S 51.600 (darin S 8.600 USt) nach Vorlage einer Rechnung durch den Beklagten und vierzehn Tage nach Vorlage eines Gutachtens über die Mängelfreiheit des Asphalts bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

........

7. Die Leistungen laut Position 4 und 5 des Gutachtens des Sachverständigen DI O***** vom 18.5.92 sind vom Beklagten erst zu erbringen, wenn die Mängelfreiheit der Arbeiten laut Position 1 bis 3 und 6 bis 8 des Gutachtens des Sachverständigen DI O***** gutachtlich festgestellt ist.

8. Der Beginn der Arbeiten ist vom Beklagten vierzehn Tage vorher der klagenden Partei anzuzeigen. Die Arbeiten müssen insgesamt innerhalb eines Monats fertiggestellt sein."

Von den Arbeiten, die in dem im Vergleich bezogenen Sachverständigengutachten erwähnt werden, betrafen die darin unter 1 bis 3 angeführten die Aufbringung eines neuen Reibputzes an der Nordfassade eines Gebäudes der nunmehr beklagten Partei, die unter 4 und 5 angeführten Arbeiten die Herstellung eines Asphaltfeinbelages und die unter 6 bis 8 angeführten Arbeiten Vorarbeiten hiezu.

Die nunmehr beklagte Partei führt auf Grund des Punktes 1 b des angeführten Vergleiches gegen den Kläger als Verpflichteten zur Hereinbringung von S 100.000 sA Fahrnisexekution.

Der Kläger erhob gegen den von der beklagten Partei betriebenen Anspruch Einwendungen. Im Vergleich sei ihm das Wahlrecht eingeräumt worden, welche der beiden Leistungen er erfüllen wolle. Dabei habe er sich für die Ausführung der Sanierungsarbeiten entschieden. Die Fassadenverkleidung habe er ordnungsgemäß und fristgerecht ausgeführt. Im wesentlichen seien daher nur noch die Asphaltierungsarbeiten ausständig. Hiefür seien jedoch Vorleistungen der beklagten Partei und die Abstimmung mit ihr über den Arbeitsvorgang erforderlich. Die notwendige Koordinierung sei von der beklagten Partei aber offensichtlich bewußt verhindert worden. Die bisher durchgeführten Arbeiten hätten einen Wert von mindestens S 48.792, weshalb die beklagte Partei durch die Exekutionsführung bereichert würde. Rechnerisch könne von dem betriebenen Anspruch nur mehr eine Restsumme von S 51.208 aushaften.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, daß der Kläger nur einen Teil der im Vergleich angeführten Arbeiten, und auch diesen nur mangelhaft, ausgeführt habe. Sie habe sich zumindest bis zum 31.5.1993 nicht geweigert, daß die Arbeiten ausgeführt werden, und habe diese auch nicht unmöglich gemacht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auszusprechen, daß der von der klagenden Partei betriebene Anspruch erloschen ist, ab. Es stellte im wesentlichen noch folgendes fest:

Der Kläger verputzte bis 31.5.1993 die Nordfassade des Gebäudes der beklagten Partei. Dieser Verputz ist nicht mängelfrei, er weist einige unerhebliche Mängel auf. Außerdem hat der Kläger nicht die Glasfasermatte eingespachtelt, die in den dem Vergleich zugrunde liegenden Sachverständigengutachen angeführt ist, sondern eine Art von Verputz aufgebracht, die aber der Einspachtelung einer Glasfasermatte technisch gleichwertig ist. Die ausgeführten Arbeiten rechtfertigen einen Werklohn von S 48.793. Die übrigen im Sachverständigengutachten angeführten Arbeiten wurden nicht ausgeführt. Sie sind nicht von vorbereitenden Maßnahmen der beklagten Partei abhängig.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß im Vergleich eine Alternativobligation des Klägers vereinbart worden sei. Die fristgerechte Erfüllung einer von mehreren geschuldeten Leistungen bilde einen Oppositionsgrund, wenn zur Durchsetzung einer anderen Leistung Exekution geführt werde. Der Kläger habe aber keine der beiden Leistungen erbracht. Er habe die Verputzarbeiten an der Fassade nicht mängelfrei und überdies nicht in der bedungenen Weise und die im Zusammenhang mit der Asphaltierung auszuführenden Arbeiten überhaupt nicht ausgeführt. Bereicherungsansprüchen stehe das Bestehen einer vertraglichen Verpflichtung entgegen.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Kläger habe auch dann, wenn man davon ausgeht, daß die festgestellten Mängel unerheblich seien und die bei der Ausführung gewählte Variante der im Vergleich festgelegten technisch gleichwertig sei, die übernommene Alternativobligation nicht zur Gänze erfüllt, weil zumindest die Arbeiten, die im Punkt 7 und 8 des im Vergleich bezogenen Gutachens angeführt werden, nicht von einer Vorleistung der beklagten Partei abhängig seien. Eine Rückforderung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen sei nur bei Leistung ohne zureichenden Rechtsgrund möglich; sie sei ausgeschlossen, wenn die Vermögensverschiebung in einem Vertrag oder sonstigem schuldrechtlichen Verhältnis (vollständig) einen Rechtsgrund finde. Hier stünden noch (ursprünglich vom Kläger alternativ geschuldete) Arbeiten aus. Erst nach Durchführung dieser Arbeiten, deren Vornahme durch den Kläger die beklagte Partei allerdings verbiete, die sie aber auch durch einen Dritten vornehmen lassen könne, werde sich erweisen, in welcher Höhe die beklagte Partei bereichert sei. Der Einwand der Bereicherung sei daher derzeit verfrüht, zumal die Kosten bei Ausführung der Arbeiten durch einen Dritten höher sein würden, als wenn sie der Kläger ausgeführt hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist - unabhängig von dem im Hinblick auf die Höhe der betriebenen Forderung überflüssigen (vgl EF 60.946) - Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des Entscheidungsgegenstandes zulässig, weil zu der in ihrer Bedeutung über den Anlaßfall hinausgehenden Frage, welche Rechtsfolgen mit der teilweisen Ausübung einer Ersetzungsbefugnis verbunden sind, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; sie ist auch berechtigt.

Die Vorinstanzen haben aus dem den Exekutionstitel bildenden Vergleich zu Unrecht eine Wahlschuld des Klägers abgeleitet; tatsächlich liegt eine Lösungsbefugnis (auch Ersetzungsbefugnis, Alternativermächtigung oder facultas alternativa genannt) vor. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung EvBl 1993/118 = SZ 65/156 unter Anführung von Belegstellen ausgeführt hat, schuldet der Schuldner dabei im Gegensatz zu einer Wahlschuld nur eine bestimmte Leistung. Nur diese darf der Gläubiger fordern; dem Schuldner steht aber das Recht zu, anstelle der allein geschuldeten Leistung eine andere mit schuldbefreiender Wirkung zu erbringen.

Dieser Fall ist hier gegeben. Die beklagte Partei kann vom Kläger auf Grund des Vergleiches nur die Bezahlung von S 100.000 sA fordern, und der Kläger schuldet ihr nur diese Leistung. Er hat aber das Recht, anstelle der Geldleistung die im Punkt 2 des Vergleiches näher bezeichneten Arbeiten mit schuldbefreiender Wirkung auszuführen.

Die Einräumung der Lösungs- (Ersetzungs-)befugnis begründet ein rechtsänderndes Gestaltungsrecht des Schuldners (EvBl 1993/118 = SZ 65/156 mwN). Sie wird daher durch eine Willenserklärung des Schuldners ausgeübt, wobei diese Erklärung - schlüssig - auch dadurch abgegeben werden kann, daß vom Schuldner die der Lösungs- (Ersetzungs-)befugnis zugrunde liegende Leistung erbracht wird. Mit der Ausübung der Befugnis wird diese Leistung neuer Schuldinhalt; der ursprünglich geschuldete Gegenstand gehört für die Zukunft nicht mehr zum Leistungsprogramm (Gernhuber, Schuldverhältnis 665). Zu prüfen bleibt daher, unter welchen Voraussetzungen die Erklärung als abgegeben und damit die Änderung des Schuldverhältnisses als bewirkt anzusehen ist. In diesem Punkt ist ebenfalls Gernhuber (aaO mwN) zu folgen, daß dies bei einer vertraglich vereinbarten facultas alternativa, anders als bei einer gesetzlich gewährten, vom Inhalt der Vereinbarung der Parteien abhängt. Die Parteien können insbesondere auch vereinbaren, daß der Schuldner das Schuldverhältnis bloß auf Grund einer Willenserklärung umgestalten kann, sie können aber auch eine Vereinbarung mit dem Inhalt schließen, daß eine solche Erklärung nur unter der - aufschiebenden - Bedingung wirksam wird, daß die gesamte Ersatzleistung erbracht wurde. Dies wird im Zweifel als dem Willen der Parteien entsprechend anzunehmen sein. Der Schuldner wird daher im Zweifel von der Schuld erst dann befreit, wenn er die Ersatzleistung vollständig erbringt. Teilleistungen haben diese Rechtsfolge nicht, es sei denn, daß sich der Gläubiger bei den noch zu erbringenden Leistungen in Annahmeverzug befindet (Gernhuber aaO zu dem in diesem Punkt vergleichbaren Fall einer gesetzlich gewährten facultas alternativa). Bloße Schlechterfüllung steht hingegen nur bei einer besonderen Vereinbarung der Parteien der Änderung des Schuldverhältnisses entgegen; andernfalls berechtigt sie nur zu Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen (vgl Kuckuk in Ermann, BGB9 Rz 3 zu § 266).

Nach dem Wortlaut des hier zu beurteilenden Vergleiches, der maßgebend ist, weil eine abweichende übereinstimmende Parteienabsicht nicht festgestellt und auch gar nicht behauptet wurde, ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger von der Verpflichtung zur Bezahlung von S 100.000 sA auch dann befreit sein sollte, wenn er bloß die Erklärung abgibt, von der ihm eingeräumten Lösungs- (Ersetzungs-)befugnis Gebrauch zu machen, oder wenn er die Ersatzleistungen nur teilweise erbringt. Es ist daher nach dem Gesagten davon auszugehen, daß nur die Erbringung aller im Vergleich angeführten Ersatzleistungen die Befreiung von der Schuld bewirkt. Nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen steht aber fest, daß zumindest zwei der vom Kläger nicht ausgeführten Arbeiten nicht von einer Mitwirkung der beklagten Partei abhängen, weshalb der Kläger zumindest in diesem Umfang die Ersatzleistungen nicht erbrachte, ohne daß die beklagte Partei als Gläubigerin in Annahmeverzug war. Er wurde daher von der Schuld zur Bezahlung des Betrages von S 100.000 sA nicht, und zwar auch nicht teilweise, befreit, weil er die ihm eingeräumte Lösungs- (Ersetzungs-)befugnis nicht wirksam ausgeübt hat.

Der Kläger wendete in der Klage aber auch einen Bereicherungsanspruch ein, wobei sein Vorbringen dahin zu verstehen ist, daß er mit diesem Bereicherungsanspruch gegen die Forderung der beklagten Partei aufrechnet. Dieser Bereicherungsanspruch steht ihm entgegen der Meinung der Vorinstanzen auch zu. Wurde nämlich das Schuldverhältnis nicht wirksam geändert, so hat der Kläger die Leistung ohne Rechtsgrund erbracht, weil der Vergleich einen Rechtsgrund nur im Fall der wirksamen Ausübung der Lösungs- (Ersetzungs-)befugnis gebildet hätte. Der Kläger kann daher gemäß dem (unmittelbar oder jedenfalls sinngemäß anzuwendenden) § 1431 ABGB für seine Leistung einen dem verschafften Nutzen angemessenen Lohn verlangen. Das ihm zustehende Entgelt orientiert sich also am verschafften Nutzen, der nach dem Leistungszeitpunkt zu bemessen ist (SZ 61/76 = EvBl 1988/149). Der dem Kläger gegen die beklagte Partei zustehende Bereicherungsanspruch entspricht daher nicht unbedingt dem vom Erstgericht festgestellten, für die von ihm erbrachten Leistungen angemessenen Wert..... In diesem Zusammenhang könnten auch die vom Berufungsgericht zum Bereicherungsanspruch angestellten Überlegungen von Bedeutung sein; sie können zwar nicht auf das Entstehen und die Fälligkeit dieses Anspruchs, wohl aber auf dessen Höhe Einfluß haben.

Im fortzusetzenden Verfahren wird daher mit den Parteien die Frage des Nutzens zu erörtern sein, welcher der beklagten Partei durch die vom Kläger ausgeführten Arbeiten verschafft wurde, und das Erstgericht wird hiezu entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Im Umfang des sich daraus ergebenden Bereicherungsanspruchs des Klägers ist die von der beklagten Partei betriebene Forderung erloschen und dem Klagebegehren daher stattzugeben.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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