Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die klagende Partei ist Eigentümerin von zwei Grundstücken, die ihrer Rechtsvorgängerin am 4.7.1986 in einem Zwangsversteigerungsverfahren zugeschlagen wurden. Der Beklagte ist ebenfalls Eigentümer zweier Grundstücke, von denen eines an ein Grundstück der klagenden Partei angrenzt.
Die klagende Partei begehrt, zwischen ihr und dem Beklagten festzustellen, daß diesem weder persönliche noch Grunddienstbarkeiten als Eigentümer seiner Grundstücke auf ihren Grundstücken zustehen, und ihn ferner schuldig zu erkennen, den auf einem ihrer Grundstücke errichteten Zaun zu entfernen. Der Beklagte maße sich die Dienstbarkeit des Begehens, Benützens und Bepflanzens auf ihren Grundstücken an und behaupte ein Recht auf freie Aussicht von seinen Grundstücken nach Süden. Es stehe ihm aber weder eine persönliche noch eine Grunddienstbarkeit zu. Den Zaun habe er errichtet, ohne hiezu berechtigt zu sein. Ihre Rechtsvorgängerin habe die Grundstücke lastenfrei erworben. Zur Zeit des Versteigerungsverfahrens sei auch noch kein Zaun vorhanden gewesen.
Der Beklagte brachte vor, daß er das Eigentum an den nunmehr ihm gehörenden Grundstücken im Jahr 1950 erworben habe. Die damalige Eigentümerin der nunmehr der klagenden Partei gehörenden Grundstücke habe ihm die Aufschüttung, Begradigung und Begrünung auf die gesamte südliche Zauneslänge ermöglicht und ihm, seiner Familie und seinen Nachkommen auf Dauer das Begehen und Bewirtschaften (Setzen kleiner Obstbäume) gestattet. Auch das provisorische Einzäunen mit einem Drahtverhau und primitiven Holzpflöcken habe sie erlaubt. Sie habe ihm auch einen Gehweg südlich des Zaunes zum Beschneiden von Weintrauben und Sträuchern zugesprochen und ausdrücklich das Recht auf freie Aussicht eingeräumt. Der Zaun bestehe bereits über vierzig Jahre. Die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei und diese hätten seit zumindest zehn Jahren von diesen Umständen Kenntnis gehabt, zumal der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei mit einem Schreiben vom 9.7.1985 mitgeteilt worden sei, daß ihm Servitutsrechte zustünden. Allfällige Ansprüche der klagenden Partei seien daher "verjährt".
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:
An der Südgrenze der beiden Grundstücke des Beklagten, welche die Grenze zu einem der beiden nunmehr der klagenden Partei gehörenden Grundstücke bildet, verläuft ein Maschendrahtzaun. Parallel dazu verläuft in einem Abstand von drei Metern ein Stacheldrahtzaun, der noch etwa 2,8 m in das zweite Grundstück der klagenden Partei hineinragt. Die Fläche zwischen den beiden Zäunen weist einen Wiesenbewuchs auf. Auf der Krone befindet sich entlang des Maschendrahtzaunes eine verhältnismäßig ebene Fläche von etwa einem Meter, die begehbar ist.
Der Beklagte erwarb die Grundstücke im Jahr 1950. 1954 errichtete er den Maschendrahtzaun und schüttete im Einverständnis mit der damaligen Eigentümerin der nunmehr der klagenden Partei gehörenden Grundstücke den südlich des Maschendrahtzaunes gelegenen Rain an. Er pflegt ihn seither und mäht in drei bis viermal jährlich ab. Die damalige Eigentümerin der nunmehr der klagenden Partei gehörenden Grundstücke erklärte dem Beklagten auch, es dürfe niemand etwas vorbauen, und gestattete ihm das Begehen und Bepflanzen des angeschütteten Raines. Der Beklagte benützt ihn seit 1954 insbesondere zum Mähen und zum Abschneiden von Weintrauben, die von seinen Grundstücken aus hinüberwachsen. Den Stacheldrahtzaun errichtete er auf den Grundstücken der klagenden Partei mit Zustimmung der damaligen Eigentümerin zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt in den Jahren 1960 bis 1963 und setzte wieder mit Einverständnis der damaligen Eigentümerin nach 1964 noch heute vorhandene Obstbäume.
Im Versteigerungsakt findet sich weder im Schätzungsgutachten noch in den Versteigerungsbedingungen noch in Eingaben von Parteien ein Hinweis auf Dienstbarkeiten. Erst am 3.7.1986 langte beim Versteigerungsgericht ein von der Ehefrau des Beklagten unterschriebenes Schreiben ein, in dem überwiegend Einwände gegen die Versteigerung erhoben werden und in dem in einem Satz behauptet wird, daß die Familie des Beklagten auf den zu versteigernden Grundstücken eine ersessene Servitut besitze, die sie sich keinesfalls streitig machen lassen werde.
Im Versteigerungstermin wurde von allfälligen Dienstbarkeitsrechten nicht gesprochen. Das Meistbot wurde der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei als im ersten Rang sichergestellter Pfandgläubigerin nach Berücksichtigung einer Vorzugspost zugewiesen. Die für die Ersteherin handelnden Personen wußten nichts von einer Dienstbarkeit; sie haben in den Versteigerungsakt nicht Einsicht genommen. Der Beklagte und seine Familienangehörigen behaupteten erst nach dem Versteigerungstermin gegenüber den für die Ersteherin handelnden Personen die nunmehr eingewendete Dienstbarkeit. Dabei kam es am 8.7.1986 zu einem Gespräch mit diesen Personen und der "Familie" des Beklagten. Die "Familie" richtete am 9.7.1986 ein Schreiben an die Ersteherin, in dem um die Überlassung einer Fläche von etwa 400 m2 zum "geringstmöglichen" Preis ersucht und darauf hingewiesen wurde, daß die dort ersessene Servitut bereits schriftlich am 7. des Monats "übermittelt" worden sei. In der Folge gab es bis 1994 keine Streitigkeiten oder Korrespondenzen mehr mit dem Beklagten.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß ein gutgläubiger Erwerb der Ersteherin im Sinn des § 1500 ABGB vorliege, weil bis zur Zuschlagserteilung eine Servitut nicht behauptet worden und der Ersteherin auch keine Nachlässigkeit vorzuwerfen sei. Überdies seien nicht verbücherte Dienstbarkeiten gegenüber dem Ersteher jedenfalls wirkungslos, wenn sie nicht bis zur Versteigerung gegenüber dem Verpflichteten im Klagswege geltend gemacht und im Grundbuch eingetragen wurden. Selbst wenn man von der Ersitzung einer offenkundigen Dienstbarkeit ausgehe, hätte sie die Ersteherin nur nach Maßgabe ihres durch den Begründungsakt geschaffenen Ranges ohne oder in Anrechnung auf das Meistbot übernehmen müssen. Da der Beklagte nicht vorgebracht habe, daß die behauptete Dienstbarkeit einen besseren Rang als das Recht des betreibenden Gläubigers gehabt oder im Meistbot Deckung gefunden habe, sei von einem lastenfreien Eigentumserwerb durch die Ersteherin auszugehen. Die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei und diese seien auch nicht schlüssig mit der Ausübung einer Dienstbarkeit durch den Beklagten einverstanden gewesen, zumal dem Schweigen grundsätzlich kein Erklärungswert beigemessen werden dürfe.
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Beklagten dieses Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes bei jeden der beiden Klagebegehren S 50.000 übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Es wies im wesentlichen auf die Richtigkeit der mit der Berufung bekämpften Entscheidungsgründe hin (§ 500a ZPO). Die Revision hielt es "wegen der Erheblichkeit der behandelten Rechtsfragen" für zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Beklagten gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist unzulässig.
Die Frage, ob der Ersteher ersessene offenkundige Dienstbarkeiten gegen sich gelten lassen muß, wenngleich sie nicht im Grundbuch eingetragen nd in den Versteigerungsbedingungen nicht angeführt sind, wird zwar im Schrifttum und in der Rechtsprechung verschieden beantwortet. Heller/Berger/Stix (II 1306) vertreten die Auffassung, daß solche Dienstbarkeiten dem Ersteher gegenüber immer wirkungslos seien, weil dieser nur die ihm in den Versteigerungsbedingungen auferlegten Lasten ohne Anrechnung auf das Meistbot übernehmen müsse und weil die nicht verbücherten Dienstbarkeiten nicht besser gestellt werden dürften als verbücherte, die nur berücksichtigt würden, wenn sie entweder dem betreibenden Gläubiger und den Hypothekargläubigern im Rang vorgehen und vom Ersteher zu übernehmen sind oder wenn sie vermöge ihres bücherlichen Ranges im Meistbot Deckung finden, während die unverbücherten unter allen Umständen aufrecht blieben. Dieser Auffassung ist auch Holzhammer (Zwangsvollstreckungsrecht4 204) und es ist ihr der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen SZ 50/120 sowie Miet 30.834 und 31.806 gefolgt. Im Schrifttum wird jedoch überwiegend die Meinung vertreten, daß offenkundige Dienstbarkeiten vom Ersteher selbst ohne Anführung in den Versteigerungsbedingungen nach Maßgabe ihres Ranges, der sich nach der Vollendung der Ersitzung richte, zu übernehmen seien (Ehrenzweig, System I/22, 344; Gschnitzer, Sachenrecht2 176; Klang in Klang2 VI 588; Petrasch in Rummel2 Rz 2 zu § 481; Schubert in Rummel2 Rz 1 zu § 1500; Sturm in GZ 1897, 274). Dieser Auffassung schloß sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 56/105 ausdrücklich an, nachdem er sie bereits in der Entscheidung GlUNF 7483 vertreten hatte.
Die Frage, welche der beiden Auffassungen zutrifft, kann aber auch hier, wie schon in den Entscheidungen JBl 1986, 462 = EvBl 1985/174 und JBl 1987, 733, auf sich beruhen. Selbst wenn man nämlich der zweiten Meinung folgt, ist die vom Beklagten behauptete Dienstbarkeit gegen die beklagte Partei nicht wirksam, weil nach den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes davon auszugehen ist, daß die Ersitzung erst im Jahr 1954 begann und daher erst 1984 vollendet war. Aus dem Exekutionsakt ergibt sich aber, daß zu dieser Zeit das Pfandrecht für die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei bereits im Grundbuch eingetragen war und der Beklagte hat auch nichts Gegenteiliges behauptet. Er hätte also die Eintragung seiner Dienstbarkeit nur mehr in einem nach diesem Pfandrecht liegenden Rang erreichen können, weshalb die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei, die auch betreibende Partei war, als Ersteherin die Dienstbarkeit auch nach der weitergehenden zweiten Auffassung nicht ohne Anrechnung auf das Meistbot gegen sich gelten lassen hätte müssen (vgl RPflE 1990, 39; SZ 57/178). Da sie dem Pfandrecht der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei im Rang jedenfalls nachging und das Meistbot durch die Zuweisung an diese Pfandgläubigerin erschöpft wurde, kommt aber auch die Übernahme in Anrechnung auf das Meistbot nicht in Betracht. Der zu entscheidende Fall entspricht genau den bereits in JBl 1986, 461 = EvBl 1985/174 und JBl 1987, 733 entschiedenen.
Für den Beklagten ist auch aus den in der Revision bezogenen Entscheidungen SZ 26/289 = JBl 1954, 357, 2 Ob 609/79 ua nichts gewonnen, weil sie - ebenso wie die in der Revision angeführten Belegstellen aus dem Schrifttum (Klang in Klang2 VI, 528, 660; Schubert in Rummel2 Rz 4 zu § 1500) - nur die Frage betrafen, ob die laufende Ersitzung einer Dienstbarkeit, deren Ausübung offenkundig ist oder dem Erwerber bekannt wird, durch den gutgläubigen Erwerb unterbrochen wird und sie diese Frage für den Fall verneinten, daß der Erwerber die Ausübung der Dienstbarkeit duldete. Darum geht es hier aber nicht. Muß der Ersteher eine bereits entstandene Dienstbarkeit nicht gegen sich gelten lassen, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Ersitzungszeit gegen ihn neu zu laufen beginnt.
Auf die Frage, ob die vom Beklagten behauptete Dienstbarkeit offenkundig war oder ob sie der Ersteherin sonst bekannt war oder bekannt sein mußte, kommt es hier somit nicht an.
Schließlich ist es ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, daß das bloße Stillschweigen im allgemeinen keinen Erklärungswert hat und nicht schlechthin als Zustimmung gilt (SZ 64/185; WBl 1989, 113; Miet 32.155; HS VII/48 ua).Die Annahme der Vorinstanzen, daß weder das Prozeßvorbringen des Beklagten noch die Tatsachenfeststellung des Erstgerichtes ausreichend seien, um daraus das schlüssige Zustandekommen eines Dienstbarkeitsvertrages abzuleiten, findet in dieser Rechtsprechung Deckung.
Da es somit hier auf die uneinheitliche Rechtsprechung zur Frage, wann der Ersteher eine nicht verbücherte Dienstbarkeit gegen sich gelten lassen muß, nicht ankommt und bei den hier maßgebenden Rechtsfragen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes einer einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht, sind entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen.
Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung kann nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden, weil darin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen wurde (EvBl 1986/128 uva).
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