OGH 1Ob594/95

OGH1Ob594/9529.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Halbreiner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Michael U*****, vertreten durch Dr.Harald Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 16.Februar 1995, GZ 2 R 22/95-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 25.Oktober 1994, GZ 2 C 2861/93-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluß wird dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.396,72 (darin enthalten S 1.796,12 USt und S 6.620,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist eine staatlich geprüfte und behördlich genehmigte Versicherungsgesellschaft mbH, die unter anderem Versicherungsvermittlungsgeschäfte mit Repräsentanz in Ungarn betreibt. Der Beklagte wurde mit der Tätigkeit eines (selbständigen) Organisationsleiters für die Vermittlung von Versicherungsverträgen in Ungarn betraut.

Die klagende Partei brachte vor, daß der Beklagte auf Provisionsbasis gearbeitet habe. Er habe Provisionszahlungen erhalten, die von der klagenden Partei im Vertrauen darauf erbracht worden seien, daß die Verträge zustandekommen und auch aufrecht bleiben. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, sei vereinbart gewesen, daß der Beklagte verpflichtet sei, die zuviel bezahlten Provisionen zurückzuerstatten. Die klagende Partei habe für die A***** Versicherungs-AG zahlreiche Versicherungsvermittlungsverträge vermittelt. Hiedurch sei ein Anspruch auf Provision für die klagende Partei entstanden. Von der A***** Versicherungs-AG sei ein Verfahren gegen Bernd R***** eingeleitet worden, in dem vorgebracht worden sei, die von ihm vermittelten Versicherungsgeschäfte seien nicht rechtmäßig zustandegekommen, weshalb die A***** Versicherungs-AG diese Verträge habe stornieren müssen. Demnach seien die an Bernd R***** ausbezahlten Provisionen für die von ihm vermittelten Versicherungsgeschäfte zurückzuzahlen. Dieser Anspruch der genannten Versicherung sei in keinem Falle berechtigt. Es sei vereinbart gewesen, daß Bernd R***** die Provisionen für verdienstliche Vermittlungstätigkeit erhalten solle, wenn vom Versicherungsnehmer die erste Jahresprämie einbezahlt werde. Der Tätigkeitsbereich des Beklagten habe sich auch auf die für die A***** Versicherungs-AG zu vermittelnden Versicherungsgeschäfte erstreckt. In bezug auf diese Versicherungsgeschäfte hätten sinngemäß die zwischen der Versicherungsgesellschaft und Bernd R***** getroffenen Vereinbarungen gegolten. Sollte der Klage der A***** Versicherungs-AG stattgegeben und Bernd R***** verpflichtet werden, Provisionen für stornierte Verträge zurückzuzahlen, sei die klagende Partei berechtigt, vom Beklagten die zu Unrecht ausgezahlten Provisionen zurückzuverlangen. Sie habe daher, um einer allfälligen Verjährung ihrer Ansprüche vorzubeugen, ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß der Beklagte schuldig sei, die an ihn von der klagenden Partei für die seit 1.7.1990 für die A***** Versicherung in Ungarn vermittelten Versicherungsverträge, welche in der Folge von der A***** Versicherung wieder storniert worden sind, ausbezahlten Provisionen zurückzuzahlen.

Der Beklagte wendete ein, daß ein Anspruch auf Rückzahlung von Provisionen ausschließlich dann bestehen sollte, wenn der ungarische Versicherungsnehmer seinerseits aus irgendeinem Grunde die Auflösung des Vertrages begehre.

Mit Schriftsatz vom 14.10.1994 brachte die klagende Partei ergänzend vor, es sei zwischen den Streitteilen eine Vereinbarung dahin getroffen worden, daß dem Beklagten ein Provisionsanspruch nur dann zustehe, wenn die vom Beklagten vermittelten Verträge zustandekommen und aufrecht bleiben. Sollten jedoch Verträge, aus welchen Gründen auch immer, nach dem Zustandekommen nicht aufrecht bleiben, sei vereinbart gewesen, daß der Beklagte zur Rückzahlung der an ihn zuviel ausbezahlten Provision verpflichtet sei. Aufgrund dieser Provisionsrückzahlungsvereinbarung sei der Beklagte jedenfalls verpflichtet, die an ihn ausbezahlten Provisionen für die seit 1.7.1990 für die A***** Versicherung in Ungarn vermittelten Versicherungsverträge an die klagende Partei zurückzuzahlen.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab. Es sei nicht einmal sicher, ob der klagenden Partei ein Schaden entstehen werde, weil dies erst in zwei zwischen der A*****-Versicherung und der klagenden Partei anhängigen Zivilrechtsstreitigkeiten zu klären sei. Die bloß theoretische Möglichkeit eines Schadenseintritts reiche für ein Feststellungsinteresse nicht aus. Darüber hinaus sei die Erhebung einer Feststellungsklage ausgeschlossen, weil die klagende Partei bereits eine Leistungsklage einbringen könnte.

Das Berufungsgericht hob das Urteil der ersten Instanz auf; es sprach - nach Ergänzung des Beschlusses - aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die klagende Partei stütze sich auf eine Vereinbarung, nach der der Beklagte verpflichtet sei, die zuviel bezahlten Provisionen zurückzuerstatten, wenn die klagende Partei ihrerseits wieder verpflichtet wäre, gegenüber der A*****-Versicherung die Provisionen zurückzuzahlen. Es handle sich daher um die Feststellung eines vertraglichen Rückforderungsanspruches, der nicht aufgrund eines deliktischen Verhaltens entstanden sei. An einem solchen Feststellungsbegehren habe die klagende Partei ein rechtliches Interesse. Wenngleich das Klagebegehren nicht eindeutig als Feststellungsbegehren formuliert sei, ergebe sich aus dem Klagsvorbringen, daß die klagende Partei die vertragliche Rückzahlungsverpflichtung für den Fall der Stornierung der Verträge festzustellen begehre. Das Erstgericht werde im fortzusetzenden Verfahren die Formulierung des Klagebegehrens zu erörtern und Feststellungen über den Vertragsinhalt, insbesondere über eine allfällige Rückzahlungsverpflichtung für den Fall der Stornierung von Verträgen, zu treffen haben. Erst nach Feststellung der Vertragsinhalte könne beurteilt werden, ob sich daraus eine Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten ergebe, die Gegenstand eines Feststellungsurteils sein könnte.

Der Rekurs des Beklagten ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, der Beklagte sei schuldig, jene Provisionsbeträge zurückzuzahlen, die die klagende Partei dem Beklagten für die Vermittlung von Versicherungsverträgen, die in der Folge von der A*****-Versicherung storniert wurden, ausbezahlt hat. Es wird also generell die Feststellung begehrt, der Beklagte sei zur Zurückzahlung aller Provisionsbeträge verpflichtet, die aus von der A*****-Versicherung stornierten Verträgen resultieren. Hiezu hat die klagende Partei vorgebracht, zwischen den Streitteilen sei vereinbart worden, daß der Beklagte die Provisionen zurückerstatten werde, die für nicht aufrecht gebliebene Verträge ausbezahlt worden sind (S.2 der Klage). Ausdrücklich hat sie aber auch vorgebracht, die A*****-Versicherung habe die von der klagenden Partei bzw vom Beklagten vermittelten Versicherungsgeschäfte in den ehemaligen Ostblockstaaten storniert, wenngleich diese Stornierung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Wenn auch in der Klage darauf abgestellt wurde, daß der Beklagte zur Rückzahlung der Provisionen verpflichtet sei, sofern der Klage der A*****-Versicherung gegen die klagende Partei stattgegeben werde, so hat diese in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 14.10.1994 (ON 7) ausdrücklich behauptet und damit ihr Vorbringen dahin klargestellt, daß der Beklagte zur Rückzahlung der an ihn zuviel ausbezahlten Provisionen verpflichtet sei, wenn die von ihm vermittelten Verträge aus welchen Gründen auch immer nicht aufrecht bleiben (S.3 dieses Schriftsatzes = AS 23). Damit behauptet die klagende Partei, der Beklagte sei zur Rückzahlung der Provision jedenfalls dann verpflichtet, wenn ein von ihm vermitteltes Versicherungsgeschäft nicht aufrecht bleibt, also etwa storniert wird. Wurden die vom Beklagten vermittelten Versicherungsverträge schon nach dem Vorbringen der klagenden Partei storniert und ist sie gleichfalls nach ihrem eigenen Vorbringen schon deshalb zur Rückforderung der Provisionsbeträge berechtigt, dann kann die klagende Partei bereits Leistungsklage gegen den Beklagten erheben, begehrt sie doch die Rückzahlung der Provisionen für die stornierten Versicherungsverträge und muß ihr die Höhe der zurückzuzahlenden Provisionen schon deshalb bekannt sein, weil sie behauptet, sämtliche im Ostblock vermittelten Versicherungsgeschäfte seien von der Versicherungsgesellschaft storniert worden, nach deren Ansicht diese nicht rechtmäßig zustandegekommen seien. Das Vorbringen in der Rekursbeantwortung, der Beklagte habe sich dazu verpflichtet, die zuviel bezahlten Provisionen zurückzuerstatten, soweit die klagende Partei ihrerseits verpflichtet sei, an die A*****-Versicherung Provisionen zurückzuzahlen bzw. ihr diese Provisionen nicht zustünden (S.3 der Rekursbeantwortung = AS 93), stellt eine unbeachtliche Neuerung dar.

Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Die Möglichkeit einer Leistungsklage schließt die Feststellungsklage aus, sofern durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird (RZ 1991/41, 1 Ob 566/94; Rechberger in Rechberger, ZPO § 228 Rz 11 mwN). Der klagenden Partei mangelt es daher am erforderlichen rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung.

Das Urteil des Erstgerichtes ist in Stattgebung des Rekurses des Beklagten gemäß § 519 Abs.2 letzter Satz ZPO wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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