OGH 2Ob557/95

OGH2Ob557/9524.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edmund H*****, vertreten durch Dr.Manfred Schnurer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Rene B*****, vertreten durch Dr.Stefan Herdey, Dr.Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 4 C 33/67 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 18.April 1995, GZ 2 R 116/95-9, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10.Februar 1995, GZ 28 C 12/95t-25, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit der am 23.1.1995 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens 4 C 33/67 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz. Er sei mit Urteil vom 28.3.1967 als Vater des am 11.April 1966 geborenen Beklagten festgestellt worden, da er aufgrund der durchgeführten Blutgruppenuntersuchung als Erzeuger des Kindes nicht habe ausgeschlossen werden können. Vor nunmehr zehn Tagen habe er erfahren, daß die Methode, mit der im Jahre 1967 die Blutuntersuchung durchgeführt worden sei, in der Zwischenzeit völlig veraltet sei und daß neue wissenschaftliche Methoden derzeit bekannt und üblich seien, die eine wesentlich genauere Bestimmung der Ausschlußmerkmale zuließen. Er sei weiterhin der Überzeugung, nicht der Vater des Beklagten zu sein und würde dies durch die Anwendung der neuen wissenschaftlichen Methoden auch bewiesen werden.

Der Beklagte wendete ein, es fehle der Wiederaufnahmsklage an der Geltendmachung eines qualifizierten Wiederaufnahmsgrundes. So behaupte der Kläger gar nicht, im Besitze eines konkreten Gutachtens zu sein, das seine Vaterschaft für den Beklagten ausschließe. Die Behauptung, daß neue wissenschaftliche Methoden bekannt und üblich seien, die eine wesentlich genauere Bestimmung der Ausschlußmerkmale zulassen würden, habe zwar allgemeine Gültigkeit, sei aber nicht geeignet, einen konkreten Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO darzustellen. Weiters werde die Versäumung der vierwöchigen Klagefrist des § 534 Abs 1 ZPO geltend gemacht. So sei der Kläger nach Forderung eines Heiratsgutes durch den Beklagten am 25.10.1994 in der Kanzlei des Beklagtenvertreters erschienen und habe Zweifel an seiner Vaterschaft geäußert. In dem im weiteren mit dem Beklagtenvertreter geführten Gespräch habe er seine Argumente angeführt, die er nunmehr als Wiederaufnahmsgrund geltend mache.

Spätestens am 25.10.1994 habe daher der Kläger Kenntnis von jenem Wiederaufnahmsgrund bzw jenen Beweismitteln gehabt, die er in der Wiederaufnahmsklage vom 20.1.1995 geltend mache. Ferner verwies der Beklagte darauf, daß die zehnjährige Frist des § 534 Abs 3 ZPO verstrichen sei.

Ohne Aufnahme von Beweisen wies das Erstgericht das Wiederaufnahmsbegehren des Klägers wegen Ablaufes der 10-Jahresfrist des § 534 Abs 3 ZPO ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung führte das Berufungsgericht aus, daß § 534 Abs 3 ZPO auf Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt worden sei, nicht anzuwenden sei. Eine Zurückweisung der Klage mit Beschluß im Vorprüfungsverfahren nach § 538 ZPO oder nach mündlicher Verhandlung gemäß § 543 ZPO wegen Fehlens eines gesetzlichen Wiederaufnahmsgrundes oder "Unbestimmtheit" des Begehrens komme nicht in Betracht. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn sich der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund unter keinen der im Gesetz angeführten Wiederaufnahmsgründe subsumieren ließe. Neue wissenschaftliche Erkenntnismethoden der Blutuntersuchung, auf die sich der Kläger berufe, bildeten aber nach neuerer Rechtsprechung grundsätzlich einen Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Im weiteren Verfahren werde das Erstgericht allerdings vorerst noch zu prüfen haben, ob die vorliegende Wiederaufnahmsklage innerhalb der im § 534 Abs 1 ZPO normierten Frist eingebracht worden sei, wobei auf das Vorbringen des Beklagten in seinem vorbereitenden Schriftsatz verwiesen werde. Eine vom Beklagten begehrte Zurückweisung der Klage wegen Versäumung der einmonatigen Frist des § 534 Abs 1 ZPO werde auch bei den in der Berufungsbeantwortung begehrten Feststellungen kaum in Betracht kommen, da Rechtsprechung und Lehre im Falle naturwissenschaftlicher Beweismittel bei Ermittlung des Zeitpunktes, an welchem die Einmonatsfrist des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO zu laufen beginne, keinen strengen Maßstab anlegten.

Zufolge des Fehlens einer neueren Rechtsprechung zu der für die Rechtsentwicklung erheblichen Frage der Bestimmtheit des geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes und der Wahrung der Frist des § 534 Abs 1 ZPO sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 528 Abs 1 ZPO zuzulassen gewesen.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Beklagte hält die Entscheidungen 8 Ob 599/92 und 2 Ob 605/93 (EFSlg 73.048) für nicht stichhaltige Einzelentscheidungen. Ungeachtet des Ablaufes der 10jährigen Frist des § 534 Abs 3 ZPO sei auch die vierwöchige Frist des § 534 Abs 1 ZPO abgelaufen. Zur Meinung des Berufungsgerichtes, hiebei wäre kein strenger Maßstab anzulegen, werde darauf hingewiesen, daß es sich beim Beklagten nicht mehr um ein Kind, sondern um einen 29jährigen Erwachsenen handle. Schließlich sei der Wiederaufnahmsgrund zu weit gefaßt und unbestimmt dargestellt worden. Der Kläger habe kein neues Gutachten bzw keine wissenschaftliche Stellungnahme zum seinerzeit eingeholten Gutachten im Lichte der neuen Erkenntnismethoden vorgelegt.

Hiezu wurde erwogen:

Was die Bestimmtheit des geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes anlangt, so ist dem Rechtsmittelwerber zuzugeben, daß das Klagsvorbringen sehr allgemein gehalten ist. Es wird aber noch hinreichend deutlich gemacht, daß sich der Kläger auf neue wissenschaftliche Erkenntnismethoden bei der Abstammungsfeststellung stützen will. Daß er diese Methoden nicht präzise bezeichnet und nicht bereits vorweg ein einschlägiges neues Gutachten eingeholt hat, bewirkt nicht schon das Scheitern seiner Wiederaufnahmsklage (vgl MGA JN/ZPO14 § 530 ZPO E 63, 77 f, 80).

Gegen die Richtigkeit der jüngsten, ausführlich begründeten Rechtsprechung (EFSlg 73.048), wonach § 534 Abs 3 ZPO teleologisch dahin zu reduzieren ist, daß die 10-Jahresfrist auf Wiederaufnahmsklagen, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt wurde, nicht anzuwenden ist, bringt der Beklagte keine überzeugenden Argumente vor. Daß ein beklagter potentieller Vater auch noch während des Prozesses ein Anerkenntnis abgeben könnte, rechtfertigt die vom Beklagten befürworteten Unterschiede in den Anfechtungsmöglichkeiten bei Vaterschaftsanerkenntnis und Vaterschaftsfeststellungsurteil nicht. Es besteht daher kein Anlaß, von der zitierten Rechtsprechung wieder abzugehen.

Zur Frage der Wahrung der vierwöchigen Frist des § 534 Abs 1 ZPO hat das Erstgericht ungeachtet des diesbezüglichen Vorbringens des Beklagten keine Feststellungen getroffen, weshalb es bei der Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils zu bleiben hat; dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes war daher ein Erfolg zu versagen.

Für das fortgesetzte Verfahren ist in diesem Zusammenhang noch folgendes zu bemerken: Es trifft zwar zu, daß in Fällen der Abstammungsfeststellung bei der Ermittlung des Beginns des Laufes der Frist gemäß § 534 Abs 1 ZPO kein strenger Maßstab angelegt wurde (vgl MGA JN/ZPO14 § 534 E 20). Dies bedeutet aber nicht, daß diese Frist überhaupt unbeachtlich wäre. Im vorliegenden Fall wird insbesondere zu berücksichtigen sein, daß der Beklagte bereits 1966 geboren und die Vaterschaft des Klägers bereits 1967 festgestellt wurde. In der Rechtsprechung fallweise anerkannte Gründe für ein Zuwarten mit dem Einbringen der Wiederaufnahmsklage wie Vergrößerung der Erfolgsaussichten der Untersuchungen und Ausbildung von Merkmalen werden hier (für 1994/1995) kaum ins Gewicht fallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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