OGH 11Os119/95(11Os120/95)

OGH11Os119/95(11Os120/95)22.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.August 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Lech J***** wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20.Juni 1995, GZ 7 c Vr 5052/95-56, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß gemäß § 494a StPO vom selben Tag nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Lech J***** (I.) des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 (zweiter Fall), 302 Abs 1 StGB sowie (II.) des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt.

Das bezeichnete Verbrechen liegt ihm zur Last, weil er am 22. September 1994 in Wien Gruppeninspektor Rudolf S***** dadurch, daß er ihm statt seinem Reisepaß mit den Worten "Das ist für Sie, nehmen Sie und hier ist alles in Ordnung" eine Tausend-Schilling-Banknote reichte, dazu zu bestimmen versuchte, daß er als Beamter der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Vorsatz, (zu ergänzen: den Staat) an seinem konkreten Recht auf Feststellung der Identität einer Person durch Kontrolle der Ausweispapiere zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbrauche, daß er von der Identitätsfeststellung Abstand nehme oder die Amtshandlung nicht weiterführe.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft nach dem Inhalt seines Anfechtungsbegehrens beide Schuldsprüche, der Sache nach allerdings lediglich jenen wegen des Verbrechens nach § 302 Abs 1 StGB (I.) mit einer (nominell) auf die Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Soweit die Rüge formell auch den Schuldspruch wegen Diebstahls (II.) erfaßt, ist sie mangels jeglicher Substantiierung nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO).

Im übrigen ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen:

Der behauptete Verstoß des Erstgerichtes gegen § 240 a StPO (Z 3) liegt nicht vor, weil nur das - nicht einmal behauptete - Unterbleiben der Beeidigung der Laienrichter, nicht aber (wie hier) ein Unterbleiben der Anführung des Aktenzeichens jenes Verfahrens, in dem sie vereidigt wurden - vorliegend erfolgte die Beeidigung (den gemäß § 285 f StPO durchgeführten Erhebungen zufolge) am 13.April 1995 zum AZ 7 c Vr 2035/95, Hv 1452/95 - mit Nichtigkeit bedroht ist (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 240 a ENr 4 a, 5, 8).

Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider bedeutete die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten - unsubstantiierten - Antrages "den Angeklagten zu untersuchen, da er schwachsinnig zu sein scheint" (305), keine Beeinträchtigung wesentlicher Verteidigungsrechte. Im Sinne des dazu gerügten erstgerichtlichen Zwischenerkenntnisses trifft es nämlich zu, daß die angestrebte Psychiatrierung eines Angeklagten nur bei Vorliegen objektiver Momente, die die Zurechnungsfähigkeit in Frage stellen, zu veranlassen ist; die Verfahrensergebnisse bieten jedoch für die Annahme dieser Prämisse keine Anhaltspunkte (vgl insbes US 7).

Entgegen dem unter dem Gesichtspunkt unzureichender Begründung (Z 5) erhobenen Beschwerdeeinwand konnte das Schöffengericht die Urteilsfeststellung, der Beschwerdeführer habe den Zeugen S***** als Kriminalbeamten erkannt, auch auf die eigene Verantwortung in der Hauptverhandlung ("Der Polizist ist gekommen und hat nach M***** gefragt." ".... und der Polizist wollte mit Katharina J***** sprechen." "Der Polizist wollte von mir keinen Paß, er hat nur nach M***** gefragt" - 299 f) stützen.

Soweit die Beschwerde schließlich die Feststellung, der Angeklagte sei der deutschen Sprache hinreichend mächtig, um die Aufforderung des Zeugen S***** zur Vorweisung des Reisepasses zu verstehen, als formell mangelhaft begründet rügt, übergeht sie die in diesem Kontext von den Tatrichtern dargelegten Erwägungen (US 7) und übersieht im übrigen, daß der (zu dem dem Angeklagten zur Last liegenden Diebstahls einvernommene) Zeuge H***** lediglich zu Protokoll gab, keinen Eindruck von den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers gewonnen zu haben, weil dieser (bei seiner Betretung) keine Reaktion gezeigt habe (304); im übrigen sollte die Beiziehung eines Dolmetsches (iSd § 38a StPO) vor allem der Wahrung der Rechte des der Gerichtssprache nicht hinreichend kundigen Angeklagten ("insbesondere für Verhandlungen") dienen, welcher Umstand somit die relevierte Feststellung nicht ausschließt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten und dessen Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil verkündeten Widerrufsbeschluß nach § 494 a StPO fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien (§§ 285 i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte