OGH 4Ob551/95

OGH4Ob551/9510.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Erhard C.J. Weber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verein *****, vertreten durch Dr.Friedrich Doschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 573.655,- sA, Feststellung und Unterlassung (Gesamtstreitwert S 723.655,- sA), infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. März 1995, 45 R 948/94-131, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.Oktober 1994, 47 C 292/89x-125, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft W*****. Der Rechtsvorgänger der Klägerin, Dr.Stefan S*****, hat der Beklagten mit Mietverträgen vom 8.4.1981 und 22.4.1981 die Räume top II im Hochparterre und top IV/4 a im zweiten Stock zur Ausübung von religiösen Übungen und Handlungen auf unbestimmte Zeit vermietet.

Die Beklagte hat im zweiten Stock ein Bethaus und im Untergeschoß eine Kantine für ihre Mitglieder und Gäste eingerichtet. Im Mietobjekt wurde auch eine Koranschule betrieben. Die Räume im ersten Stock des Hauses sind derzeit nicht vermietet.

Die Beklagte hat in beiden Geschossen Zwischenwände aufgestellt und auch eine Etagenheizung eingebaut. Die alten englischen Wasserklosetts wurden herausgerissen und durch orientalische Hockaborte (Trittsteine) ersetzt. Die Beklagte hat dazu weder eine Baubewilligung noch die Zustimmung des Hauseigentümers eingeholt. Die Trittsteine wurden nicht ausreichend isoliert, so daß sowohl in den darunter liegenden Räumen als auch an den Außenwänden Nässeschäden aufgetreten sind. Außerdem sind Fäkalien in das Mauerwerk eingedrungen. Die Sanitäranlagen sind in einem katastrophalen Zustand, weil die mangelnde Isolierung der Trittsteine zu mehreren Wasseraustritten und Wasserrohrbrüchen geführt hat, welche die umschließenden Bauteile zerstört haben. Durch die unsachgemäßen Umbauarbeiten sind bereits Schäden an der Bausubstanz eingetreten. Die Kosten der Sanierungsarbeiten lassen sich derzeit nicht abschätzen.

Die von der Beklagten gemieteten Räume sind als Geschäftsräume (Geschäftslokal) nach der Wiener Bauordnung ausgewiesen; ein Raum wird als Sitzungszimmer bezeichnet. Für die Umbauten, Zubauten und Umwidmungen liegt keine Baubewilligung vor. Die Wiener Baupolizei hat die Hauseigentümerin mit Bescheid vom 8.3.1988 aufgefordert, den baupolizeilichen Konsens wiederherzustellen. Dies hat zur Folge, daß die Umwidmungen rückgängig gemacht und die Hockaborte durch englische Wasserklosetts ersetzt werden müssen. Die Beklagte ist der Aufforderung der Hauseigentümerin, den früheren Zustand wiederherzustellen, bisher nicht nachgekommen.

Die Klägerin begehrt S 573.655,- sA, sowie die Feststellung, daß die Beklagte schuldig ist, ihr für sämtliche noch auftretende Schäden aus der widmungswidrigen und konsenswidrigen Benützung der im Hause W*****, befindlichen Räumlichkeiten top II im Hochparterre sowie top

IV/4 a im zweiten Stock den vollen Ersatz zu leisten. Die Beklagte sollte weiters schuldig erkannt werden, die widmungswidrige und konsenswidrige Benützung der Räumlichkeiten im Hause W*****, top II, Hochparterre, und top IV/4 a, zweiten Stock, insbesondere die Benützung der Hockaborte zu unterlassen.

Die Beklagte habe die gemieteten Räume praktisch vollkommen zerstört. Es sei zu befürchten, daß aus Verschulden der Beklagten noch ein erheblich größerer Schade entstanden sei. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung ihres Schadenersatzanspruches. Ihrer Aufforderung, die konsenswidrige Benützung der gemieteten Räume zu unterlassen, sei die Beklagte nicht nachgekommen. Die Sanierung werde S 573.655,- kosten.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen.

Der Hausverwaltung sei bekannt gewesen, daß WC-Schalen den religiösen Vorschriften der Beklagten widersprächen. Die Trittsteine seien fachgerecht eingebaut worden. Ursache der Durchfeuchtungen seien Gainzengebrechen. Es wäre Aufgabe des Hauseigentümers gewesen, um die Umwidmung anzusuchen, da die Räume zur Durchführung von religiösen Übungen und Handlungen gemietet worden seien. Die Klägerin weigere sich, die Einreichpläne zu unterschreiben.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, daß der Schadenersatzanspruch der Klägerin von S 573.655,- sA dem Grunde nach zu Recht besteht. Weiters stellte es fest, daß die Beklagte schuldig ist, der Klägerin für sämtliche noch auftretende Schäden aus der widmungswidrigen und konsenswidrigen Benützung der im Hause W*****, befindlichen Räumlichkeiten top II im Hochparterre sowie top

IV/4 a im zweiten Stock den vollen Ersatz zu leisten, und daß sie weiters schuldig ist, die widmungswidrige und konsenswidrige Benützung der Räumlichkeiten im Hause W*****, top II, Hochparterre, und top IV/4 a, zweiten Stock, insbesondere die Benützung der Hochaborte zu unterlassen.

Das Gericht könne noch kein Endurteil fällen, weil die genaue Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens noch nicht feststehe. Die Durchfeuchtung mit Fäkalien sei auf das schuldhafte und rechtswidrige Verhalten der Beklagten zurückzuführen. Die Beklagte habe die Trittsteine nicht ausreichend isoliert. Der Einbau der Trittsteine sei widmungswidrig und konsenswidrig erfolgt. Die Beklagte habe damit gegen den Mietvertrag und gegen die Wiener Bauordnung verstoßen.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Feststellungsbegehren abwies. Das Unterlassungsgebot schränkte das Berufungsgericht auf die Benützung der Hockaborte ein; das Mehrbegehren wies es ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die Revision nicht zulässig sei.

Das Feststellungsbegehren und das Unterlassungsbegehren seien nicht ausreichend bestimmt. Die Klägerin beziehe sich nur auf "widmungswidrige und konsenswidrige Benützung". Daraus lasse sich nicht ableiten, welches konkrete Verhalten der Beklagten haftungsbegründend sein solle und welches konkrete Verhalten die Beklagte zu unterlassen habe. Die mangelnde Bestimmtheit sei von Amts wegen wahrzunehmen.

Die Beklagte sei als Mieterin verpflichtet, das Eigentum der Klägerin zu schonen. Der Nachweis mangelnden Verschuldens sei der Beklagten nicht gelungen. Weitere Rechtsverletzungen seien zu befürchten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Die Klägerin verweist darauf, daß Klagebegehren ausreichend bestimmt sind, wenn ihnen unter Berücksichtigung des Sprach- und Ortsgebrauches und nach den Regeln des Verkehrs zu entnehmen ist, was begehrt ist. Diesem Erfordernis entspräche das Feststellungs- und das Unterlassungsbegehren. Das Ersturteil stelle auf die Bestimmungen der Wiener Bauordnung, den baupolizeilichen Konsens, die baupolizeiliche Widmung und insbesondere den Bescheid der Baupolizei ab.

Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Anforderungen an die

Bestimmtheit des Klagebegehrens nicht überspannt werden; bei anderen

Ansprüchen als Geldforderungen genügt es unter Bedachtnahme auf § 7

Abs 1 EO, wenn für das Klagebegehren eine Fassung gewählt wird, aus

der sich unter Berücksichtigung des Sprach- und Ortsgebrauches sowie

der Verkehrsauffassung entnehmen läßt, was begehrt ist (NZ 1977,

26; MietSlg 35.761 mwN; s auch ÖBl 1991, 105 -

Hundertwasser-Pickerln II; ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille,

jeweils mwN). Bei Feststellungsbegehren ist genau zu bezeichnen,

welches Recht oder Rechtsverhältnis als bestehend oder nicht

bestehend festzustellen ist; bei Unterlassungsklagen, welche

Handlungen und für welche Dauer sie zu unterlassen sind (s Fasching,

LB2 Rz 1044). Der Klageberechtigte hat einen Anspruch auf

Unterlassung solcher Verletzungshandlungen, die vom Beklagten oder

einem Dritten in einer dem Beklagten zurechenbaren Weise begangen

worden sind oder drohend bevorstehen. Gegenstand des Urteilsantrages

und des Urteilsanspruches ist daher immer nur die konkrete

Verletzungshandlung. Ein auf Unterlassung eng umrissener Eingriff

ganz bestimmter Art lautender Exekutionstitel ist jedoch vielfach

wertlos, weil der Verpflichtete durch Eingriffe ähnlicher Art den

gleichen Erfolg erreichen kann. Eine gewisse allgemeine Fassung des

Unterlassungsgebotes - allerdings im Verein mit konkreten

Einzelverboten - ist daher meist schon deshalb notwendig, um

Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (ÖBl 1991, 105 -

Hundertwasser-Pickerln II; ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille).

Im vorliegenden Fall sind beide Begehren ausreichend bestimmt: Hat der Beklagte für alle Schäden zu haften, die aus der widmungswidrigen und konsenswidrigen Benützung der gemieteten Räumlichkeiten entstehen, so erfaßt seine Ersatzpflicht alle Schäden, die daraus entstehen, daß der Beklagte Benützungshandlungen vornimmt, die durch die von ihm ohne die notwendige Bewilligung und entgegen der ursprünglichen Widmung vorgenommenen Umbauten möglich geworden sind.

Auch das Unterlassungsbegehren ist hinreichend bestimmt: Hier ist durch die beispielsweise angeführte "Benützung der Hockaborte" klargestellt, welcher Art das zu unterlassende Verhalten ist. Durch das Verbot widmungswidriger und konsenswidriger Benützung wird dem Verbot - zulässigerweise - eine etwas allgemeinere Fassung gegeben.

Da beide Begehren ohnedies ausreichend bestimmt sind, ist der dem Berufungsgericht unterlaufene, aber nicht gerügte Verfahrensmangel ohne Bedeutung: Wären die Begehren tatsächlich unbestimmt gewesen, so hätte das Berufungsgericht der Klägerin Gelegenheit zur Verbesserung geben müssen (RZ 1993/8 uva).

Da das Berufungsgericht die Beweisrüge aufgrund seiner unrichtigen Rechtsansicht, daß die beiden Begehren nicht ausreichend bestimmt und schon aus diesem Grund abzuweisen seien, unerledigt gelassen hat, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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