OGH 14Os95/95

OGH14Os95/958.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Pesendorfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Reinhard S***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 9.März 1995, GZ 13 Vr 750/94-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Reinhard S***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 28.Juni 1994 in Spielberg die am 16.Jänner 1984 geborene, unmündige Claudia S***** dadurch, daß er ihren Geschlechtsteil küßte und sie an den nackten Brüsten betastete, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbrauchte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Eine erfolgreiche Geltendmachung der Verfahrensrüge, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die Abweisung seines Antrages auf (neuerliche) Einvernahme des unmündigen Tatopfers wendet, scheitert mangels einer konkreten Bezeichnung jener Umstände tatsächlicher Art, die durch die Aussage dieser Zeugin erwiesen werden sollten, bereits aus formellen Gründen.

Die Beschwerdeargumentation läßt allerdings erkennen, daß der Angeklagte in Wahrheit die Voraussetzungen für die Verlesung des Protokolls über die im Vorverfahren durchgeführte Vernehmung der Zeugin in der Hauptverhandlung bestreitet. Damit macht er der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO geltend, der dem Urteil indes ebenfalls nicht anhaftet.

Claudia S***** war im Vorverfahren am 2.September 1994 in Beachtung der im § 162 a StPO vorgesehenen Beschränkungen unter Leitung des Untersuchungsrichters als Zeugin vernommen worden, wobei die unmittelbare Befragung durch eine Gendarmeriebeamtin in einem gesonderten Raum erfolgte und dem (anwaltlich nicht vertretenen) Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt war, an dieser (durch ein Videogerät übertragenen) Vernehmung teilzunehmen und an die Zeugin Fragen zu stellen (ON 5).

In der Hauptverhandlung vom 17.November 1994 erklärte Claudia S***** durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin, sich der Aussage "gemäß § 152 Abs 1 Z 3 StPO" zu entschlagen, worauf in der Hauptverhandlung vom 9.März 1995 das erwähnte Protokoll vom 2. September 1994 (ON 5) - gegen den Widerspruch der Verteidigung - "gemäß § 252 Abs 2 Z 1 a" (gemeint offenbar: § 252 Abs 1 Z 2 a StPO) verlesen wurde.

Nach der letztgenannten Gesetzesstelle dürfen u.a. Protokolle und technische Aufzeichnungen (§ 162 a StPO) über die Vernehmung von Zeugen, wenn die Zeugen in der Folge die Aussage - wie hier - berechtigt verweigern, dann verlesen werden, "wenn die Parteien Gelegenheit hatten, sich an einer gerichtlichen Vernehmung zu beteiligen". Eine solche kontradiktorische Einvernahme hatte nach dem Vorgesagten am 2.September 1994 stattgefunden, sodaß die Voraussetzungen für die in der Hauptverhandlung vorgenommene Verlesung der Vernehmungsniederschrift gegeben waren, ohne daß es hiezu eines Parteieneinverständnisses bedurfte.

Auf die erst im Rechtsmittel behaupteten, bei der Einvernahme des Tatopfers angeblich aufgetretenen technischen Mängel war, abgesehen davon, daß sich Derartiges aus dem Vernehmungsprotokoll nicht ergibt, als verspätet vorgebracht nicht einzugehen. Daß der Beschwerdeführer aber bei dieser Einvernahme in seinem Fragerecht beschnitten worden wäre, wurde nicht geltend gemacht. Der Umstand schließlich, daß der Angeklagte bei der Vernehmung der Zeugin durch den Untersuchungsrichter anwaltlich nicht vertreten war, begründet mangels einer hiedurch verletzten prozessualen Vorschrift keine Nichtigkeit.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung folgt.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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