OGH 1Ob589/95

OGH1Ob589/9527.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Gerhart P*****, vertreten durch Dr.Stefan Bruckschwaiger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Margit K*****, wegen S 66.666,66 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 16.Mai 1995, GZ 45 R 910/94-14, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 19.Oktober 1994, GZ 5 C 1130/94-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens über die von ihm aufgenommene Protokollarklage aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 20.9.1994 wurde über Ersuchen des Klägers vom Erstgericht eine Protokollarklage aufgenommen, mit welcher der Kläger von der Beklagten die Bezahlung von S 66.666,66 sA forderte. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, daß das Erstgericht am 28.9.1994 die Ladung der Streitteile zu einem Vergleichsversuch verfügte (ON 3).

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Der Kläger habe trotz mehrfacher rechtlicher Belehrung über die hier gegebene absolute Anwaltspflicht auf der Aufnahme der Protokollarklage bestanden. Eine Verbesserung dieser Klage durch Nachbringen der Unterschrift eines Rechtsanwaltes sei nicht möglich.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger einen Protokollarrekurs, in welchem er unter anderem ausführte, er sei vor der Aufnahme der Protokollarklage nicht über den gemäß § 27 Abs.1 ZPO bestehenden Anwaltszwang belehrt worden. Erst beim Verlassen des Gerichtsgebäudes sei ihm durch eine Rechtspraktikantin mitgeteilt worden, daß die Klage nicht hätte aufgenommen werden dürfen. Zu diesem Vorbringen bot er unter anderem die Einvernahme zweier Rechtspraktikanten als Zeugen an (ON 5). Daraufhin verfaßte die Erstrichterin einen Amtsvermerk vom 28.10.1994, der auch von den beiden als Zeugen namhaft gemachten Rechtspraktikanten unterfertigt ist. In diesem Amtsvermerk wird dargelegt, daß der Kläger vor Verfassung der Protokollarklage zur Besorgung von Gerichtskostenmarken veranlaßt worden sei. Während der Kläger den Ankauf der Gerichtskostenmarken erledigte, sei der Erstrichterin bewußt geworden, daß die Aufnahme einer Protokollarklage bei einem Streitwert über S 30.000,-- nicht zulässig sei. Dies sei dem Kläger mitgeteilt worden, er habe aber trotz Belehrung über den Anwaltszwang auf der Aufnahme der Klage bestanden (ON 6).

Das Rekursgericht gab dem vom Kläger gegen diesen Beschluß gerichteten Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Rekurs hätte zwar nicht zu Protokoll aufgenommen werden dürfen, er sei aber dennoch meritorisch zu behandeln, weil ein unter Verletzung des § 520 Abs.1 ZPO aufgenommenes Rechtsmittel nicht unzulässig oder unwirksam sei. Das Erstgericht habe den Kläger zwar über das Bestehen der Anwaltspflicht für das Einbringen der vorliegenden Klage belehrt, dieser habe aber auf der Protokollierung der Klage bestanden. Deshalb habe das Erstgericht die Protokollarklage aufnehmen müssen. Es sei aber zu Recht zur Ansicht gelangt, daß die Einbringung der Klage durch den Kläger selbst unzulässig sei, weshalb die Klagszurückweisung zu Recht erfolgt sei.

Der Revisionsrekurs des Klägers ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist klarzustellen, daß das Rekursgericht jedenfalls nicht ohne Durchführung eines prozessualen Zwischenverfahrens (Einvernahme der beiden vom Kläger als Zeugen für die mangelnde Belehrung durch das Erstgericht genannten Rechtspraktikanten) eine Entscheidung hätte treffen dürfen. Es geht nicht an, die dem Inhalt des Amtsvermerks vom 28.10.1994 widersprechenden Ausführungen des Klägers lediglich mit dem Hinweis auf diesen Amtsvermerk abzutun.

Die Pflicht des Gerichts zur Erteilung von Verbesserungsaufträgen ist ein wesentlicher Teil der Anleitungs- und Belehrungspflicht im Rahmen der materiellen Prozeßleitungspflicht eines Richters. Die Verbesserungspflicht besteht unter anderem bei Formgebrechen, zu welchen auch der Mangel einer Anwaltsunterschrift in Prozessen mit Anwaltspflicht gehört (Fasching, Lehrbuch2 Rz 511 f). Liegt ein Formgebrechen vor, das die ordnungsgemäße geschäftliche Behandlung einer Klage zu hindern geeignet ist, dann hat das Gericht ein Verbesserungsverfahren gemäß den §§ 84 und 85 ZPO einzuleiten. Ein derartiges Verbesserungsverfahren hat auch bei einer zu Gericht aufgenommenen Protokollarklage stattzufinden. Gerade im vorliegenden Fall, in dem der Kläger bereits zur Besorgung der Gerichtskostenmarken angehalten und ihm die Aufnahme der Klage in Aussicht gestellt wurde, ist ein förmliches Verbesserungsverfahren im Sinne des § 85 Abs.1 ZPO unumgänglich. Dem Kläger muß Gelegenheit geboten werden, während angemessener Frist zu überdenken, ob er dem Verbesserungsauftrag nachkommen will oder nicht. Nach den Intentionen des Gesetzgebers sollen durch die Erteilung von Verbesserungsaufträgen gerade jene Personen vor prozessualen Nachteilen geschützt werden, die versehentlich oder in Unkenntnis gesetzlicher Vorschriften Fehler begehen. Nur dann, wenn eine Partei prozessuale Formvorschriften absichtlich und rechtsmißbräuchlich verletzt, ist ihr diese Möglichkeit zu versagen (AnwBl 1993, 189; JBl 1965, 475 uva).

In Stattgebung des Revisionsrekurses sind die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben. Das Erstgericht wird entsprechend den §§ 84 und 85 ZPO den Kläger unter Setzung einer angemessenen Frist zur Verbesserung der vom Gericht erster Instanz aufgenommenen Protokollarklage durch deren rechtsanwaltliche Fertigung aufzufordern haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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