OGH 11Os68/95

OGH11Os68/9525.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Juli 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Holzweber und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Arthur D***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 10.März 1995, GZ 29 Vr 1046/89-111, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen (auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden) Urteil wurde Arthur D***** (zu I/1 bis 6) des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und (zu II/1 und 2) des (richtig: der) Vergehen (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 159 RN 3) der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu I/1 bis 6) in Wien, Linz und Salzburg, mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, (zusammengefaßt dargestellt) Verantwortliche der im Spruch des Ersturteils näher angeführten Banken in der Zeit von Oktober 1985 bis Juni 1989 durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, aber auch durch die wahrheitswidrigen Vorgaben, die so erlangten Kredite zum Ankauf von Teppichen zu verwenden, zu Handlungen, und zwar zur Gewährung von Krediten, verleitet, welche die Kreditgeber (überwiegend) in einem jeweils S 500.000 übersteigenden Betrag, nämlich um rund 68,500.000 S, geschädigt haben und

(zu II) als Schuldner mehrerer Gläubiger in Linz und Salzburg

1. von 1982 bis Mitte 1986 fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit und die seiner Einzelfirma T***** Arthur D***** herbeigeführt, indem er durch regelmäßige Kasinobesuche, bei denen er mehrere Millionen Schilling verspielte, übermäßigen Aufwand trieb und zur Fortführung seiner Leidenschaft leichtsinnig und - selbst in Anbetracht seines ansehnlichen Vermögens noch - unverhältnismäßig Kredit benützte;

2. ab Mitte 1986 bis Juni 1989 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, daß er weiterhin Kredite aufnahm und die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die in keinem Punkt berechtigt ist.

Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 23.Februar 1995 gestellten Beweisanträge. Zunächst wurde vom Verteidiger - nach Erstattung der Gutachten der vom Gericht zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten der Betrugsfakten beauftragten Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie, Univ.Prof.Dr.L***** und Prim.Univ.Doz.Dr.S***** - der Antrag auf "vollinhaltliche Verlesung der vorgelegten Privatgutachten zum Beweis dafür gestellt, daß die Ersteller dieser Gutachten nach persönlicher Untersuchung und Gespräch mit dem Angeklagten zu dem Ergebnis gekommen sind, daß dieser für die gegenständlichen Fakten nicht zurechnungsfähig war und somit das Fakultätsgutachten sowie auch das Ergänzungsgutachten widerlegen" (299/III). Dieser Antrag wurde vom Schöffengericht mit der Begründung abgewiesen, daß Privatgutachten nur dazu dienen, dem Verteidiger und dem Angeklagten Einblick in die Sachmaterie zu ermöglichen, um sodann geeignete Fragen an den vom Gericht bestellten Sachverständigen stellen zu können (301/III). Nach Erstattung des (ebenfalls zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten eingeholten) Gutachtens durch den Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie der Universität Innsbruck Univ.Prof.Dr.H***** beantragte der Verteidiger

(1.) die Ladung und Einvernahme des Prim.Dr.Pü***** als Zeugen zum Beweis dafür, "daß der Befund des Fakultätsgutachtens unrichtig ist, insbesondere hinsichtlich eines festgestellten Bluthochdruckes und einer Diabeteserkrankung";

(2.) die Ladung und Einvernahme der Primärärzte Dr.Pü*****, Dr.M*****, und Dr.Pe***** sowie des Univ.Prof.Dr.Pr***** zum Beweis dafür, "daß die im Fakultätsgutachten und Ergänzungsgutachten festgestellte Zurechnungsfähigkeit unrichtig ist und Zurechnungsunfähigkeit vorliegt. Die Einvernahme dieser Zeugen ist insbesondere auch deshalb erforderlich, da das Fakultäts- und das Ergänzungsgutachten in ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft an sich und in Verbindung mit den vorgelegten Privatgutachten zu prüfen sind und begründete Zweifel an diesem Gutachten bestehen";

(3.) "auf Grund der vorliegenden widersprüchlichen Gutachten die Einholung eines Gutachtens im Sinn des § 126 Satz 2 StPO, zumal ein derartiges Gutachten bis jetzt nicht eingeholt wurde und das vorliegende Ergänzungsgutachten ON 88 ein solches Gutachten nicht darstellt, weil es insbesondere keinen Befund beinhaltet und auch nach Ablegung des SV-Eides durch Prof.H***** am 14.Juni 1994 kein Befund aufgenommen wurde (339/III)".

Das Schöffengericht hat diese Beweisanträge mit Beschluß vom 10.März 1995 (110/IV) abgewiesen, wobei es das Zwischenerkenntnis - mit Nachtrag in den Urteilsgründen (US 75 f) - zum einen damit begründete, daß durch die Einvernahme des Zeugen Dr.Pü***** die Unrichtigkeit des Fakultätsgutachtens (bezüglich der Befundaufnahme) nicht erwiesen werden könne, weil der Genannte bei der Befundaufnahme durch die einzelnen Mitglieder der Fakultät nicht anwesend war, zum anderen der Antrag auf Einvernahme der Zeugen Dr.Pü*****, Dr.M***** und Dr.Pe***** eine Umgehung des Grundsatzes darstelle, daß Privatgutachten nicht zu verlesen seien. Im übrigen sei das Fakultätsgutachten bezüglich der Befundaufnahme mängelfrei und könne durch die Meinung außenstehender Dritter nicht "auf- bzw abgewertet werden" (US 78). Die Einholung eines weiteren Gutachtens im Sinn des § 126 Abs 2 StPO erübrige sich, weil das von der Universität Innsbruck ursprünglich als Fakultätsgutachten erstattete, von Univ.Prof.Dr.H***** in der Verhandlung vorgetragene und ergänzte Gutachten samt Ergänzungsgutachten ohnedies ein Gutachten im Sinn der genannten Verfahrensbestimmung darstelle.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde durch die Ablehnung dieser Beweisanträge, wie das Schöffengericht zutreffend erkannte, eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten nicht bewirkt.

Der Sache nach zielten sowohl der Antrag auf Verlesung der Privatgutachten als auch jener auf zeugenschaftliche Einvernahme der Privatgutachter Dr.Pü*****, Dr.Pe*****, Dr.Pr***** und Dr.M***** auf die Widerlegung des zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr.H***** ab; gleiches gilt für den (auch unter Punkt 4. gestellten) Antrag auf Einholung eines Gutachtens im Sinn des § 126 Abs 2 StPO.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellt das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten des Univ.Prof.Dr.H***** jedoch ein solches im Sinn des § 126 Abs 2 StPO idF BGBl 1993/526 dar. Denn der Genannte verfügt als Vorstand der psychiatrischen Klinik der Universität Innsbruck über die venia docendi an einer inländischen Universität und war in führender Rolle an der Befundaufnahme bezüglich des (vorerst nach der Bestimmung des § 126 Abs 2 StPO aF schriftlich erstatteten und vor dem Untersuchungsrichter durch den Genannten mündlich ergänzten) Fakultätsgutachtens der medizinischen Universität Innsbruck tätig, so auch insbesondere an der persönlichen Befundaufnahme mit dem Angeklagten beteiligt, und hat die Ergebnisse der Untersuchungen und Befunde der Fakultät sowie seiner eigenen zum Inhalt der von ihm erstatteten mündlichen Ausführungen gemacht.

Weiters hat das Schöffengericht zu Recht von der Verlesung der in Rede stehenden Privatgutachten und der Vernehmung deren Verfasser als (sachverständige) Zeugen in der Hauptverhandlung Abstand genommen, zumal der Inhalt der vorgelegten Privatgutachten (über Gerichtsauftrag) ohnedies im Gutachten der Fakultät der Universität Innsbruck bzw dem Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof.Dr.H***** berücksichtigt wurde. Angesichts der eindeutigen Depositionen des psychiatrisch-neurologischen Sachverständigen Dr.H*****, der auf den Inhalt der Privatgutachten Bezug nahm und sich damit auseinandersetzte, allerdings zu anderen Schlußfolgerungen betreffend die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten kam, wäre es bei Stellung der Beweisanträge zur Dartuung ihrer Relevanz erforderlich gewesen wäre, darzulegen, aus welchen Gründen die Ausführungen des (mit der venia docendi ausgestatteten) Sachverständigen unrichtig sein sollten. Die Frage aber, ob ein Gutachten ausreichend und schlüssig ist, bleibt letztlich als Beweisfrage der Beurteilung durch die Tatsacheninstanz vorbehalten (Mayerhofer/Rieder aaO § 126 StPO ENr 1).

Der Vorwurf der Mängelrüge (Z 5), daß das Erstgericht die Gutachten der Privatgutachter mit Stillschweigen übergangen habe und daher hinsichtlich des Ausspruchs über die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten ein Begründungsmangel vorliege, geht fehl: Denn unvollständig begründet wäre ein Schuldspruch nur, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen, Widersprüche zwischen den Aussagen vernommener Personen oder die seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht gewürdigt oder die Gründe nicht angegeben hätte, aus denen es die Beweise nicht für stichhältig erachtete. Das Erstgericht hat aber die Feststellungen über die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit mit eingehender Begründung auf das Gutachten des Vorstandes der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck Dr.H***** gestützt, der ausdrücklich (wie bereits bei Erörterung der Verfahrensrüge dargelegt) auf die Erwägungen der Privatgutachter Dr.Pü*****, Dr.Pe***** und Dr.Pr***** eingegangen ist (US 56 f, 78). Daß aus den vom Erstgericht ermittelten Prämissen - wie vom Beschwerdeführer behauptet - auch andere als die von den Tatrichtern abgeleiteten, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen möglich gewesen wären, das Gericht sich aber dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren entschieden hat, ist ein Akt richterlicher Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO), auf den eine Mängelrüge nicht gestützt werden kann. Gleiches gilt für die eine Auseinandersetzung mit einzelnen Details der Ausführungen des Sachverständigen Univ.Doz.Dr.S***** (285/III) vermissenden Beschwerdeausführungen, wonach der Angeklagte in Zeiten exzessiven Spielverhaltens zu einer eigenständigen Unterbrechung dieser Situation nicht in der Lage gewesen sei. Auch dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß das Gericht (im Sinn einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe - § 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verpflichtet war, sich mit sämtlichen Beweisergebnissen in allen Details auseinanderzusetzen (Mayerhofer/Rieder aaO § 270 E 116); zum anderen übergeht er mit diesem Einwand, daß der Schöffensenat die bezughabende Passage aus dem Gutachten Dris.S***** ohnedies erörtert, daraus allerdings (beweiswürdigend) andere als die vom Beschwerdeführer angestrebten Schlüsse gezogen hat (US 64).

Mit der Behauptung, der Sachverständige Univ.Prof.Dr.H***** habe nicht begründet, warum die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zwar stark eingeschränkt, nicht aber zur Gänze aufgehoben gewesen sei, weicht der Beschwerdeführer vom Akteninhalt ab, hat sich doch das Erstgericht, den Ausführungen des genannten Sachverständigen folgend (US 59), ausführlich damit auseinandergesetzt, weshalb die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit beim Angeklagten jedenfalls - wenn auch eingeschränkt - gegeben war.

Aber auch der Tatsachenrüge (Z 5 a), in welcher der Beschwerdeführer erneut die mangelnde Verwertung der Privatgutachten und - unsubstantiiert - die Nichtverwertung von Beweismitteln "von denen das Gericht nach der Aktenlage Kenntnis hatte" moniert, gelingt es nicht, die vom Gesetz für eine Urteilsnichtigkeit in der Bedeutung der genannten Gesetzesstelle verlangten erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die - nach dem Inhalt der Rechtsmittelschrift lediglich das Faktum I bekämpfende - Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich mit der Behauptung von Feststellungsmängeln zur subjektiven Tatseite wegen des "substanzlosen Gebrauchs der verba legalia" nicht am gesamten Urteilssachverhalt, der detailliert und fallbezogen an einem Handeln des Angeklagten mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz keinen Zweifel läßt (US 13, 45, 81, 82, 83).

Solcherart läßt die Beschwerde das für eine prozeßordnungsgemäße Darstellung der Rechtsrüge erforderliche Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt vermissen.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich - unter Wiederholung seiner Argumentation zur Mängelrüge - moniert, daß das Erstgericht bei den Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht seinen Angaben in Verbindung mit den Ausführungen des DSMA-MANUALS zur Spielsucht ("die ernste Absicht gehabt zu haben, das Geld zurückzugeben oder zurückzuzahlen") gefolgt sei, unternimmt er lediglich (abermals) den Versuch, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes in Frage zu stellen und darzutun, daß die Verfahrensergebnisse auch andere, für ihn günstigere Feststellungen ermöglicht hätten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung wird der hiefür gemäß § 285 i StPO zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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