Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Driton As***** (auch soweit sie als Beschwerde nach § 498 Abs 3 StPO zu betrachten ist) und Bajram As***** sowie der Staatsanwaltschaft und über deren Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Bajram As***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die (zur Tatzeit) Jugendlichen Ronald A***** und Markus G***** wurden zugleich mit den erwachsenen Angeklagten Driton As***** und Bajram As***** (insoweit abweichend von der wegen Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB erhobenen Anklage - ON 64) des Vergehens der (zu ergänzen: schweren) Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (I.) sowie Ronald A***** und Bajram As***** überdies des Vergehens der Körperverletzng nach § 83 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.
Danach haben in Linz
(zu I.) Ronald A*****, Driton As*****, Bajram As***** und Markus G***** am 14.Mai 1994 im bewußten und gewollten Zusammenwirken (als Mittäter gemäß § 12 erster Fall StGB) dem Bernhard M***** dadurch, daß sie ihm abwechselnd zahlreiche kräftige und gezielte Fußtritte gegen Kopf und Oberkörper versetzten, eine an sich schwere, mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsstörung verbundene Körperverletzung, nämlich eine Kahnbeinfraktur an der linken Hand, eine Nasenbeinfraktur ohne Verschiebung (zu ergänzen: der Bruchstücke), eine Gehirnerschütterung, eine Prellung der linken Schulter sowie eine Rißquetschwunde am Hinterkopf, zugefügt;
(zu II.) Bajram As***** und Roland A***** am 26.Mai 1994 als Mittäter nachgenannte Personen durch Versetzen von Schlägen und Kratzen vorsätzlich am Körper verletzt, wobei
a) Johann B***** eine Prellung am linken Augenbrauenbereich und
b) Richard Ma***** mehrere Hautabschürfungen am rechten Hautrücken und Ellbogen erlitten.
Das Schöffengericht faßte zugleich mit dem Urteil den Beschluß (S 169/II iVm US 4 f), gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf bedingter Strafnachsichten bei Driton As*****, Bajram As***** und Markus G***** - bei Driton As***** überdies vom Widerruf einer bedingten Entlassung, diesfalls mit Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre - abzusehen.
Rechtliche Beurteilung
Während Driton As***** und die Staatsanwaltschaft ihre angemeldeten - unausgeführt gebliebenen - Nichtigkeitsbeschwerden (vgl ON 103 und 104) in der Folge ausdrücklich zurückzogen (vgl den Schriftsatz des Verteidigers vom 30.Mai 1995, beim Obersten Gerichtshof am 1.Juni 1995 eingelangt, und die Note der Staatsanwaltschaft vom 6.Juni 1995, am 7.Juni 1995 beim Landesgericht Linz eingelangt), bekämpft der Angeklagte Bajram As***** nur den Schuldspruch wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung (I. des Urteilssatzes) mit einer auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Den Strafausspruch fechten lediglich die Angeklagten Driton und Bajram As***** sowie die Staatsanwaltschaft betreffend alle vier Angeklagten mit Berufung an.
Die Staatsanwaltschaft beschwert sich überdies gegen den gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO gefaßten Beschluß.
Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer die in der Beschwerdeschrift angeführten Urteilsfeststellungen als fehlerhaft begründet (Z 5):
- die Urteilsannahme (US 5 f: "Diese Verletzung [Fraktur des Kahnbeines] entstand, als sich Bernhard M***** [am Boden liegend] schützend die Hände vor das Gesicht hielt") sei unzureichend begründet, weil sie das Erstgericht auf "willkürliche Annahmen" stütze, sich über die Ausführungen des Sachverständigen hinwegsetze, mit "unstatthaften Vermutungen zu Lasten des Angeklagten operiere" und sich mit einer bloßen "Scheinbegründung" begnüge (I.a der Beschwerdeschrift);
- die erstgerichtliche Konstatierung zum Vorsatz, M***** schwer verletzen zu wollen (US 16 zweiter und dritter Absatz iVm US 17 letzter Absatz), sei aktenwidrig, weil das Schöffengericht diesen ausschließlich"aus der Tat an sich" erschließe und auf eine Aussage gründe, die der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht gemacht habe, und daher dessen Aussage unrichtig wiedergebe (I.b der Beschwerdeschrift);
- auch die Tatsachenfeststellung (US 5 vorletzter Absatz), derzufolge Markus G*****, Driton und Bajram As***** dem Zeugen M***** zahlreiche kräftige und gezielte Fußtritte gegen Gesicht und Kopf versetzt hatten, von denen einige auch den Oberkörper des Opfers getroffen hatten, sei unzureichend begründet, weil sich schon aus der vom Zeugen M***** in der Hauptverhandlung (vgl 125 mitte und 131 vierter Absatz/II) genannten Anzahl von "zusammen sicher mehr als zehn Fußtritten", durch A***** (mehr als fünf), Driton As***** und G***** (nach dessen Geständnis dreimal) schon rechnerisch ergebe, daß Bajram As***** keinesfalls zugetreten habe (I.c der Beschwerdeschrift);
- schließlich werde mit der Feststellung, "daß es im Lokal nicht besonders gut beleuchtet gewesen ist" (US 12 zweiter Absatz), die entscheidende Tatsache über die Lichtverhältnisse am Ort der Auseinandersetzung unrichtig wiedergegeben bzw durch Vermutungen ergänzt, zumal sie mit der Aussage des Zeugen At***** (139/II) in Widerspruch stünde (I.d der Beschwerdeschrift).
Diesem Vorbringen ist zunächst allgemein zu erwidern:
Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung liegt nur dann vor, wenn für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen überhaupt keine Gründe oder bloße Scheingründe angegeben sind oder wenn sich aus den angeführten Gründen nach den Denkgesetzen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schluß auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen läßt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist. Der formelle Nichtigkeitsgrund haftet einem Urteil jedoch dann nicht an, wenn die dafür angeführten Gründe dem Beschwerdeführer bloß nicht genug überzeugend scheinen oder wenn neben dem folgerichtig gezogenen Schluß auch noch andere, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen denkbar sind; denn dann liegt eben eine freie richterliche Beweiswürdigung vor, die im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpft werden kann (Foregger/Kodek StPO6 S 397 f).
Aktenwidrig hinwieder ist ein Urteil nur dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage, einer Urkunde oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (EvBl 1972/17).
Unter dem Blickwinkel dieser rechtlichen Darlegungen ist dem Erstgericht in dem hier zu beurteilenden Fall - der Beschwerde zuwider - kein formeller Begründungsfehler in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes unterlaufen. Es hat nämlich in einer Gesamtschau aller vorhandenen Verfahrensergebnisse (einschließlich der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Teilaspekte) sowie unter Berücksichtigung des persönlich gewonnenen Eindrucks in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) mit zureichender (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), aktengetreuer und denkmöglicher Begründung die (jedwede aktive Teilnahme in Abrede stellende) Verantwortung des Angeklagten Bajram As***** insgesamt als unglaubwürdig beurteilt und alle wesentlichen Feststellungen der zur Verwirklichung der objektiven und subjektiven Tatseite des in Rede stehenden Vergehens erforderlichen Tatsachen einwandfrei begründet:
Daß die schwere Verletzung (Fraktur des Kahnbeines) M*****s nach Meinung der Tatrichter nicht durch einen (vom Angeklagten A***** geführten Karatetritt ins Gesichts ausgelösten) Sturz entstanden ist, wie es der Angeklagte Bajram As***** Glauben machen will, sondern durch zahlreiche kräftige Fußtritte aller Angeklagten gegen das "zu Boden gegangene" - demnach nicht ungebremst gestürzte - Opfer, das sich dabei die Hände schützend vor das Gesicht hielt, wodurch dieser Körperteil gleichsam ein "Widerlager" bildete, findet in der vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr.H***** dargelegten (gleichermaßen wahrscheinlichen) Entstehungsvariante (141, 147 ff/II) eine zureichende Deckung (US 14 f). Von einer willkürlichen Annahme oder einer bloßen Scheinbegründung kann daher keine Rede sein.
Entgegen der Beschwerdebehauptung stützt das Schöffengericht den (zumindest bedingten) Verletzungsvorsatz sowohl in bezug auf das Grunddelikt des § 83 Abs 1 StGB als auch bezüglich des schweren Verletzungserfolges nach § 84 Abs 1 StGB (für dessen Zurechnung nach § 7 Abs 2 StGB bereits Fahrlässigkeit genügt) keineswegs auf eine Aussage des Beschwerdeführers, sondern zutreffend auf die spezifische Gewalteinwirkung der vier Angeklagten auf den besonders verletzungsanfälligen Kopfbereich (US 16 ff). Bei derart gefährlichen und in der Regel folgenschweren Tätlichkeiten ist nicht entscheidend, daß der Beschwerdeführer ein "entsprechendes Wissen" um den Eintritt schwerer oder tödlicher Verletzungsfolgen (im Gegensatz zum Angeklagten G***** - 123/II) nicht ausdrücklich eingestanden hat.
Angesichts dessen, daß sich Bernhard M***** außerstande sah, eine exakte Anzahl von Tritten anzugeben und diese den einzelnen Tätern zuzuordnen (89 f/I, 125 ff/II), ist auch aus den in der Beschwerdeschrift angestellten - ohnedies kein mathematisch exaktes Ergebnis bringenden - rechnerischen Überlegungen und Mutmaßungen, welche im übrigen die (auch Bajram As***** eindeutig belastende) Aussage des Zeugen Peter At***** (79 f/I; 135 ff/II) völlig außer acht lassen, für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen.
Was schließlich die "Lichtverhältnisse" im tatgegenständlichen Lokal anlangt, rückt der Zeuge At***** selbst dessen von der Beschwerde aufgegriffene partielle Aussagenpassage ins rechte Licht, indem er seine aus ca zwei Meter Entfernung gemachten Wahrnehmungen (vgl 139/II) detailliert und ausführlich schildert, was bei "Finsterheit" unmöglich gewesen wäre. Kommt noch hinzu, daß sich weder die Angeklagten noch einer von den sonstigen Zeugen auf eine durch mangelnde Beleuchtung bedingte markante Einschränkung ihrer Wahrnehmungsfähigkeit berufen hat.
Zusammenfassend vermögen daher die bloß auf einzelnen, aus dem Zusammenhang gerissenen, teils unerheblichen und isoliert betrachteten Verfahrensergebnissen beruhenden Beschwerdeargumente in keinem Punkt einen formellen Begründungsmangel aufzuzeigen, sondern bekämpfen ausschließlich nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Lösung der Schuldfrage.
Soweit mit dem Beschwerdevorbringen in den Punkten I.c und d überdies (undifferenziert) "sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit dieser dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen" (Z 5 a) geltend gemacht werden, vermag der Oberste Gerichtshof nach Prüfung der gesamten Aktenlage diese Bedenken nicht zu teilen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen - auch soweit sie bei Driton As***** als Beschwerde gemäß § 498 Abs 3 StPO zu betrachten ist - sowie über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft das Oberlandesgericht Linz zuständig ist (§ 285 i StPO).
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