OGH 14Ns12/95

OGH14Ns12/9518.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Juli 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Günther Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Pesendorfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sieghart S***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 36 Vr 1448/94 des Landesgerichtes Innsbruck, über die Befangenheitsanzeigen des Präsidenten und sämtlicher Richter des Oberlandesgerichtes Innsbruck mit Ausnahme der Richter Dr.Karl-Heinz D*****, Dr.Alois P***** und Dr.Rainer B*****, AZ Jv 2130-1/95, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Befangenheitsanzeigen sind gerechtfertigt.

Die Strafsache wird zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht Linz übertragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

In der obbezeichneten Strafsache hat das Oberlandesgericht Innsbruck über eine Berufung der Staatsanwaltschaft gegen ein freisprechendes Erkenntnis des Landesgerichtes Innsbruck zu entscheiden.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes zeigte gemäß § 72 Abs 2 StPO seine eigene Befangenheit sowie die der übrigen Mitglieder des Gerichtshofes mit Ausnahme der Richter Dr.Karl-Heinz D*****, Dr.Alois P***** und Dr.Rainer B***** an. Als Befangenheitsgrund wurde geltend gemacht, daß der im Verfahren als Zeuge vernommene Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Karl-Heinz D***** der Bruder des dem Strafverfahren als Privatbeteiligter beigetretenen und durch die angeklagten Straftaten verletzten Dr.Helmuth D***** sei. Die über die beruflichen Kontakte hinausgehenden kollegialen Beziehungen der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder des Gerichtshofes zu Dr.Karl-Heinz D***** seien geeignet, deren völlige Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

Die Befangenheitsanzeigen, über die gemäß § 74 Abs 2 StPO der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hat, sind berechtigt, weil schon der entsprechend objektivierte äußere Anschein der Befangenheit genügt (§ 72 StPO, Art 6 EMRK) und hier in dem aufgezeigten Naheverhältnis zu einem Zeugen, dessen Glaubwürdigkeit im Rechtsmittelverfahren mitzubeurteilen sein wird, zureichende Anhaltspunkte vorliegen, um bei einem unbeteiligten Beurteiler die volle Unbefangenheit der Richter zweifelhaft erscheinen zu lassen.

Da Dr.Karl-Heinz D***** als Mitglied eines in der Sache erkennenden Berufungssenates auf Grund seiner Verwandtschaft mit dem Verletzten nicht in Betracht kommt (§ 67 StPO), und die Richterin des Landesgerichtes Dr.S***** nicht Mitglied des Oberlandesgerichtes ist, vermag das Oberlandesgericht Innsbruck vorliegend keinen Berufungssenat mehr zu bilden.

Es war daher gemäß § 74 Abs 3 StPO die Sache zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht Linz zu übertragen.

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