OGH 6Ob595/95

OGH6Ob595/9513.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Bernhard H*****, vertreten durch Dr.Richard Köhler und Dr.Anton Draskovits, Rechtsanwälte in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei M***** Ltd., ***** Zypern, vertreten durch Dr.Dieter Böhmdorfer und Mag.Martin Machold, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Anspruches auf Unterlassung des Abrufes einer Bankgarantie (Streitwert im Provisorialverfahren: 100.000 S), infolge Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 17.Februar 1995, AZ 6 R 48/95 (ON 29), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 23.Juni 1994, GZ 3 C 1515/94m-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er wie folgt zu lauten hat:

"Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, daß der Gegnerin der gefährdeten Partei jede Verfügung über 2,000.000 S aus der Bankgarantie der R***** reg.Gen.m.b.H., ***** vom 27.9.1993 als bei dieser oder bei Dr.Hans R*****, erliegendem Treuhanderlag bzw Betrag für die Konventionalstrafe laut Nebenvereinbarung vom 1.9.1993 untersagt und an die Drittschuldner R***** reg.Gen.m.b.H. und Rechtsanwalt Dr.Hans R***** der Befehl gerichtet werde, bis auf weitere gerichtliche Anordnung die 2,000.000 S aus der Bankgarantie bzw aus dem überwiesenen Betrag für die Konventionalstrafe weder an die Gegnerin der gefährdeten Partei auszufolgen noch sonst in Ansehung dieses Betrages etwas zu unternehmen, was die Durchsetzung des darauf gerichteten Unterlassungsanspruches vereiteln oder erheblich erschweren könnte, wird abgewiesen."

Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 11.157,12 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 1.859,52 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Antragsteller (die gefährdete Partei) war Gesellschafter - und bis 24.2.1993 auch allein vertretungsbefugter Geschäftsführer - der A***** Gesellschaft mbH (im folgenden kurz "A*****-GmbH") mit dem Sitz in Wien. Mit Notariatsakt vom 1.9.1993 des W***** Notars Dr.Gerhard S***** trat er seinen Geschäftsanteil an der A*****-GmbH, welcher einer zur Gänze eingezahlten Stammeinlage von 50.000 S entsprach, um den Abtretungspreis von 5,253.000 S an die Antragsgegnerin (die Gegnerin der gefährdeten Partei) ab. Der Teilabtretungspreis von 3,253.000 S sollte sofort zur Zahlung fällig sein, der restliche, treuhändig bei Rechtsanwalt Dr.Hans R***** erliegende Abtretungspreis von 2,000.000 S sollte bis längstens 31.12.1994 zur Zahlung fällig sein, wobei dieser Betrag Zug um Zug gegen Übergabe einer abstrakten Bankgarantie eines österreichischen Kreditinstitutes über 2,000.000 S zu berichtigen war.

Mit Nebenvereinbarung vom gleichen Tag, abgeschlossen zwischen dem Antragsteller einerseits und der A*****-GmbH sowie der Antragsgegnerin andererseits, verpflichtete sich der Antragsteller zur Bezahlung einer dem richterlichen Mäßigungsrecht nicht unterliegenden Konventionalstrafe von 2,000.000 S (ua) für den Fall (Punkt 1 lit b), daß der Antragsteller "im Sinne des § 152 StGB bzw § 1330 ABGB schriftlich oder mündlich geschäfts- oder kreditschädigendes Verhalten gegen die A*****-GmbH und/oder deren frühere, derzeitige oder künftige Gesellschafter setzt, deren Firmengeheimnisse an Außenstehende preisgibt oder unrichtige Tatsachen in diesem Zusammenhang verbreitet." Bei jedem bis zum 31.12.1994 vom Antragsteller dagegen gesetzten Verstoß sollte seine Verpflichtung zur Zahlung der Konventionalstrafe in Höhe von 2,000.000 S wirksam werden und die "Berechtigten" (d.s. alle vormaligen Gesellschafter, ausgenommen der Antragsteller und V*****, jedoch einschließlich stiller Gesellschafter, die gegenwärtigen und künftigen Gesellschafter der A*****-GmbH, diese selbst und die Antragsgegnerin) sollten in einem solchen Fall jederzeit den Abruf der vom Antragsteller (gemäß Notariatsakt) beizubringenden Bankgarantie durch den Treuhänder verlangen können.

Mit eingeschriebenem Brief vom 9.6.1994 teilte Dr.Hans R***** den anwaltlichen Vertretern des Antragstellers mit, daß er von der Antragsgegnerin zur Ziehung der in seiner Verwahrung befindlichen Bankgarantie der R***** reg.Gen.m.b.H. vom 27.9.1993 über 2,000.000 S und zur Einziehung für deren Rechnung beauftragt wurde, weil der Antragsteller gemäß beigeschlossenem Aktenvermerk vom 17.5.1994 gegen die von ihm gemäß Punkt 1 lit b der Nebenvereinbarung vom 1.9.1993 übernommene Verpflichtung verstoßen habe. Danach habe der Antragsteller in der Streitverhandlung vom 17.5.1994 des zu AZ ***** des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien von Thomas A***** gegen die A*****-GmbH geführten Rechtsstreites als Zeuge auf die Frage des Klagevertreters, ob er nur 50.000 S als Nominale seiner Einlage oder mehr erhalten habe, geantwortet: "mehr" (ohne allerdings eine Ziffer zu nennen). Sodann habe der dortige Kläger Thomas A***** im Rahmen seiner Parteienvernehmung auf die Frage des Beklagtenvertreters Dr.Hans R***** ausgesagt, daß der Antragsteller für seinen Gesellschaftsanteil 5,247.000 S oder 5,250.000 S erhalten habe, das wisse er vom Antragsteller und weil er die Verträge gesehen habe. Die Aussagen seien jedoch nicht in das Protokoll aufgenommen worden. Tatsächlich scheinen sie auch in der schriftlichen Übertragung des Tonbandprotokolles der Verhandlung nicht auf.

Der Antragsteller begehrt zur Sicherung seines Anspruches gegenüber der Antragsgegnerin auf Unterlassung der Inanspruchnahme der Bankgarantie mit dem vor Einleitung eines Rechtsstreites gestellten Sicherungsantrag (§ 387 Abs 2 EO) die Erlassung der aus dem Spruch ersichtlichen einstweiligen Verfügung. Da er im Rahmen seiner wahrheitsgemäßen Zeugenaussage nur mitgeteilt habe, daß er einen höheren Abtretungspreis als den Nominalbetrag erhalten, im übrigen aber keinerlei Mitteilungen an Thomas A***** gemacht habe, seien von ihm keine unrichtigen und geschäftsschädigenden Tatsachen verbreitet worden, weshalb eine "klar mißbräuchliche Inanspruchnahme der Bankgarantie" durch die Antragsgegnerin vorliege. Der drohende Abruf der Bankgarantie gefährde aber die Verwirklichung und Verfolgung seines Anspruches auf Zahlung des restlichen Abtretungspreises in Höhe von 2,000.000 S.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin und ohne Setzung einer Rechtfertigungsfrist gemäß § 391 Abs 2 EO. Es nahm über den eingangs geschilderten Sachverhalt hinaus noch als bescheinigt an, daß der Antragsteller weder schriftlich noch mündlich ein geschäfts- oder kreditschädigendes Verhalten gegen die A*****-GmbH gesetzt habe. In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, daß das im Schreiben des Dr.Hans R***** als Abrufgrund angeführte Verhalten des Beklagten (die Verbreitung von Angaben über die tatsächliche Höhe des vereinbarten Abtretungspreises) weder den Tatbestand einer Kreditschädigung nach § 152 StGB noch denjenigen einer Verbreitung kreditschädigender unwahrer Tatsachen nach § 1330 Abs 2 ABGB herstelle. Die Antragsgegnerin sei daher zur angedrohten Inanspruchnahme der Bankgarantie nicht berechtigt. Mit dem Abruf der Bankgarantie werde aber im Hinblick auf den Sitz der Antragsgegnerin in N***** die Verfolgung des Anspruches des Antragstellers auf Zahlung des restlichen Abtretungspreises erheblich erschwert, zumal die Antragsgegnerin in Österreich keinerlei Vermögensbestandteile aufweise.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es verneinte das Vorliegen der von der Antragsgegnerin (auch) im Hinblick auf das Fehlen einer Rechtfertigungsfrist (§ 391 Abs 2 EO) geltend gemachten Nichtigkeit mit dem Hinweis auf die vom Antragsteller in der Zwischenzeit zu AZ ***** des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien gegen die Antragsgegnerin und Dr.Hans R***** eingebrachte Rechtfertigungsklage. Dem Antragsteller stehe sehrwohl gegen die Antragsgegnerin als einer der Begünstigten aus der Bankgarantie ein Anspruch auf Unterlassung der unberechtigten Garantieinanspruchnahme zu. Die Verfolgung oder Verwirklichung dieses Anspruches sei aber schon nach § 381 Z 1 EO objektiv gefährdet.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist entgegen der Meinung des Antragstellers schon deshalb zulässig, weil das Rekursgericht bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Auf die abermals geltend gemachte Nichtigkeit wegen Fehlens einer Rechtfertigungsfrist gemäß § 391 Abs 2 EO ist nicht näher einzugehen:

Es gilt nämlich auch im Revisionsrekursverfahren - wie im Revisionsverfahren - der Grundsatz, daß eine vom Rekursgericht bereits verneinte Nichtigkeit nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 528 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die Antragsgegnerin verweist aber zutreffend darauf, daß nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung dem Auftraggeber zufolge der Abstraktheit einer Bankgarantie ein Anspruch sowohl gegen den Begünstigten auf Unterlassung oder Widerruf der Inanspruchnahme der Garantie als auch gegen den Garanten (die Bank) auf Unterlassung der Honorierung nur dann zusteht, wenn das Nichtbestehen des Anspruches des Begünstigten im Valutaverhältnis als evident erwiesen wird oder der Begünstigte in Schädigungsabsicht, also betrügerisch handelt (Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 3/51 ff, 3/143 und 148; SZ 54/189; JBl 1985, 425; SZ 61/39 = BankArch 1988, 609 [P. Doralt]; BankArch 1992, 1035 uva; zuletzt etwa ecolex 1994, 225 und bezüglich eines Akkreditivs RdW 1995, 57 = WBl 1994, 412 = ZfRV 1994, 248 = ecolex 1994, 673). Das vitale Interesse an der Funktionsfähigkeit einer Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr und die Sicherheit des geschäftlichen Verkehrs verlangen nämlich, daß nur im äußerst seltenen Ausnahmefall bei rechtsmißbräuchlicher oder arglistiger Inanspruchnahme der Bankgarantie und eindeutig und evident (liquid) von der gefährdeten Partei erbrachtem Nachweis dieses Mißbrauches die Inanspruchnahme der Bankgarantie und deren Auszahlung untersagt werden kann. Dies gilt nicht nur gegenüber dem Begünstigten, sondern es sind auch in Ansehung der garantierenden Bank zumindest gleich strenge Anforderungen zu stellen (ecolex 1994, 225; RdW 1995, 57). Die Bejahung oder Verneinung der Eindeutigkeit und Evidenz des vom Antragsteller zu erbringenden Nachweises über den Rechtsmißbrauch ist jedenfalls ein Akt der richterlichen Beweiswürdigung (SZ 61/39; BankArch 1992, 167 ua), wenngleich die Eindeutigkeit des Garantiemißbrauches auch nicht gänzlich ohne rechtliche Erwägungen beurteilt werden kann (Konecny, Aktuelle Verfahrensfragen bei einstweiligen Verfügungen, BankArch 1989, 848 ff [854 f]).

Im vorliegenden Fall fehlt es aber bereits in tatsächlicher Hinsicht an einer Bescheinigungsannahme, aus welcher sich die Eindeutigkeit des behaupteten Garantiemißbrauches ableiten ließe. Die Vorinstanzen haben nämlich übersehen, daß als Abrufgrund nicht ein im Sinne des § 152 StGB bzw § 1330 ABGB "geschäfts- oder kreditschädigendes Verhalten" geltend gemacht wurde, sondern die Preisgabe eines "Firmengeheimnisses" der Antragsgegnerin durch den Antragsteller an Außenstehende. Ein derartiges Verhalten berechtigt aber die Antragsgegnerin gemäß Punkt 1 lit b und Schlußsatz iVm Punkt 3 der Nebenvereinbarung vom 1.9.1993 zum Abruf der Bankgarantie. Unter "Firmengeheimnis" ist offensichtlich ein "Geschäftsgeheimnis" im Sinne der §§ 321 Abs 1 Z 5 ZPO und § 11 UWG zu verstehen, wobei es hier nicht um ein Geschäftsgeheimnis der A*****-GmbH, sondern um ein solches der ausdrücklich in den Kreis der "Berechtigten" aufgenommenen Antragsgegnerin geht. Hiezu steht aber aufgrund der Bescheinigungsannahmen des Erstgerichtes keineswegs fest, daß der vom Treuhänder der Antragsgegnerin ins Treffen geführte Grund für den Abruf der Bankgarantie nicht zutrifft, weil die bezogene Angabe des Thomas A***** etwa evident unrichtig ist; hiezu fehlt vielmehr eine konkrete Bescheinigungsannahme, welche das Erstgericht offensichtlich auch gar nicht treffen wollte oder konnte, war es doch der Meinung, daß es noch nicht "kreditschädigend" sei, wenn der Antragsteller dem Thomas A***** den wahren Abtretungspreis für den Geschäftsanteil genannt und ihm den Abtretungsvertrag gezeigt haben sollte.

Da die Eintragung des Gesellschafters einer GmbH gemäß § 5 Z 6 FBG im Wege der vereinfachten Anmeldung geschieht (§ 11 FBG), für die eine Urkundenvorlage nicht erforderlich ist (siehe auch §§ 26 Abs 1, 78 Abs 1 und 2 GmbHG), sodaß der Notariatsakt vom 1.9.1993, welcher hier den Abtretungspreis enthält, auch nicht in die Urkundensammlung (§ 12 FBG) aufzunehmen war, in welche gemäß § 33 Abs 2 FBG in der Geschäftsstelle des Gerichtes Einsicht zu gewähren ist, soweit ihr Inhalt nicht ohnehin nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten als Teil der Datenbank des Firmenbuches gespeichert ist (§ 29 Abs 2 FBG), gehört der Abtretungspreis, den der neue Gesellschafter für die Übertragung des Geschäftsanteils zu leisten hat, jedenfalls zu dessen Geschäftsgeheimnissen.

Diese Erwägungen führen bereits zur Abweisung des Sicherungsantrages, weil vom Antragsteller nicht bescheinigt worden ist, daß in der Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die Antragsgegnerin ein evidenter Rechtsmißbrauch liegt.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 402 Abs 4, 78 EO und § 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte