OGH 13Os75/95

OGH13Os75/9512.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juli 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wlattnig als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sejdi A***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, 2 und 3 Z 3 SGG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.Dezember 1994, GZ 4 a Vr 8340/94-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen (II. und III.) wegen der Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG und der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG, sowie demgemäß auch im Strafausspruch nach dem FinStrG aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den aufrechtgebliebenen Strafausspruch werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sejdi A***** (alias Fuad D*****) wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, 2 und 3 Z 3 SGG (I./A) und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (I./B) sowie der Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels (als Beitragstäter) nach §§ 11, 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (II.) und der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (III.) schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, zwischen Dezember 1993 und Juni 1994 den bestehenden Vorschriften zuwider insgesamt zumindest 964 Gramm Heroin gewerbsmäßig nach Österreich eingeführt bzw in Verkehr gesetzt (I./A) und in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum Heroin auch wiederholt erworben und besessen zu haben (I./B). Ferner liegt ihm zur Last, zwischen Ende März und Ende Juni 1994 zum Schmuggel von zumindest 300 Gramm Heroin aus der Slowakei nach Österreich dadurch beigetragen zu haben, daß er das Suchtgift einführen ließ (II.), und zumindest weitere 164 Gramm eingeschmuggeltes Heroin vorsätzlich an sich gebracht und verhandelt zu haben (III.).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist, soweit sie sich im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) gegen die Schuldsprüche nach dem Finanzstrafgesetz richtet, im Recht.

In diesen Fällen (II. und III.) werden im Urteilsspruch strafbestimmende Wertbeträge in konkreter Höhe genannt, zu deren Begründung sich das Schöffengericht jedoch nur auf (angeblich) "gerichtsbekannte Richtwerte" für die Abgabenberechnung von Suchtgiften des Zollamtes Wien (abzüglich EUSt und AF) beruft (US 9).

Gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO haben die Entscheidungsgründe eines Urteiles, wenn auch in gedrängter Darstellung, so doch mit voller Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen und aus welchen Gründen der Gerichtshof sie als erwiesen angenommen hat. Zwar bedürfen notorische Tatsachen (das sind offenkundige Tatsachen, bei denen die Überzeugung von ihrer Wahrheit allgemein oder doch einem weiten Kreis in gleicher Lebenslage befindlicher Personen gemeinsam oder doch auf jedermann zugänglichen Wegen erreichbar ist; vgl Mayerhofer/Rieder, StPO3, § 258 E 154, 155) keines Beweises. Aber auch innerhalb der Gerichtsnotorietät, die eine Einschränkung der mit den relevanten Umständen vertrauten Personen auf einen qualifizierten Berufskreis mit sich bringt, muß sich die allgemeine Bekanntheit von Tatsachen auf den Bereich der Gerichtsbarkeit beziehen. Übliche Vorgangsweisen eines Zollamtes bei der Ermittlung von Werten mögen innerhalb einer solchen Behörde allgemeine Bekanntheit bedeuten, Gerichtsnotorietät kann dies jedoch noch nicht begründen. Ganz abgesehen davon, daß den teilweise bis auf Schilling angegebenen Werten, gar wohl ganz konkrete Ermittlungen und Berechnungen (des Zollamtes) zugrundeliegen, die vorliegend aber in das Beweisverfahren nicht eingeflossen sind.

In Wahrheit stützen sich die Feststellungen des Erstgerichtes zu den (von ihm selbst als relevant erkannten) strafbestimmenden Wertbeträgen lediglich auf das Vorbringen der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vom 7.Dezember 1994 im Rahmen der Anklageausdehnung (S 539, 540/I). Das Erstgericht hat es unterlassen, jene (Richt-)Werte anzugeben, von denen es dabei ausgegangen ist. Diese sind, wie die Beschwerde zu Recht bemängelt, somit (mit Ausnahme des staatsanwaltschaftlichen Vorbringens) aus den Akten gar nicht zu ersehen. Da der Begründungsmangel einen Strafsatz bedingenden Umstand, somit eine entscheidungswesentliche Tatsache betrifft, erweist sich das Urteil betreffend die Vergehen nach dem FinStrG (II. und III.) als nichtig, es war daher insoweit (zufolge der Vorschrift der §§ 22, 218 FinStrG auch der nur die Finanzvergehen treffende Strafausspruch) zu kassieren, wobei schon die nichtöffentliche Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde ergab, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist (§ 285 e StPO).

Im erneuerten Verfahren werden die Bestimmungen der §§ 200 ff FinStrG genauer zu beachten sein.

Im übrigen geht die Nichtigkeitsbeschwerde ins Leere.

Eine vom Gesetz mit ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion bedrohte Vorschrift wurde entgegen der Beschwerde (Z 3) allein durch die (unwidersprochene) Verlesung eines Urteils gegen einen Dritten, der sich in der Hauptverhandlung seiner Aussage als Zeuge entschlagen hatte (S 537/II), nicht verletzt. Gemäß § 252 Abs 2 StPO müssen neben Augenscheins- und Befundaufnahmen und gegen den Angeklagten früher ergangenen Straferkenntnissen Urkunden und Schriftstücke anderer Art, die für die Sache von Bedeutung sind (also solche Schriftstücke, die eine Erkenntnisquelle für die Urteilsfällung bilden), vorgelesen werden, wenn nicht beide Teile darauf verzichten. Ein Urteil, welches in einem anderen Verfahren gefällt wurde und im vorliegenden von Relevanz ist, ist diesen Schriftstücken (11 Os 138/81; siehe auch EvBl 1976/175 und RZ 1967/182) zuzurechnen und daher grundsätzlich gemäß der zitierten Gesetzesstelle zu verlesen und solange nicht behauptet wird, im (verlesenen) Urteil (= amtliches Schriftstück) sei eine (frühere) Aussage, des sich dieser nunmehr entschlagenden Zeugen enthalten, stellt sich auch die Frage einer unzulässigen Umgehung des Verlesungsverbotes (§ 252 Abs 4 StPO) nicht. Daß entgegen der Bestimmung des § 252 Abs 1 Z 2 a StPO ein Teil des mit dem von seinem Entschlagungsrecht (gemäß § 152 StPO) Gebrauch machenden Zeugen, vor dem Sicherheitsbüro der Bundespolizeidirektion Wien aufgenommenen Protokolles verlesen und der Zeuge (trotz seiner Entschlagung) sogar vom Vorsitzenden weiter befragt wurde (S 495/I, siehe S 538/I), wird von der Beschwerde nicht geltend gemacht. Auf diese Verlesung hat sich allerdings das Urteilsgericht bei seiner Entscheidung auch nicht gestützt (nochmals US 8).

Die Mängelrüge (Z 5) zielt im übrigen auf eine Herabsetzung der dem Angeklagten angelasteten Heroinmenge. Inwiefern damit aber im Rahmen des ihm insgesamt vorgeworfenen Einführens und Inverkehrsetzens dieses Suchtgiftes die 25-fache Menge der im § 12 Abs 1 SGG angeführten Quantität (Abs 3 Z 3 leg. cit) unterschritten werden soll, läßt die Beschwerde nicht erkennen, geht sie doch selbst davon aus, daß der Angeklagte 215 Gramm Heroin (guter Qualität, siehe US 9) in Verkehr setzte und 300 Gramm nach Wien bringen ließ. Das Ausmaß der die angeführte Qualifikationsgrenze überschreitenden Suchtgiftmenge ist aber weder für die Unterstellung der Tat unter das Gesetz noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Bedeutung. Die Mängelrüge mußte daher insoweit versagen.

Der mit derselben Begründung erhobenen Tatsachenrüge (Z 5 a) genügt es zu erwidern, daß sie keine aus den Akten hervorgehenden Umstände geltend macht, die geeignet wären, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht dem Ausspruch über die Schuld nach §§ 12 und 16 SGG zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Letztlich bestreitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bezüglich des Schuldspruches nach dem Suchtgiftgesetz weder eine auf Grundlage festgestellter Tatsachen vom Erstgericht irrig vorgenommene rechtliche Beurteilung, noch macht sie den Mangel entscheidungsrelevanter Feststellungen geltend und erweist sich damit als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Soweit daher nicht mit der teilweisen Aufhebung des Schuldspruches und des auf diesen Teil des Urteils fußenden Strafausspruches (siehe oben) vorzugehen war, war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, im übrigen aber als nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt, bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285 d Abs 1 Z 1 und 1 iVm 285 a Z 2 StPO).

Zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch nach dem Suchtgiftgesetz erhobene Berufung ist das Oberlandesgericht Wien zuständig (§ 285 i StPO).

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