OGH 10ObS129/95

OGH10ObS129/955.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber Dr.Helmut Szongott und Dr.Josef Fellner in der Sozialrechtsrechtssache der klagenden Partei Johann E*****, Pensionist,***** vertreten durch Dr.Werner Bachlechner und Dr.Klaus Herunter, Rechtsanwälte in Köflach, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.März 1995, GZ 8 Rs 125/94-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 13.April 1994, GZ 31 Cgs 36/94i-8, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat dem Kläger binnen vierzehn Tagen die einschließlich 676,48 S Umsatzsteuer mit 4.058,88 S bestimmten Revisionskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das Berufungsgericht ist richtig (§ 48 ASGG). Sie folgt der neueren Rsp des erkennenden Senates zu den Auswirkungen eines Verzichtes des Versicherten oder Pensionisten auf Ansprüche mit Einkommenscharakter auf den Anspruch auf Ausgleichszulage (SSV-NF 7/19 und 81; JBl 1994, 191 ua), gegen die in der Revision keine Einwände vorgetragen werden.

Nach dieser Rsp hat der Versicherungsträger, der sich auf einen rechtsmißbräuchlichen Verzicht beruft, die objektive Beweislast für die Umstände zu tragen, aus denen sich ein eindeutiges Überwiegen der unlauteren Motive des Verzichtenden ergibt. Die Tatsache des Verzichtes bildet für sich allein noch keinen Beweis des ersten Anscheines (Prima-facie-Beweis) für ein unlauteres Motiv oder für ein eindeutiges Überwiegen solcher Motive. Ergeben sich jedoch im Verfahren konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der Versicherte oder Pensionist offenbar verzichtet hat, um zB die Leistungslast vom persönlich haftenden Schuldner (einer Leibrente) auf die öffentliche Hand abzuwälzen, dann sind damit Hilfstatsachen bewiesen, aus denen unter Zuhilfenahme der Erfahrung auf die Haupttatsache geschlossen werden kann. Konkrete Anhaltspunkte können etwa der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Verzicht und der beabsichtigten Inanspruchnahme der Ausgleichszulage oder der Umstand sein, daß für den Verzicht anscheinend keine allgemein verständlichen lauteren Motive vorlagen.

Der Kläger nannte als Motiv der Übergabe seiner Liegenschaft samt einer verpachteten Gastwirtschaft an seinen Sohn für ihn nicht erfüllbare Verbindlichkeiten gegenüber seinen Kindern, seiner Bank und seiner Wohngemeinde von von fast 550.000 S sowie einen baupolizeilichen Auftrag zur Behebung von Baumängeln. (Vor allem diese Lasten wurden als Gegenleistung für die Übergabe übernommen.)

Die Beklagte bestritt dies nicht und wendete in erster Instanz im wesentlichen nur ein, daß die Übergabe der Liegenschaft bzw des Gasthauses eine Schuldenfreistellung bewirkt habe. Der Kläger werde nicht nur von privaten Verpflichtungen entlastet, sondern würde durch die Ausgleichszulage zu Lasten der öffentlichen Hand wirtschaftlich günstiger gestellt. Er habe auf realisierbare (Pacht)Einkünfte verzichtet, um (ua) eine von 1967 bis 1991 nicht geltend gemachte Vermächtnisschuld (seiner Kinder) zu tilgen und möchte zugleich die Ausgleichszulage erlangen. Damit würde diese ihres einzigen Sinnes und Zweckes, nämlich die Sicherstellung des sozialen Existenzminimums des Pensionsberechtigten, völlig entfremdet werden. Deshalb sei der Verzicht gegenüber dem Träger der Pensionsversicherung wirkungslos.

Die Übernahme der für den Kläger nicht tragbaren finanziellen Verpflichtungen durch den Sohn wurde vom Erstgericht ua auf Grund des Pensionsaktes der Beklagten und der damit übereinstimmenden Parteiaussage des Klägers als dessen Motiv für die Übergabe der Liegenschaft samt dem um monatlich 3.500 S verpachteten Gasthaus festgestellt.

Aus diesen Umständen ergeben sich keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger rechtsmißbräuchlich auf den Pachtschilling verzichtet hätte.

Zu den erstmals in der Berufung aufgestellten, in der Revision wiederholten Behauptungen der Beklagten sei angemerkt:

Nach dem Notariatsakt vom 18.11.1993 war der Kläger auf Grund der Urkunde vom 4.10.1967 sowie auf Grund der Kaufverträge vom 6.8.1992 und vom 15.4.1993 grundbücherlicher Alleineigentümer der seinem Sohn übergebenen, nur aus einem 273 m2 großen Grundstück (Baufläche mit Haus) bestehenden Liegenschaft, die er seinen beiden Kindern am 6.2.1968 auf den Todesfall geschenkt hatte. Zu Gunsten dieser Kinder war ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt. Für Forderungen der Kinder von je 35.200 S sA und für die Forderung einer Bank im Höchstbetrag von 210.000 S, die mit 285.636,72 S aushaftete, waren Pfandrechte einverleibt. Mit dem erwähnten Notariatsakt wurde der Schenkungsvertrag auf den Todesfall aufgehoben und die Liegenschaft dem Sohn übergeben. Dieser verpflichtete sich als Gegenleistung zur Übernahme der erwähnten Bankforderung, zur Zahlung von 100.000 S an seine Schwester zwecks gänzlicher Erb- und Pflichtteilsentfertigung sowie zur Übernahme einer Grundsteuerschuld von 7.205,55 S und räumte dem Übergeber ein Wohnrecht an mehreren Räumen im 1. Stock des übergebenen Hauses ein. Beide Kinder willigten in die Löschung ihrer Pfandrechte und des zu ihren Gunsten einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbotes ein. Erst infolge der im Notariatsakt vereinbarten Aufhebung des Schenkungsvertrages auf den Todesfall und des Veräußerungsverbotes wurde dem Kläger die Veräußerung der Liegenschaft möglich. Die dadurch erreichte Entlastung von den auf der Liegenschaft sichergestellten, aber auch von den anderen, ohne Veräußerung nicht rückzahlbaren Schulden rechtfertigt den mit der Übergabe verbundenen Verzicht auf den Pachtschilling für die darauf befindliche Gastwirtschaft. Von unlauteren Motiven kann daher keine Rede sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.

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