OGH 14Os76/95

OGH14Os76/954.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juli 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Pesendorfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hermann Z***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17.März 1995, GZ 7 Vr 3.505/94-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Kassowitz zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Ausspruch, der Angeklagte habe die ihm angelasteten Taten gewerbsmäßig begangen, ferner in der rechtlichen Subsumtion der Tat unter die Bestimmung des § 145 Abs 2 Z 1 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben.

Hermann Z***** wird für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches zur Last liegende Verbrechen der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15 , 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 2 StGB nach § 145 Abs 1 StGB zu 20 (zwanzig) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 43 a Abs 3 StGB wird ein Teil dieser Strafe im Ausmaß von 18 (achtzehn) Monaten für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hermann Z***** des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt, weil er zwischen dem 15. Mai 1987 und dem 20.Dezember 1994 in Vorau in zwölf Angriffen verschiedenen Personen, zum Teil durch längere Zeit, gewerbsmäßig durch gefährliche Drohung mit dem Tode, mit einer Gefährdung durch Sprengmittel und mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz Geldbeträge in Höhe von jeweils zwischen 300.000 S und 2 Millionen Schilling erpresserisch abzunötigen versucht hat.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 a (in eventu "Z 9") des § 281 Abs 1 StPO gestützten, der Sache nach eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5) geltend machenden Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich der Angeklagte allein gegen die - der Qualifikation nach § 145 Abs 2 Z 1 StGB zugrunde liegende - Annahme der gewerbsmäßigen Begehung der versuchten Erpressungen.

Gemäß § 70 StGB begeht eine strafbare Handlung gewerbsmäßig, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Die Urteilsannahme der für Gewerbsmäßigkeit sohin begriffsessentiellen Zielsetzung des Beschwerdeführers, "sich durch die wiederkehrende Begehung von Erpressungen eine fortlaufende zusätzliche Einnahmsquelle zu verschaffen" (US 10 unten, 11 oben) leitete das Erstgericht lediglich "aus der Vielzahl und Regelmäßigkeit der Angriffe sowie dem gezielten und planmäßigen Vorgehen" ab (US 13).

Diese Begründung vermag, wie der Beschwerdeführer zu Recht ins Treffen führt, die bekämpfte Annahme nicht zu tragen: Denn zum einen kommt dem Umstand des jeweils "gezielten und planmäßigen Vorgehens" für sich allein kein Aussagewert in bezug auf künftig ins Auge gefaßte weitere deliktische Angriffe zu, zum anderen läßt die Erwägung der "Vielzahl und Regelmäßigkeit der Angriffe" außer acht, daß keines der erpresserischen Unternehmen zum Erfolg geführt hat. Anders als im Fall der Fortsetzung erfolgreicher deliktischer Angriffe der in Rede stehenden Art, was in der Regel als beweiskräftiges Indiz einer auf wiederholte Einnahmen abzielenden Tendenz des Täters gewertet werden kann, läßt die Tatsache der Wiederholung stets erfolgloser Erpressungsversuche eine zuverlässige Schlußfolgerung auf die Absicht, sich auch im Fall der plangemäßen Tatvollendung durch weitere gleichartige Angriffe eine fortlaufende Einnahmsquelle zu verschaffen, nicht zu. Aus den vom Erstgericht angegebenen Gründen ist daher ein denkfolgerichtiger Schluß auf die Urteilsannahme des gewerbsmäßigen Tatverhaltens nicht möglich, weshalb der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und das Urteil insoweit aufzuheben war.

In einem solchen Fall ist in der Regel (§ 288 Abs 2 Z 1 StPO) vom Obersten Gerichtshof eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache nach seinem Ermessen entweder an denselben oder an einen anderen Gerichtshof erster Instanz zu verweisen. Diese Vorschrift zwingt jedoch keineswegs unter allen Umständen zu einer solchen Vorgangsweise. Dann nämlich, wenn es offenkundig ist, daß der unterlaufene Begründungsmangel auch in einem zweiten Rechtsgang nicht saniert werden könnte, demnach von vornherein unzweifelhaft feststeht, daß die Anordnung einer Verfahrenserneuerung in erster Instanz ihren Zweck verfehlen müßte, ist der Oberste Gerichtshof aus Gründen der Verfahrensökonomie nach seinem Ermessen auch berechtigt, durch Beseitigung des mangelhaften Ausspruchs sogleich in der Sache selbst zu erkennen.

Die Zulässigkeit einer solchen (extensiven) Auslegung der Bestimmung des § 288 Abs 2 Z 1 StPO findet eine Stütze nicht nur in der ständigen Rechtsprechung zu § 288 Abs 2 Z 3 StPO, wonach bei materiellrechtlichen Feststellungsmängeln eine Verfahrenserneuerung von der Möglichkeit einer mängelfreien Nachholung der fehlenden Konstatierungen abhängig gemacht wird (siehe Mayerhofer-Rieder StPO3 E 27, 28 und 28 a zu § 288 uva); sie ist auch eine unabweisliche Konsequenz aus der Bestimmung des § 362 StPO über die außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens, wonach der Oberste Gerichtshof berechtigt ist, bei erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zugrunde gelegten Tatsachen sofort ein neues Urteil zu schöpfen (§ 362 Abs 2 StPO). Unsanierbare Begründungsmängel lösen zwangsläufig erhebliche Bedenken gegen den betreffenden Ausspruch über entscheidende Tatsachen aus, und es wäre eine Inkonsequenz des Gesetzes, im ersten Fall eine Verfahrenserneuerung zwingend anzuordnen, im anderen aber dem Obersten Gerichtshof die Möglichkeit einer Entscheidung in der Sache selbst einzuräumen.

Daß die vorstehenden Überlegungen auch bei Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 a StPO, wenn die dort vorausgesetzten erheblichen Bedenken auch in einem zweiten Rechtsgang nicht auszuräumen sind, Geltung haben müssen, sei nur am Rande bemerkt.

Im vorliegenden Fall kann der unterlaufene Begründungsmangel nach der Aktenlage durch eine neue Hauptverhandlung in erster Instanz nicht beseitigt werden, da weder der Verantwortung des Angeklagten noch den übrigen Ergebnissen der Beweisaufnahme konkret faßbare Anhaltspunkte für eine gewerbsmäßige Zielsetzung zu entnehmen sind. Der unzureichend begründete Qualifikationsausspruch war daher sogleich aufzuheben und demgemäß mit Strafneubemessung vorzugehen.

Dabei waren die Wiederholungen der Tatversuche sowie die zweifache Qualifikation erschwerend, mildernd hingegen der bisherige ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis, die Tatsache, daß es in sämtlichen Fakten beim Versuch geblieben ist, eine gewisse alkoholbedingte Enthemmung zu den Tatzeiten und die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten.

Eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten entspricht der unrechtsbezogenen Schuld.

Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht ist nicht nur eine Folge des Verschlimmerungsverbotes, sondern zudem in der positiven Verhaltensprognose sachlich begründet. Angesichts der Reduzierung des Strafmaßes ist auch eine Herabsetzung des unbedingt zu verbüßenden Strafteiles gerechtfertigt. Eine bedingte Nachsicht der ganzen Strafe scheidet aus generalpräventiven Erwägungen aus.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft war aus dem angefochtenen Urteil zu übernehmen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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