Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, die angefochtenen Urteile, die im übrigen unberührt bleiben, werden in den Freisprüchen der Angeklagten Alexandra F***** und Roland Z***** (ON 76 - 517/I) sowie Daniela F***** (ON 82 - 27/II) vom Anklagevorwurf des Verbrechens des versuchten schweren Raubes (A II des Anklagesatzes ON 54 - 420/I) und weiters - gemäß § 290 StPO - in den Aussprüchen, daß Alexandra F***** zu A II laut Urteilsspruch ON 76 und Daniela F***** zu B II laut Urteilsspruch ON 82 jeweils in die Wiederholung schwerer Diebstähle miteinschließender gewerbsmäßiger Absicht handelten, in den darauf beruhenden Tatbeurteilungen als gewerbsmäßiger schwerer Diebstahl nach § 130 (auch) "dritter Fall" StGB sowie in den die Angeklagten Alexandra F*****, Roland Z***** und Daniela F***** betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung bei Daniela F*****) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Zu A II der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien vom 27.Oktober 1994 (ON 54/I) wurde (ua) den Jugendlichen Daniela F*****, Alexandra F***** und Roland Z***** als Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 (zu ergänzen: Satz 1) zweiter Fall StGB vorgeworfen, Ende August 1994 in Wien (als Mittäter) einem Unbekannten Bargeld wegzunehmen getrachtet zu haben, indem Daniela F***** und Alexandra F***** ihm "die Vornahme eines Geschlechtsverkehrs anboten, um ihn an eine Stelle zu locken, an der sie ihn gemeinsam mit Roland Z***** unter Verwendung einer von Z***** eigens zu diesem Zweck herbeigeschafften Gaspistole berauben wollten", wobei das Tatopfer "das Anbot aber nicht annahm und sich entfernte".
Von diesem Anklagevorwurf wurden Alexandra F***** und Roland Z***** am 17.Jänner 1995 (ON 76/I) und Daniela F***** am 2.Februar 1995 (ON 82/II) jeweils gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Die Urteile enthalten überdies - neben dem rechtskräftigen (Teil-)Freispruch der Angeklagten Daniela F***** hinsichtlich einer Diebstahlstat (ON 82 - 27/II) - unbekämpft gebliebene Schuldsprüche der genannten Angeklagten sowie eines weiteren (Mit-)Angeklagten (ua) wegen (von Daniela F***** und Alexandra F***** gewerbsmäßig begangenen, teils im Versuchsstadium gebliebenen) schweren Diebstahls und (ON 82 - Daniela F***** betreffend) wegen der Verbrechen des Raubes und der Verleumdung wie auch weiterer strafbarer Handlungen. Im Urteil vom 17. Jänner 1995 fehlen (ua) in Ansehung der Bezeichnung der Diebstahlstaten im Urteilssatz (§§ 260 Abs 1 Z 2, 270 Abs 2 Z 4 StPO - wenn auch sanktionslos; EvBl 1982/10; 12 Os 41/84) der Ausspruch des Verwirklichungsstadiums (teilweiser Versuch - Schuldspruch A II) sowie die Anführung des § 15 StGB (§ 260 Abs 2 Z 4 StPO); der dem Angeklagten Z***** angelastete schwere Diebstahl nach §§ 127, 128 Abs 1 (zu ergänzen: Z 1) StGB hinwieder wurde unrichtig als "Verbrechen" bezeichnet. In den bekämpften Urteilen wurde (hinsichtlich Alexandra F***** und Daniela F*****) "§ 130 (erster und dritter Fall) StGB" zitiert, obwohl jeweils (nur) die Qualifikation nach dem ersten Fall des zweiten Satzes dieser Gesetzesbestimmung angenommen wurde.
Der gegen die Freisprüche der Angeklagten Alexandra F***** und Roland Z***** (ON 76) sowie Daniela F***** (ON 82) vom Anklagevorwurf A II wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde, die auf einen Schuldspruch dieser drei Angeklagten primär nach §§ 15, 142 Abs 1 , 143 Abs 1 erster Satz, zweiter Fall StGB, subsidiär nach § 277 Abs 1 StGB abzielt, kommt Berechtigung zu:
Zu den bekämpften Freisprüchen nahm das Erstgericht in beiden Urteilen im wesentlichen gleichlautend als erwiesen an, daß die in der "Karlsplatzszene" verkehrenden Jugendlichen Alexandra F***** und Daniela F***** anläßlich ihrer im Beisein des Mitangeklagten Roland Z***** erfolgten Kontaktnahme mit einem (sexuell an ihnen interessierten) Unbekannten kurzfristig Überlegungen in der Richtung anstellten, dem Mann "Geld wegzunehmen". Alexandra F***** hatte zu diesem Zeitpunkt eine zuvor beschaffte Gaspistole bei sich getragen, die Roland Z***** übernommen habe, um zu verhindern, daß die Mädchen "damit Unfug treiben". Der Unbekannte sei in der Folge der Aufforderung der Angeklagten F***** und F*****, ihnen für den in Aussicht gestellten Geschlechtsverkehr Bargeld auszufolgen, nicht nachgekommen und habe sich entfernt. Ein "ernstlicher" Plan, den "Kunden" unter Verwendung einer Waffe zu berauben, sei bei den Mädchen nicht vorgelegen. Sie hätten zwar "über einen möglichen Überfall auf den Freier mit der Gaspistole gesprochen", seien jedoch letztlich zu keinem "ernstlichen diesbezüglichen Tatentschluß" gelangt und hätten "jede weitere in Richtung eines Raubes gehende Handlung" unterlassen, "nachdem der Freier sich geweigert hatte, mit ihnen ins Gebüsch zu gehen". Roland Z***** hätte "niemals die Ausführung eines Raubes beabsichtigt" (519 f/I, 33 f/II).
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß (auch) das Verhalten der (Mit-)Angeklagten Alexandra F***** und Daniela F***** die zur Annahme strafbaren Versuches der Raubtat erforderliche Ausführungsnähe (§ 15 Abs 2 StGB) nicht erreicht habe, sondern (noch) in der Phase (strafloser) Vorbereitungshandlung verblieben sei. Eine Unterstellung des Sachverhaltes unter den (subsidiären) Tatbestand des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB lehnte das Erstgericht jeweils unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit der Raubverabredung ab (521 f/I, 35/II).
Im Sinn der Beschwerdeargumentation (sachlich durchwegs Z 5) trifft es allerdings zu, daß die Urteilsgründe zu den bekämpften Freisprüchen mit wesentlichen Mängeln behaftet sind:
Was zunächst die tatrichterliche Verwertung der "Angaben der Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter" anlangt, wurde zwar die Verantwortung der Angeklagten Alexandra F***** im gerichtlichen Vorverfahren (ON 45/I) entgegen der Mängelrüge zur Begründung der in Rede stehenden Freisprüche gar nicht herangezogen. Die Verantwortungen der Angeklagten Daniela F***** und Roland Z***** vor dem Untersuchungsrichter (ON 12 und 35/I) hinwieder wurden am 2. Februar 1995 in der Hauptverhandlung gegen Daniela F***** verlesen (18/II), weshalb sie - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - in die Begründung des diese Angeklagte betreffenden Freispruchs prozeßordnungskonform miteinbezogen werden konnten. Da eben diese prozessuale Voraussetzung mangels eines analogen Verlesungsvorganges am 17.Jänner 1995 in der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten Alexandra F***** und Roland Z***** nicht zutraf, ist die Staatsanwaltschaft im Recht, wenn sie die Mitberücksichtigung der Angaben der Angeklagten Alexandra F*****, Z***** und Daniela F***** vor dem Untersuchungsrichter in der Alexandra F***** und Z***** betreffenden Freispruchsbegründung (ON 76/I) als Einbeziehung von Beweisergebnissen rügt, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren (§ 258 Abs 1 StPO).
Zutreffend wird in der Beschwerde ferner auf die (insoweit) weitgehende Übereinstimmung der Darstellung aller drei Angeklagten vor der Sicherheitsbehörde und (teils) in der Hauptverhandlung darin verwiesen, daß (wenigstens) Daniela F***** und Alexandra F***** die Durchführung eines Raubüberfalls auf die unbekannt gebliebene Kontaktperson mit einer zu diesem Zweck beschafften Gaspistole vereinbart und sich - wie auch Z***** und der Unbekannte - bereits zu der für die Tatverwirklichung als geeignet erkannten Grünanlage begeben hatten, worauf die Ausführung nur daran scheiterte, daß Z***** die Waffe an sich brachte bzw das Tatopfer den Tatort verließ (75, 187, 343, 500/I).
Diese - jedenfalls in bezug auf die Angeklagten Daniela F***** und Alexandra F***** - konkreten Anhaltspunkte für ein ernstlich vereinbartes Raubvorhaben (und für dessen Eintritt in das Versuchsstadium) hätten einer eingehenden Erörterung umso mehr bedurft, als auch eine Klärung dahingehend unterblieb, ob Daniela F***** und Alexandra F***** den Mitangeklagten Z***** die Gaspistole freiwillig überließen, bejahendenfalls, worin die (auch in den Urteilsgründen - 520/I bzw 35/II - nicht näher beschriebene) "Beschützerrolle" Z***** bestehen sollte. Gerade der Umstand, daß sich F***** und F***** die Waffe "wegnehmen ließen", wurde nämlich vom Erstgericht unreflektiert als entscheidendes Argument für das Fehlen eines ernstlichen Tatentschlusses (Leukauf-Steininger StGB3 § 277 RN 6; EvBl 1979/6) herangezogen (520/I, 521/I bzw 35/II). Hinsichtlich des Angeklagten Z***** trifft es auch zu, daß jener Teil der Angaben der Daniela F***** in der Hauptverhandlung nicht übergangen werden durften, wonach sie Z***** die Tatwaffe mit der Aufforderung übergab, "sich zu verstecken, damit ihn der Freier nicht sehe" (502/I). Weist doch diese Darstellung in die Richtung, daß die dem Angeklagten Z***** zugedachte "Beschützerfunktion" in seiner Mitwirkung an der Raubtat bestehen sollte.
Die von der Staatsanwaltschaft sohin im dargelegten Umfang mit Recht geltend gemachte Unvollständigkeit der Urteilsgründe macht eine Aufhebung der bekämpften Freisprüche der Angeklagten Alexandra F*****, Roland Z***** und Daniela F***** von dem in Rede stehenden Anklagevorwurf des versuchten schweren Raubes (Anklagefaktum A II) - bei Roland Z***** insbesondere auch wegen des engen Sachzusammenhanges mit den inkriminierten Verhaltenskomponenten der Mitangeklagten - und eine entsprechende partielle Verfahrenserneuerung in erster Instanz unabdingbar. Gegebenenfalls werden im erneuerten Verfahren auch verläßliche Beurteilungsgrundlagen in der Richtung zu beachten sein, ob das Vorhaben bis zum Raubversuch gediehen oder allenfalls als verbrecherisches Komplott (§ 277 Abs 1 StGB) zu beurteilen ist, und weiters, ob bzw welchen der Angeklagten Strafaufhebung infolge Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB) oder aus dem Grunde des § 277 Abs 2 StGB zugute kommt.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof überdies davon überzeugen (§ 290 Abs 1 StPO), daß die Urteile vom 17.Jänner 1995 (ON 76/I) in dem Alexandra F***** betreffenden Schuldspruch A sowie vom 2.Februar 1995 (ON 82/II) im Schuldspruch der Daniela F***** laut Punkt B (der Sache nach jeweils wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1, 130 Satz 2, erster Fall und 15 StGB) jeweils mit einer ungerügt gebliebenen materiellen Nichtigkeit (§ 285 Abs 1 Z 10 StPO) behaftet sind:
Nach diesen Schuldsprüchen fällt nämlich lediglich einer der von den genannten Angeklagten gewerbsmäßig begangenen Diebstähle (wegen Ausnützens der Hilflosigkeit des Tatopfers) unter die Qualifikation nach § 128 Abs 1 Z 1 StGB, auf die sich die erstgerichtliche Tatbeurteilung nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB stützt.
Für die Anwendbarkeit dieses Strafsatzes genügt es nämlich nicht, daß der an sich gewerbsmäßig handelnde Dieb nur ausnahmsweise und ohne Wiederholungsabsicht einen der in § 130 zweiter Satz StGB angeführten qualifizierten Diebstähle begeht. Die Täterabsicht (§ 5 Abs 2 StGB) muß vielmehr auf die wiederkehrende Begehung von im Einzelfall für sich allein nach § 128 StGB oder § 129 StGB beschwerten Diebstählen (zwecks Erzielung einer fortlaufenden Einnahme) gerichtet sein (Leukauf-Steininger aaO § 130 RN 14 und die dort zitierte Judikatur). Eine derartige Absicht der Angeklagten F***** und F***** wurde vom Erstgericht jedoch nicht festgestellt und erweist sich durch die bisher aktenkundigen Verfahrensergebnisse auch nicht als indiziert (unter den von den beiden Angeklagten in mehrfachen Angriffen gewerbsmäßig begangenen Diebstählen erweist sich nur ein einziger als an sich schwer qualifiziert). In amtswegiger Wahrnehmung der beiden angefochtenen Urteilen - die Angeklagten F***** und F***** in diesem Punkt gesetzwidrig benachteiligenden - materiellrechtlichen Nichtigkeit war daher spruchgemäß jeweils mit Teilkassierung und Anordnung entsprechender partieller Verfahrenserneuerung zur abschließenden Beurteilung der ingerierten Qualifikationsgrundlagen vorzugehen.
Mit ihrer (unausgeführt gebliebenen) Berufung war die Staatsanwaltschaft auf den (auch den Strafausspruch erfassenden) kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.
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