Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der 54-jährige Hauptschullehrer Johann S***** wurde des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 18.März 1994 in Kaprun unmündige Personen, nämlich die am 3.Jänner 1981 geborene Marion B*****, die am 29.Mai 1981 geborene Birgit L***** und die am 18.April 1981 geborene Melanie Bu*****, durch Betasten ihrer Geschlechtsteile auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht hat.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die Strafhöhe mit Berufung; die Staatsanwaltschaft erhebt Berufung.
Vorweg ist anzumerken, daß der Rechtsmittelantrag, "nach § 288 a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten", nicht nachvollziehbar ist; denn der - der Sache nach damit relevierte - Nichtigkeitsgrund des § 281 a StPO (Entscheidung eines unzuständigen Oberlandesgerichtes über einen Anklageeinspruch oder eine Versetzung in den Anklagestand), auf den § 288 a StPO abstellt, konnte im vorliegenden Verfahren gar nicht verwirklicht worden sein, weil der Angeklagte nach der Aktenlage keinen Einspruch gegen die Anklageschrift erhoben hat.
Das in der Mängelrüge (Z 5) allgemein gehaltene Beschwerdevorbringen (Punkt I.1.a und 1.e), demzufolge das erstgerichtliche Urteil in seiner Gesamtheit als "unvollständig und unzureichend" begründet sei, weil es nur eine "globale Beweiswürdigung" vornehme, ohne auf die sehr zahlreichen Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten der Zeugenaussagen der vernommenen Schüler einzugehen, und letztlich nicht nachvollziehbar sei, "warum" das Erstgericht einzelne Tatbestände für erwiesen erachtet habe, ist mangels Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich.
Die konkreten (zusammengefaßt wiedergegebenen) Beschwerdeeinwände der Mängelrüge hinwieder (so etwa sinngemäß: das Erstgericht sei zwar auf Grund einer kritischen Betrachtung der Verteidigungslinie des Angeklagten zum Ergebnis gelangt, daß er die ihm zur Last gelegten Tathandlungen nicht wirklich bestritten hätte, es habe aber für diese inhaltsleere Argumentation keine bzw nur eine unzureichende Begründung geliefert; die erste Reaktion des Angeklagten auf die Anschuldigungen sowie der Umstand, daß er im Vorverfahren keine Stellungnahme abgegeben habe, hätten nicht zu seinem Nachteil interpretiert werden dürfen und könnten auch keine ausreichende Begründung für die Ansicht des Schöffengerichtes sein, er habe [in der Hauptverhandlung] nur Schutzbehauptungen aufgestellt [I.1.b]; ferner hätte sich die Begründung bei Beurteilung der Aussagen der betroffenen Schülerinnen nicht darauf reduzieren dürfen, "von weitgehendem Einklang und Übereinstimmung im Kernbereich zu sprechen", sondern es hätte sich das Erstgericht, um den strengen Regeln der Urteilsfindung zu entsprechen, mit ausreichender Begründung mit den einzelnen Aussagen inhaltlich auseinandersetzen müssen [I.1.c]; schließlich habe das Erstgericht die Aussage der Zeugin Gerda La***** "einseitig" gewürdigt bzw deren Äußerung in der Hauptverhandlung [159 oben], sie könne es heute noch nicht glauben, überhaupt keiner Würdigung unterzogen und sich mit der Antwortung der Zeugin Birgit L*****: "Das weiß ich nicht", auf die Frage des Vorsitzenden [187 oben], ob sie sicher sei, daß es ein absichtliches Berühren durch S***** war, in keiner Weise auseinandergesetzt [I.1.d]) trachten bloß aus einzelnen, aus dem Zusammenhang gerissenen und isoliert betrachteten Verfahrensergebnissen unter dem Vorwand einer unvollständigen bzw offenbar unzureichenden Begründung nach Art einer - gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen - Schuldberufung die - jeglichen Schuldvorwurf in Abrede stellende - Verantwortung des Beschwerdeführers als glaubwürdig und richtig hinzustellen.
Demgegenüber hat das Schöffengericht in einer kritischen und ausführlichen Gesamtbetrachtung des vorhandenen Beweismaterials in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) und getreu dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO, die wesentlichen Umstände zur objektiven und subjektiven Tatseite des in Rede stehenden Verbrechens in gedrängter Darstellung abzufassen, mit zureichender und aktengetreuer Begründung in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen dargetan (vgl US 9 ff), warum es den Aussagen der unmündigen Unzuchtsopfer über die Betastungen im Genitalbereich geglaubt, den Einlassungen des Angeklagten (in der Hauptverhandlung) hingegen den Glauben versagt hat, ohne dabei wichtige und dagegensprechende Beweisergebnisse, namentlich auch Divergenzen in den Aussagen über Nebenumstände, mit Stillschweigen übergangen zu haben. Der geltend gemachte formelle Nichtigkeitsgrund liegt nämlich dann nicht vor, wenn - wie hier - die angeführten Gründe dem Beschwerdeführer nicht genug überzeugend scheinen, oder wenn sich aus den Urteilsfeststellungen für den Angeklagten auch günstigere Schlußfolgerungen hätten ableiten lassen (vgl Foregger/Kodek StPO6 S 397 f).
Nach Prüfung der gesamten Aktenlage unter besonderer Berücksichtigung der in der Tatsachenrüge (Z 5 a) erneut ins Treffen geführten Argumente der Mängelrüge sowie der ergänzenden - nicht recht verständlichen, zum Teil in sich widersprüchlichen - Einwände (zum Beispiel: der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt berühre die "untere Grenze" des Straftatbestandes des § 207 Abs 1 StGB; in dieser "Grenzsituation" hätte das Erstgericht zum Ergebnis kommen müssen, daß der Angeklagte keine strafbaren Handlungen im Sinne dieser Norm begangen habe; die Aussagen der betroffenen Kinder, die sowohl zueinander als auch in sich selbst in Widerspruch stünden, hätten "kindgerecht beurteilt werden müssen"; es sei zu bezweifeln, daß der Protokollverfasser, der Elternvertreter Klaus Lei*****, eine besonders geeignete Untersuchungsperson gewesen sei) vermag der Oberste Gerichtshof die vom Beschwerdeführer hervorgekehrten Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen nicht zu teilen. Der geltend gemachte - unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihte und daher in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleichkommende - Anfechtungstatbestand (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 a E 1) gestattet nämlich nur den Vergleich aktenkundiger Umstände mit entscheidenden Feststellungen, nicht aber die im Urteil bejahte Glaubwürdigkeit von Aussagen zu beurteilen (EvBl 1989/24, RZ 1990/94).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich verfehlt mit der Behauptung, die Urteilsfeststellung (US 6), derzufolge der Angeklagte Melanie B***** "an der Brust und am Gesäß berührte", erfülle nicht den Tatbestand des § 207 Abs 1 StGB, eine prozeßordnungsgemäße Darstellung, weil nicht dargetan wird, aus welchen rechtlichen Erwägungen dies der Fall sei (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 9 a E 6). Abgesehen davon geht sie daran vorbei, daß der bekämpfte Schuldspruch ausschließlich das Betasten "der Geschlechtsteile" (des Genitalbereichs zwischen den Beinen) umfaßt (US 1). Das im Anklagesatz (ON 5) zusätzlich angeführte "Betasten der Brüste" wird dem Nichtigkeitswerber im Urteil ausdrücklich nicht angelastet (vgl abermals US 1 iVm US 6).
Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft (§ 285 i StPO).
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