OGH 6Ob577/95

OGH6Ob577/9529.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. David N*****, und 2. Esther V*****, beide ***** vertreten durch Dr.Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Medhat Talaat Arafa H*****, vertreten durch Dr.Roland Hubinger, Dr.Michael Ott, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 22.März 1995, AZ 40 R 145/95 (ON 19), womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 22.November 1994, GZ 5 C 344/93t-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 2.680,12 (darin S 446,69 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Miteigentümer des Hauses Wien 2., S*****gasse 28. Sie begehren, den Beklagten zur Räumung der Wohnung top.Nr.13 in diesem Hause zu verurteilen, weil der für die Zeit vom 1.6.1992 auf neun Monate, bis 28.2.1993 befristet abgeschlossene Mietvertrag abgelaufen sei und der Beklagte die Räumung verweigere.

Der Beklagte wandte ein, es liege ein Kettenmietvertrag vor. Er habe am 1.9.1989 einen zu Unrecht als Untermietvertrag bezeichneten Bestandvertrag über die Wohnung top.Nr.23 im Haus Wien 2., F*****straße 17, für die Dauer von drei Jahren mit dem Sohn der damaligen Eigentümerin, Gertrude B*****, abgeschlossen. Dieses Haus stehe nunmehr je zur Hälfte im Eigentum der Zweitklägerin und der Gisela G*****. Über Intervention von deren Hausverwaltung sei ein weiterer, auf ein Jahr befristeter Mietvertrag über die top.Nr.9 im Hause Wien 2., V*****gasse 27, abgeschlossen worden, welches im Alleineigentum der Gisela G***** stehe. Nach dem Ablaufen dieses Mietvertrages sei der Beklagte in die nunmehr klagsgegenständliche Wohnung übersiedelt. Auch diesen, vom 1.6.1992 bis 28.2.1993 befristeten Mietvertrag habe derselbe Hausverwalter namens der beiden Kläger abgeschlossen. Die Gestaltung der Vertragsverhältnisse sei zur Umgehung der zwingenden Befristungsbestimmungen des MRG erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren unter Zugrundelegung folgender wesentlicher Feststellungen statt:

Der Beklagte schloß im Jahr 1989 einen als Untermietvertrag bezeichneten Bestandvertrag über die Wohnung top.Nr.23 im Haus Wien 2., F*****straße 17, ab. Das Bestandverhältnis sollte am 1.9.1989 beginnen und für drei Jahre abgeschlossen sein. Als Vermieter der Wohnung schien im Vertrag Paul K*****, der Sohn der damaligen Alleineigentümerin des Hauses Gertrude B*****, die die Wohnung für ihre Enkelkinder vorgesehen hatte, auf. Ihr Sohn, der die Wohnung kurz vor Abschluß des Untermietvertrages gemietet hatte, sollte die Wohnung renovieren, was auch geschah, er wohnte dort selbst aber nie. Im Jahr 1990 verkaufte Gertrude B***** das Haus Wien 2., F*****straße 17 an Esther V*****, die Zweitklägerin, und Gisela G*****. Am 1.1.1991 übernahm Dr.Peter D***** die Hausverwaltung. Am 6.6.1991 schloß er als Hausverwalter der Eigentümerin des Hauses Wien 2., V*****gasse 27, Gisela G*****, mit dem Beklagten über die Wohnung top.Nr.9 einen bis 31.5.1992 befristeten Mietvertrag ab. Der Hausverwalter sicherte dem Beklagten zu, nach Ablauf dieses Mietvertrages ihm eine andere Wohnung befristet zu vermieten. Ca. zwei Monate vor Ablauf des Mietverhältnisses ersuchte der Beklagte den Hausverwalter um eine Verlängerung des Mietvertrages, dieser lehnte ab, schloß aber für die Zeit vom 1.6.1992 bis 28.2.1993 namens der beiden Kläger den befristeten, nunmehr streitgegenständlichen Mietvertrag über die Wohnung top.Nr.13 in deren Haus Wien 2., S*****gasse 28, ab.

Ein Naheverhältnis zwischen den hier klagenden Parteien, der Eigentümerin des Hauses Wien 2., V*****gasse 27, Gisela G***** und der früheren Eigentümerin des Hauses Wien 2., F*****straße 17, Gertrude B*****, kann ebensowenig festgestellt werden wie die Tatsache, daß die mit dem Beklagten abgeschlossenen Mietverträge hinsichtlich der Wohnung top.Nr.9 V*****gasse 27 und der gegenständlichen Wohnung nur zur Umgehung der Befristungsbestimmungen des MRG abgeschlossen wurden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, nach den Beweisergebnissen könne mangels erweislicher Umgehungsabsicht nicht von unzulässigen Kettenmietverträgen ausgegangen werden. Die einzelnen Mietverträge seien daher einer isolierten Betrachtung zu unterziehen. Der hier zu beurteilende Mietvertrag enthalte eine zulässige Befristung mit vereinbartem Endtermin 28.2.1993, das Räumungsbegehren sei daher berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge.

Der Argumentation des Beklagten, die Hausverwaltung Dr.D***** sei bei Abschluß der letzten drei Mietverträge mit dem Beklagten namens der unterschiedlichen Hauseigentümer faktisch allein verfügungsberechtigt und bestrebt gewesen, aus der großen Zahl von ihm zur Verwaltung zugewiesene Wohnungsobjekte stets nur befristet zu vermieten und zur Umgehung der mietgesetzlichen Befristungsbestimmungen dafür zu sorgen, daß alle Wohnungen stets vermietet gewesen seien und die Einkünfte der Eigentümer gleich hoch blieben, gleichgültig, welcher Vermieter nun tatsächlich Vertragspartner sei, dadurch werde objektiv der Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt, es seien daher unzulässige Kettenmietverträge anzunehmen, könne nicht beigepflichtet werden. Daß der Hausverwalter Dr.D***** offenkundig bestrebt gewesen sei, die Wohnungen der in seiner Verwaltung stehenden Häuser nach Möglichkeit nur befristet zu vermieten, sei durch § 29 Abs.1 Z 3 lit.c MRG idF vor dem 3.WÄG gedeckt und durchaus legal. Den Hauseigentümern seien auch die Vertretungshandlungen des Verwalters zuzurechnen. Darin allein könne aber noch kein Umgehungsgeschäft erblickt werden. Der Oberste Gerichtshof habe zwar ausgesprochen, daß mehrfach aufeinanderfolgende befristete Vermietung verschiedener Wohnungen als Umgehung der genannten Bestimmung anzusehen sei, dabei habe es sich aber zumindest um ein und denselben Vermieter gehandelt, wenn auch die Wohnungen in verschiedenen Häusern gelegen seien. Selbst im Falle verschiedener Vermieter könne ein Umgehungstatbestand vorliegen, wenn diese zur Umgehung zusammengewirkt hätten. Daß sich mehrere Vermieter desselben Verwalters bedienten, der vom Ablauf eines befristeten Mietverhältnisses einerseits und von der befristeten Vermietbarkeit anderer Wohnungen in einem anderen Haus eines anderen, gleichfalls von ihm vertretenen Liegenschaftseigentümers Kenntnis habe, könne aber für die Annahme eines Umgehungsgeschäftes nicht ausreichen. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit befristeter Bestandverträge eröffnet. Es müsse daher auch zulässig sein, jemandem nach Ablauf eines befristeten Bestandverhältnisses eine andere Wohnung wirksam befristet zu vermieten, und zwar auch dann, wenn der zweite Vermieter Kenntnis vom vorangehenden Mietverhältnis habe. Entscheidend für die Frage einer Umgehung sei die Zusammenrechenbarkeit der jeweiligen Vertragsdauer, die nur dann gegeben sei, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit darstellten. Dies könne nicht angenommen werden, wenn das einzige Gemeinsame neben der Person des Mieters nur jene des Vertreters von verschiedenen Eigentümern sei. Die Vorgangsweise im vorliegenden Fall sei nur eine Anwendung des § 29 Abs.1 Z 3 lit.c MRG, nicht aber deren Umgehung. Dadurch entstehenden häufigen Wohnungswechseln von Ausländern könne nur durch gesetzliche Maßnahmen, welche durch das 3.WÄG bereits erfolgt seien, gegengesteuert werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in der zu beurteilenden Frage einen anderen Rechtsstandpunkt einnehme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Den Ausführungen des Berufungsgerichtes ist zuzustimmen.

Der Oberste Gerichtshof hat die Ansicht vertreten, daß zur Umgehung der zwingenden Bestimmungen des § 29 MRG nach der jeweiligen Gestaltung des Einzelfalles Kettenmietverträge in Umgehungsabsicht nicht nur angenommen werden können, wenn befristete Verträge über dasselbe Bestandobjekt zwischen denselben Vertragspartnern aneinandergereiht werden, sondern auch ähnliche Versuche, wie der Abschluß weiterer befristeter Verträge über dasselbe Bestandobjekt mit Hausgenossen des bisherigen Mieters oder der Abschluß aufeinanderfolgender befristeter Verträge über verschiedene, gleichartige Objekte desselben Vermieters im selben oder auch in einem anderen, im Eigentum des Vermieters stehenden Haus Umgehungsabsicht indizieren, wenn kein objektiv erkennbarer Grund, der nicht auf Umgehungsabsicht schließen läßt (vgl. 6 Ob 561/95) vorliegt.

In der Entscheidung 8 Ob 582/94 wurde ausgesprochen, daß trotz Fehlens einer gänzlichen Vermieteridentität (im dort zu beurteilenden Fall waren Vermieter des ersten mit dem Beklagten abgeschlossenen befristeten Mietvertrages drei Miteigentümer, im zweiten befristeten Mietvertrag war neben den drei selben Miteigentümern eines anderen Hauses noch ein vierter Miteigentümer mit einem Neuntel beteiligt) als in Umgehungsabsicht geschlossen anzusehende Kettenmietverträge vorliegen können. Aber auch in dieser Entscheidung wurde deutlich gemacht, daß durch den Abschluß eines neuen Mietvertrages anstelle einer Vertragsverlängerung die Bestimmung des § 29 Abs.1 Z 3 lit.c MRG nicht mit dem Ziel umgangen werden dürfe, das wirklich beabsichtigte Geschäft - Verlängerung des ersten Mietvertrages - zu verschleiern und daß unmittelbar aufeinanderfolgende befristete Verträge mit verschiedenen Vermietern diesen Tatbestand grundsätzlich nur dann verwirklichen könnten, wenn auf Vermieterseite verschiedene Vermieter lediglich zur Umgehung zusammenwirkten.

Der Gesetzgeber hat durch die Zulässigkeit befristeter Mietverträge in Kauf genommen, daß nach Ablauf der gesetzlichen Frist Mieter gezwungen sein können, sich eine andere - häufig wieder nur mit einem befristeten Vertrag zu vermietende - Wohnung suchen müssen. Die damit zwangsläufig verbundene "Völkerwanderung innerhalb Wiens", insbesondere von Ausländern, hat daher dazu geführt, daß diese Auswirkungen des Gesetzes durch die Novellierung (auch) des § 29 Abs.1 Z 3 lit.c MRG durch das 3.WÄG gemildert wurden. Der Oberste Gerichtshof hat durch seine Judikatur nur klargestellt, daß § 916 ABGB auch im Rahmen des MRG in jenen Fällen zur Anwendung kommt, in denen die Umgehungsabsicht durch die tatsächlich gewollte längerfristige Vermietung an denselben Mieter offenkundig oder bewiesen war, immer aber darauf Bedacht genommen, daß zwischen den nacheinander abgeschlossenen Mietverträgen eine wirtschaftliche Einheit bestand. Eine mehrfache befristete Vermietung einer oder mehrerer Wohnungen durch denselben Hauseigentümer an verschiedene aufeinanderfolgende Mieter oder die mehrfache befristete Vermietung durch verschiedene Hauseigentümer an einen Mieter, der schon zuvor einen befristeten Mietvertrag abgeschlossen hatte, für sich allein zieht noch nicht die durch das Gesetz normierten Folgen nach sich.

Ein Hauseigentümer muß sich die Handlungen seines bevollmächtigten Hausverwalters als seines Vertreters zurechnen lassen. Wenn aber, wie im vorliegenden Fall gerichtsbekannt ist, ein Hausverwalter eine Vielzahl verschiedenster Eigentümer von Miethäusern vertritt und im Rahmen der ihm erteilten Mandate auch eine Vielzahl befristeter Mietverträge abschließt, einem Wohnungssuchenden, dessen befristeter Mietvertrag in einem von ihm verwalteten Haus abgelaufen ist, aufgrund seines großen Geschäftsumfanges und seiner Kenntnis von (ebenfalls nur befristet) vermietbaren Wohnungen in anderen von ihm verwalteten Häusern eine Wohnung anbietet, so macht er dadurch für den von ihm vertretenen Vermieter nur von der ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch. Eine wirtschaftliche Einheit der geschlossenen Verträge kann durch eine solche Vorgangsweise allein von vornherein nicht angenommen werden, kommen doch Überschüsse aus den Mietzinserlösen unterschiedlichen Vermietern zugute. Nur wenn das Zusammenwirken mehrerer verschiedener Vermieter in der Absicht, die zwingenden Befristungsvorschriften des MRG zu umgehen, festgestellt werden kann, die verschiedenen Hauseigentümer also wirtschaftlich im Sinne einer tatsächlich gewollten längerfristigen Vermietung an einen bestimmten Mieter, sei es auch durch einen gemeinsamen Hausverwalter, zusammenwirken, könnte ein Umgehungsgeschäft angenommen werden. Dafür aber träfe den auf Räumung belangten Mieter die Beweispflicht. Im vorliegenden Fall ist dem beklagten Mieter dieser Beweis nach den getroffenen Feststellungen aber nicht gelungen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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