OGH 8Ob516/95

OGH8Ob516/9529.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Rene C*****, geboren am 7.Dezember 1978, infolge Revisionsrekurses des Kindes, vertreten durch die Mutter Maria O*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 23.Februar 1995, GZ 43 R 1055/94-102, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.November 1994, GZ 2 P 135/83-97, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich des unangefochten gebliebenen Teiles zu lauten haben:

"Der vom Vater Norbert C*****, an den mj. Rene C***** zu Handen der Mutter Maria O*****, zu leistende Unterhaltsbeitrag wird ab 1. September 1994 von monatlich 5.600 S auf monatlich 4.500 S herabgesetzt.

Das Mehrbegehren des Vaters auf Herabsetzung des Unterhaltsbetrages um weitere 1.000 S auf 3.500 S wird abgewiesen."

Text

Begründung

Der nunmehr 16-jährige Rene C***** wohnt bei seiner Mutter. Der Vater ist aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 27.Mai 1994 ab 16.Juni 1994 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 5.600 S verpflichtet.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Vaters auf Herabsetzung der Unterhaltsleistung teilweise statt und setzte diese ab 1.September 1994 mit monatlich 4.000 S fest; das Mehrbegehren auf Herabsetzung um weitere 500 S monatlich wies es ab. Das Erstgericht stellte fest, daß der Minderjährige seit 1.September 1994 eine Lehre als Zahntechniker absolviert und eine Lehrlingsentschädigung von durchschnittlich monatlich 2.100 S bezieht. Das - auch der Unterhaltsbemessung mit Beschluß vom 27.Mai 1994 zugrunde gelegte - durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Vaters beträgt 29.400 S. Der Vater ist noch für seinen Sohn N*****, geboren am 6.März 1994, und seine Ehefrau sorgepflichtig; diese bezieht ab 16.Juni 1994 ein Karenzgeld von monatlich 6.426 S.

Das Rekursgericht bestätigte den von beiden Teilen angefochtenen Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auch bei dem vom Vater erzielten Einkommen sei bei Berücksichtigung der Sorgepflichten für ein einjähriges Kind und eine Karenzgeld beziehende Ehegattin der Ausgleichszulagenrichtsatz gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit bb) und lit b) ASVG als Richtschnur für die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit heranzuziehen. Bei einfachen Lebensverhältnissen sei das Eigeneinkommen des Minderjährigen im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf für Minderjährige der entsprechenden Altersgruppe und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen. Der maßgebliche Durchschnittsbedarf betrage 4.110 S und damit rund die Hälfte des Richtsatzes, so daß die Anrechnung der Lehrlingsentschädigung des Minderjährigen auf die Unterhaltsleistungen der Eltern zu gleichen Teilen gerechtfertigt sei.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des durch die Mutter vertretenen Kindes mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Begehren des Vaters lediglich mit einer Herabsetzung auf einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 4.500 S stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes bei einem Einkommen des Unterhaltspflichtigen, das - ohne Bedachtnahme auf das Eigeneinkommen des Minderjährigen - eine erheblich über dem Regelbedarf liegende Unterhaltsleistung rechtfertigt, einfachste Lebensverhältnisse im Sinne der Entscheidung EvBl 1993/12 = JBl 1993, 238 nicht vorliegen (vgl auch SZ 63/102).

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof in der einen ähnlichen gelagerten Fall betreffenden Entscheidung 8 Ob 528/93 ausgesprochen hat, werden Betreuungsleistungen ihrer Natur nach im allgemeinen nach Art und Umfang Kindern einer bestimmten Altersgruppe unabhängig von den durch Geldunterhalt zu befriedigenden Bedürfnissen in gleicher Weise erbracht, so daß die Differenz zwischen dem jeweiligen Durchschnittsbedarf und dem ASVG-Richtsatz in allen Fällen eine geeignete Verhältniszahl zur Aufteilung des Eigeneinkommens des Kindes darstellt. Im Verhältnis dieses Wertes der Betreuungsleistung zum Geldunterhalt sei das Eigeneinkommen des Kindes anzurechnen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze errechnet sich der Wert der Betreuungsleistung der Mutter mit 4.640 S (Richtsatz von monatlich durchschnittlich 8.750 S abzüglich Regelbedarf von 4.110 S), so daß das Verhältnis von Geldunterhalt (5.600 S) zum Wert der Betreuungsleistungen etwa 55 : 45 beträgt. Geht man daher nach Abzug eines gewissen berufsbedingten, im Hinblick auf die glaubhaften Behauptungen der Mutter gemäß § 273 ZPO mit mindestens 100 S monatlich zu bemessenden Mehraufwandes von einem Eigeneinkommen des Minderjährigen von 2.000 S aus, ist daraus ein Betrag von 1.100 S auf die Geldleistung des Vaters anzurechnen.

Der vom Vater zu leistende Unterhaltsbetrag war daher in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen mit 4.500 S monatlich festzusetzen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte