OGH 12Os61/95

OGH12Os61/9529.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Juni 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Eckert als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mag.Brigitte Maria J***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Jacqueline B***** und der Staatsanwaltschaft sowie über die Berufung der Mag.Brigitte Maria J***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.November 1994, GZ 12 c Vr 6410/94-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, der Angeklagten Mag.Brigitte Maria J*****, und der Verteidiger Dr.Manfred Ainedter, Dr.Michael Sauerzopf und Dr.Alfred Boran, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Eleonore B***** und Jacqueline B***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Jacqueline B***** wird verworfen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den die Angeklagten Eleonore B***** und Jacqueline B***** betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Eleonore B***** und Jacqueline B***** werden nach §§ 43 a Abs 2, 302 Abs 1 StGB jeweils zu einer Geldstrafe von 120 (einhundertzwanzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 60 (sechzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe sowie zu einer Freiheitsstrafe von 8 (acht) Monaten verurteilt.

Der Tagessatz wird bei Eleonore B***** mit 200 (zweihundert) S, bei Jacqueline B***** mit 100 (einhundert) S festgesetzt.

Gemäß § 43 a Abs 1 StGB werden die Freiheitsstrafen jeweils unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Der Berufung der Angeklagten Mag.Brigitte Maria J***** wird nicht Folge gegeben.

Die Angeklagte Jacqueline B***** und die Staatsanwaltschaft werden mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (A) Mag.Brigitte Maria J***** sowie (B) Eleonore B***** und Jacqueline B***** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, Eleonore B***** und Jacqueline B***** als Beteiligte nach § 12 zweiter Fall StGB, schuldig erkannt.

Demnach haben sie im September und am 5.Oktober 1989 in Wien

A. Mag.Brigitte Maria J***** als Mitglied der Prüfungskommission nach § 35 SchUG, insbesondere auch der Prüfungskommission für Externistenprüfungen nach § 42 Abs 4 SchUG, mithin als Beamter mit dem Vorsatz, dadurch den Staat in seinem Recht auf Kontrolle des gesetzmäßigen Zuganges zu Universitäten und Hochschulen zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem sie unter Mißachtung der Prüfungsvorschriften die Prüfungsstelle samt des zugehörigen Grammatikstoffes für die von Jacqueline B***** gemäß § 6 Universitätsberechtigungsverordnung (UBVO) nach §§ 41 f SchUG abzulegende Zusatzprüfung "Latinum" zur Weiterleitung an den Prüfling bekannt gab, nur diesen Stoff prüfte und es dadurch unterließ, die tatsächlichen Kenntnisse der Jacqueline B***** festzustellen und leistungsgerecht zu beurteilen;

B. Eleonore B***** und Jacqueline B***** "im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der gesondert verfolgten Charlotte G*****" die Angeklagte Mag.Brigitte Maria J***** zu dieser strafbaren Handlung bestimmt, indem sie Eleonore B***** über Vermittlung durch Charlotte G***** zur Bekanntgabe der Prüfungsstelle aufforderte und diese sodann an Jacqueline B***** weiterleitete.

Das Erstgericht verurteilte Mag.Brigitte Maria J***** zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von zehn Monaten, Eleonore B***** und Jacqueline B***** jeweils zu vier Monaten - unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe sowie zu einer Geldstrafe von siebzig Tagessätzen (§ 43 a Abs 2 StGB).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagte Jacqueline B***** aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, die Staatsanwaltschaft in dem die Angeklagten Eleonore B***** und Jacqueline B***** betreffenden Strafaussprüchen aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO jeweils mit Nichtigkeitsbeschwerden.

Das Erstgericht stellte - zusammengefaßt wiedergegeben - folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Durch die erfolgreiche Ablegung einer Externistenprüfung kann auch ohne vorangegangenen Schulbesuch die Beherrschung des Lehrstoffes eines bestimmten Unterrichtsgegenstandes - etwa Latein - in einer bestimmten Schulstufe oder Schulart nachgewiesen werden (§ 42 SchUG). Derartige Prüfungen sind grundsätzlich vor Kommissionen, die mündliche Prüfung öffentlich und in Anwesenheit des Vorsitzenden sowie aller übrigen Mitglieder der Prüfungskommission, abzulegen (§ 37 Abs 8 SchUG). Prüfungstermine und Namen der jeweils antretenden Kandidaten werden beim Stadtschulrat (für Wien) - für jeden Interessierten einsehbar - ausgehängt. Die Prüfungsnoten sind vom Prüfer in die Kandidatenliste einzutragen, in den Prüfungskatalog zu übertragen und dort von ihm und dem Vorsitzenden der Prüfungskommission zu unterzeichnen.

Das sogenannte "Latinum" ist eine vor Beginn des dritten einrechenbaren Semesters bestimmter Studienrichtungen - unter anderem Medizin - nach den Vorschriften der §§ 41 f SchUG abzulegende Zusatzprüfung aus Latein zu einer an einer höheren Schule ohne Pflichtgegenstand Latein abgelegten Reifeprüfung (§§ 4 und 6 der UBVO 1988). Für diese Zusatzprüfungen gelten die Bestimmungen für die Ablegung der Reifeprüfungen nach §§ 35 f SchUG.

Die Angeklagte Mag.Brigitte Maria J***** war als Mittelschulprofessorin für den Gegenstand Latein zur Prüferin der Externistenprüfungskommission beim Stadtschulrat bestellt. Die diesbezüglich gesetzlichen Bestimmungen waren ihr bekannt.

Jacqueline B***** legte die Matura an einem Realgymnasium ab, dessen wirtschaftskundlichen Zweig sie besucht hatte. Im Herbst 1988 inskribierte sie an der Universität Wien Medizin. Ihr war klar, daß sie bis zum Beginn des dritten Semesters ein Zeugnis über das erfolgreich abgelegte Latinum vorzulegen hatte, andernfalls sämtliche bestandenen Prüfungen ungültig würden. Nachdem sie den Beginn des auf der Universität Wien veranstalteten Kurses für das Latinum versäumt hatte, besuchte sie nur unregelmäßig Kurse einer Maturaschule und nahm sechs- bis siebenmal Nachhilfeunterricht in Latein.

Ihr und ihrer Mutter Eleonore B***** war bewußt, daß diese Vorbereitungen für eine erfolgreiche Ablegung der Externistenprüfung aus Latein offenbar unzureichend waren. Aus diesem Grunde wandte sich Eleonore B***** im Einvernehmen mit ihrer Tochter im Herbst 1989 an Dr.Maximilian S***** und ersuchte diesen um Intervention. Dr.S***** leitete dieses Ersuchen an Charlotte G*****, Inhaberin der Maturaschule N*****, weiter, welche an die Angeklagte Mag.J***** um Bekanntgabe der konkreten Prüfungsstelle herantrat. Nach kurzer Überlegung teilte ihr die Angeklagte Mag.J***** die Prüfungsstelle (Sallust Bellum Catilinae Kapitel 20/2) telefonisch mit und erklärte auch, nur den zugehörigen Grammatikstoff prüfen zu werden. Sodann leitete G***** diese Information an Eleonore B***** gegen Vereinbarung eines Entgeltes von 10.000 S bei Bestehen der Prüfung weiter.

Jacqueline B*****, die auch einfachste lateinische Ausdrücke nicht übersetzen kann, war zu keinem Zeitpunkt in der Lage, den verlangten Prüfungsstoff tatsächlich zu bewältigen. Sowohl sie als auch ihre Mutter wußten, daß wegen der mangelhaften Prüfungsvorbereitung die erfolgreiche Ablegung des Latinums nur durch einen Amtsmißbrauch der Prüferin, nämlich durch Bekanntgabe der genauen Textstelle samt zugehöriger Grammatik, zu erreichen war. Jacqueline B***** bereitete sich nunmehr auf die Prüfung ausschließlich durch Auswendiglernen des bekanntgegebenen Stoffes vor.

Am 5.Oktober 1989 trat sie zur schriftlichen und mündlichen Prüfung an, obwohl es zu dieser Zeit keinen Prüfungstermin gab. Ihr Name war weder in einer Kandidatenliste aufgenommen, noch die Prüfung durch öffentlichen Aushang ersichtlich gemacht. Sie legte die Prüfung auch nicht vor einer Kommission, sondern alleine vor der Erstangeklagten Mag.J***** ab, ohne daß der Kommissionsvorsitzende davon Kenntnis hatte. Mit Datum 6.Oktober 1989 trug Mag.J***** in den Prüfungskatalog als Benotung für die mündliche und schriftliche Prüfung die Gesamtnote "Gut" ein. Diese Eintragung wurde vom Vorsitzenden nicht unterfertigt.

Mag.J***** verletzte durch die Weitergabe der konkreten Prüfungsstelle, die Vornahme einer Scheinprüfung und die nicht leistungsgerechte Beurteilung wissentlich und mit Schädigungsvorsatz die ihr bekannten Prüfungsvorschriften.

Auf Grund ihrer Eintragungen im Prüfungskatalog erhielt Jacqueline B***** von der zuständigen Behörde ein Zeugnis für das Latinum mit der Benotung "Gut". Vor Beginn des dritten einrechenbaren Semesters ihres Medizinstudiums legte sie dieses dem medizinischen Dekanat der Universität Wien vor, um ihre Studienberechtigung zu erhalten.

Vereinbarungsgemäß bezahlte Eleonore B***** an Charlotte G***** in der Folge 10.000 S.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Jacqueline B*****:

Im Sinne der Beschwerdeargumentation (Z 9 lit a) trifft es zwar zu, daß die Urteilsfeststellungen, wonach sich die Angeklagte Jacqueline B***** einer - allein von ihrer Mutter, wenn auch mit ihrem Einvernehmen für sie organisierten - Scheinprüfung unterzog, einen Schuldspruch wegen Bestimmung zum Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nicht zu tragen vermögen. Denn Bestimmungstäter im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB ist nur, wer durch ein Verhalten, das den (oder zumindest einen) Anstoß zur Tatausführung gibt, ursächlich dafür wird, daß sich ein anderer zur Ausführung einer strafbaren Handlung entschließt (Leukauf-Steininger Komm3 § 12 RN 27 f).

Wenngleich diese Kriterien auf das festgestellte Verhalten der Beschwerdeführerin nicht zutreffen, hat dies - der Beschwerde zuwider - nicht seine Straflosigkeit zur Folge.

Rechtsrichtig wäre es vielmehr als Tatbeitrag nach dem dritten Fall des § 12 StGB zu beurteilen gewesen:

Erst dadurch, daß sich die Angeklagte Jacqueline B***** - mit Schädigungsvorsatz und im Wissen um den Befugnismißbrauch durch die unmittelbare Täterin (US 10) - der für sie organisierten Scheinprüfung tatsächlich unterzogen hat, hat sie den Eintritt des Schadens herbeigeführt und solcherart das von Mag.J***** begangene Verbrechen gerade in einer entscheidenden Phase seiner Ausführung wesentlich gefördert.

Da sohin nach den Urteilsfeststellungen alle rechtlichen Kriterien eines sonstigen Beitrages im Sinne des dritten Falles des § 12 StGB gegeben sind, wirkte sich die irrige Beurteilung als Bestimmungstäterschaft nicht zum Nachteil der Angeklagten aus, sodaß darin keine Nichtigkeit liegt (Leukauf-Steininger aaO RN 14).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Jacqueline B***** war daher zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Beim erstgerichtlichen Strafausspruch hinsichtlich der Angeklagten Eleonore B***** und Jacqueline B***** blieb außer acht, daß die Strafenkombination nach § 43 a Abs 2 StGB eine hypothetische Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten (aber nicht mehr als zwei Jahren) voraussetzt.

Da die vom Schöffengericht verhängten Strafen (von jeweils insgesamt fünf Monaten und fünf Tagen) die Untergrenze dieses Sanktionsausmaßes nicht erreichen, verletzen die Strafaussprüche die zitierte Gesetzesbestimmung, sind dadurch nichtig im Sinne des von der Anklagebehörde geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Z 11) und waren demnach in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu kassieren.

Bei der dadurch notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof bei Eleonore B***** als erschwerend, daß sie die Angeklagte Mag.J***** zur strafbaren Handlung verführt hat, als mildernd bei beiden Angeklagten den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und die Begehung der Tat vor längerer Zeit, bei Jacqueline B***** überdies ihr damaliges Alter von unter 21 Jahren.

Die unrechtsbezogene Täterschuld (§ 32 StGB), wie sie in der unter bewußter Ausnützung der gesellschaftlichen Stellung an einen Beamten gerichteten Aufforderung zur Begehung des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt zum Ausdruck kommt, macht eine Sanktionsangleichung an die Höhe der über die unmittelbare Täterin verhängten Freiheitsstrafe erforderlich. Dies gilt trotz der etwas differierenden Strafzumessungsgründe auch für die Angeklagte Jacqueline B*****, zumal diese aus der strafbaren Handlung den alleinigen Vorteil zog, den sie als Zeichen eines nicht unbeträchtlichen Mangels an Wertverbundenheit noch dazu auf das größtmögliche Ausmaß ausdehnte, indem sie allein im Vertrauen auf das mit ihrem Einverständnis für sie initiierte Verbrechen davon Abstand nahm, sich auch nur einfachste lateinische Grundkenntnisse anzueignen.

Anders als bei der Angeklagten Mag.J*****, welche als - nicht nur wirtschaftlich - nachteilige Folge ihres Verhaltens seit längerem vom Dienst suspendiert ist, ist bei den beiden Mitangeklagten spezialpräventiven Straferfordernissen durch die Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB im ausgesprochenen Umfang Rechnung zu tragen.

Die Staatsanwaltschaft und Jacqueline B***** waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Zur Berufung der Angeklagten Mag.J*****:

Bei dieser Angeklagten wertete das Schöffengericht bei der Strafbemessung keinen Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen das reumütige, wesentlich zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis, ihren bisherigen ordentlichen Lebenswandel sowie den Umstand, daß sie aus der Straftat keinen persönlichen Vorteil zog.

Ihrer dagegen erhobenen Berufung, mit welcher sie eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren Umwandlung in eine zumindest teilweise bedingt nachgesehene Geldstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Trotz der längere Zeit zurückliegenden Tat (§ 34 Z 18 StGB) trägt das bekämpfte Strafausmaß den vorliegend gegebenen Straferfordernissen sowohl in spezial- wie auch generalpräventiver Hinsicht in sachgerechter Weise Rechnung, sodaß weder das angebliche Fehlen interner Kontrollmechanismen, noch die behaupteten Bedenken, das Ansinnen der Mitangeklagten auf Grund deren sozialen Stellung abzulehnen, die begehrte Strafkorrektur rechtfertigen. Dies umso weniger, als die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung der Strafneubemessung nunmehr auch zu den die beiden Mitangeklagten betreffenden Strafaussprüchen in einem ausgewogenen Verhältnis steht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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