OGH 7Ob40/94

OGH7Ob40/9428.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Christian Kleinszig und Dr.Christian Puswald, Rechtsanwälte in St.Veit/Glan, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Hammerschlag und Dr.Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 184.000,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5.Mai 1994, GZ 3 R 244/93-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11.Oktober 1993, GZ 22 Cg 172/93y-5, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichtes einschließlich des Kostenausspruches mit Ausnahme der Entscheidung über die Abweisung des Zinsenbegehrens wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 40.263,-- (darin enthalten S 12.000,-- Barauslagen und S 4.710,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei hat mit der beklagten Partei eine Einbruchsversicherung abgeschlossen. Das Versicherungsverhältnis war am 21.9.1992 aufrecht. Nach der Versicherungspolizze galt das versicherte Risiko für den gesamten Kasseninhalt, wie Bargeld, Valuten, Wertpapiere aller Art (Aktien, Wechsel, Devisen, Schecks, Kupons, Lose, Einlagebücher), Brief- und Stempelmarken, Schmucksachen, Gold, Silber, Platin und Radium im "ordnungsgemäß mit allen Schlössern versperrten Geldschrank auf erstes Risiko, Mauersafe mit gepanzerter Türe und Depotgeldern." Auf die Versicherung sind die Allgemeinen Einbruchsdiebstahlversicherungsbedingungen (AEB 1972) anzuwenden.

In der Nacht vom 20. auf den 21.9.1992 drangen unbekannte Täter durch Aufbrechen eines Fensters in die Büroräumlichkeiten der klagenden Partei ein, brachen sämtliche Laden und Türen der Büromöbel auf und fanden in einer aufgebrochenen Schreibtischlade den Tresorschlüssel zum Möbeltresor, der im linken Kastenteil eines Einbauschrankes aufgestellt war. Mit dem Tresorschlüssel öffneten sie den im selben Raum befindlichen Tresor und entnahmen darin aufbewahrtes Bargeld.

Die Klägerin behauptet den Eintritt des Versicherungsfalles und begehrt von der beklagten Partei Zahlung des der Höhe nach nicht strittigen Betrages von S 184.000,-- zuzüglich 11 % Zinsen ab dem 30.3.1993.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage mit der Begründung, daß nur die in einem Mauersafe mit gepanzerter Türe verwahrten Wertgegenstände gegen Einbruchsdiebstahl versichert seien. Die klagende Partei sei verpflichtet gewesen, den Tresorschlüssel in einem Behältnis zu verwahren, das mindestens die gleiche Sicherheit bietet wie die vereinbarten Behältnisse für gestohlene Sachen. Eine Schreibtischlade aus Holz könne keinesfalls die gleiche Sicherheit wie ein mit einer gepanzerten Tür versehener Mauersafe bieten.

Das Erstgericht wies die Klage ohne Beweisaufnahme ab. Ein versicherter Einbruchsdiebstahl sei nur dann als solcher im Sinne des Art.2 Abs.3 lit.c AEB zu qualifizieren, wenn der Schlüssel, mit dem der Tresor von unbekannten Tätern geöffnet worden sei, in einem Behältnis verwahrt worden wäre, das mindestens die gleiche Sicherheit wie der Tresor selbst geboten hätte. Die Aufbewahrung des Tresorschlüssels in einer versperrten Schreibtischlade entspreche diesem Sicherheitserfordernis nicht.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der klagenden Partei Folge und verpflichtete mit Teilurteil die beklagte Partei zur Bezahlung des Kapitalsbetrages. Hinsichtlich des Zinsenbegehrens hob es die angefochtene Entscheidung ohne Ausspruch über die Zulässigkeit eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof auf. Es erörterte rechtlich, daß das in Art.2 Abs.3 lit.c AEB genannte Erfordernis, wonach die Verwahrung der Schlüssel zum versicherten Mauersafe in einem Behältnis erfolgen müsse, das mindestens die "gleiche" Sicherheit wie die vereinbarten Behältnisse bieten müsse, dahin auszulegen sei, daß darunter nicht eine "gleichartige" Sicherheit verstanden werden könne, weil dies zu einer in den Versicherungsbedingungen nicht vorgesehenen "Verwahrungskette" führe. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer verstehe darunter lediglich, daß der Schlüssel, mit dem die Öffnung des Behältnisses der versicherten Sachen erfolgen könne, gegen Wegnahme gesichert werde und daß dazu eine versperrte Schreibtischlade (als Behältnis für die Schlüssel) geeignet und auch als ausreichende und gleichwertige Sicherheit bietend anzusehen sei.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Frage der Auslegung allgemeiner Vertragsbedingungen über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukomme.

Gegen den abändernden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw. ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Auf den vorliegenden Sachverhalt sind die Allgemeinen Einbruchsdiebstahlversicherungsbedingungen (AEB 1972) anzuwenden. Nach Art.2 Abs.1 lit.a AEB 1972 liegt ein Einbruchsdiebstahl dann vor, wenn ein Dieb in die Versicherungsräumlichkeit durch Eindrücken oder Aufbrechen der Türen, Fenster ... eingebrochen hat. Sofern Sachen aufgrund der Versicherungsbedingungen (Art.4 Abs.2) oder besonderer Vereinbarung nur in verschlossenen Behältnissen versichert sind, gilt nach Abs.3 lit.c des Art.2 ein Diebstahl nur dann als Einbruchsdiebstahl im Sinne der Versicherungsbedingungen, wenn einer der unter Art.2 Abs.1 bezeichneten Tatbestände gegeben ist und überdies die Behältnisse (zB Geldschränke, Mauersafes, versperrte Möbelstücke udgl.) mit den Original- oder Duplikatschlüsseln eröffnet wurden, sofern diese in Behältnissen verwahrt waren, die mindestens die gleiche Sicherheit bieten wie die vereinbarten Behältnisse für die gestohlenen Sachen und der Täter sich in den Besitz der Schlüssel durch Erbrechen der Behältnisse oder Eröffnung derselben mittels Werkzeugen, die zu deren ordnungsmäßiger Eröffnung nicht bestimmt sind, gesetzt hat. Nach Art.4 Abs.2 AEB sind Bargeld, Wertpapiere, Sparkassenbücher, Urkunden, Edelsteine, Edelmetall und echte Perlen, Münzen- und Briefmarkensammlungen sowie Schmuck-, Gold- und Platinsachen nur in verschlossenen Behältnissen, die eine erhöhte Sicherheit, und zwar auch gegen die Wegnahme der Behältnisse selbst gewähren, versichert, sofern keine Sonderregelung getroffen wurde. Liegt eine Vereinbarung über die Aufbewahrung solcher Sachen in bestimmten Behältnissen vor, so sind sie nur versichert, wenn sie sich dort unter dem vereinbarten Verschluß befinden.

Wie das Berufungsgericht zunächst richtig ausgesprochen hat, sind nach nunmehr ständiger Rechtsprechung Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (VR 1992/277; VR 1992/284). Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, die Verwahrung des Tresorschlüssels in einer versperrten Schreibtischschublade sei als ausreichend anzusehen, nicht gefolgt werden.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der Entscheidung VersR 1980, 758 = VR 1981, 155 ausgesprochen, daß die Bestimmung des Art.2 Abs.3 lit.c AEB den Zweck verfolge, dem Täter ein weiteres Hindernis in den Weg zu legen. Der Schlüssel zu einem Safe, in dem Bargeld verwahrt werde, dürfe einem Einbrecher nicht allzu leicht in die Hände fallen, da ansonsten das Erfordernis des versperrten Verwahrens von Geld zunichte gemacht werde. Ein solches Hindernis sei auch dann anzunehmen, wenn der Schlüssel für das versperrte Behältnis im gleichen Ausmaß gegen Entnahme abgesichert werde, wie das Behältnis, dessen Sperre er diene. Als versperrtes Behältnis im Sinne des Art.2 Abs.3 lit.c müsse auch ein versperrtes Möbelstück gelten.

Im Gegensatz zu dem nunmehr zu entscheidenden Sachverhalt läßt sich der Vorentscheidung allerdings nicht entnehmen, ob überhaupt ein "qualifiziertes" Behältnis dem Versicherungsvertrag zugrundegelegt wurde. Wurde kein besonders qualifiziertes Behältnis vereinbart, genügt die Verwahrung des Safeschlüssels in einem versperrten Möbelstück, weil auch dieses als verschlossenes Behältnis im Sinne des Art.2 Abs.3 AEB angesehen wird. Anders liegt jedoch der Fall, wenn im Versicherungsvertrag ausdrücklich ein qualifiziertes Behältnis, wie im vorliegenden Fall ein gepanzerter Mauersafe, als verpflichtender Aufbewahrungsort für Bargeld vereinbart wurde. In diesem Fall haftet der Versicherer nur dann, wenn der Täter den richtigen Schlüssel durch Erbrechen aus einem anderen Behältnis erlangt, das mindestens die gleiche Sicherheit bietet wie das vereinbarte qualifizierte Behältnis (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht DX Rz 10 und 11). Nur dann, wenn in derselben Position alternativ mehrere Behältnisse vereinbart wurden, genügt es, wenn das andere Behältnis dem am wenigsten qualifizierten der vereinbarten Behältnisse entspricht. Es spielt auch keine Rolle, ob die "Schlüsselvortat" außerhalb oder innerhalb des Versicherungsortes stattfindet, solange das andere Behältnis, in welchem der Safeschlüssel verwahrt wurde, zumindest die gleiche Sicherheit wie das vereinbarte qualifizierte Behältnis bietet.

Nach der zutreffenden Meinung des Erstgerichtes kann aber auch nach der Anschauung eines verständigen Versicherten eine einfach versperrte Schreibtischschublade keinesfalls (zumindest!) die gleiche Sicherheit bieten wie ein verschlossener und gepanzerter Mauersafe. Es wäre daher Sache des Versicherten gewesen, den Schlüssel zum gepanzerten Mauersafe in einem Behältnis zu verwahren, das mindestens die gleiche Sicherheit wie der gepanzerte Mauersafe selbst bietet.

Der Revision war daher insgesamt Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs.2, 50, 52 Abs.2, 392 ZPO.

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